Jubiläum
«Wir haben dem Bund die Mitwirkung der Kantone richtig abgetrotzt»

Vor 20 Jahren gründeten die Kantone die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), um ihre Interessen einzubringen. Auch der Aargau weiss diese Möglichkeit zu nutzen.

Mathias Küng
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«Wir haben dem Bund die Mitwirkung der Kantone richtig abgetrozt.»

«Wir haben dem Bund die Mitwirkung der Kantone richtig abgetrozt.»

Die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) feiert am 8. Oktober mit einem Festakt in Bern den 20. Geburtstag. Sie wurde nach der Abstimmung über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gegründet.

Damals erkannten die Kantone, dass sie sich grad mit Blick auf die bilateralen Verträge frühzeitig beim Bund einbringen müssen. Das erste grosse Geschäft war aber die neue Bundesverfassung.

Thomas Pfisterer war als Vertreter des Aargaus an der KdK-Gründung und im leitenden Ausschuss dabei. «Damals», erinnert sich der frühere Bundesrichter, Aargauer Regierungs- und Ständerat, «haben wir dem Bund die Mitwirkung der Kantone richtig abgetrotzt.»

Sie konnten ihre Anliegen einbringen und unterstützten die Vorlage 1999 dann auch. Angesichts der Knappheit des Volks-Ja glaubt Pfisterer nicht, dass die Verfassung ohne Unterstützung der Kantone diese Hürde genommen hätte.

Aber was bringt dies dem Aargau? Pfisterer: «Der Aargau hat allein Mühe, in der Schweiz eine Mehrheit zu finden. Selbst die Nordwestschweiz ist dazu zu klein – zudem ist man sich auch hier oft uneinig.»

Da lassen sich in der Konferenz Verbündete finden. Ein Beispiel: Ursprünglich waren die Agglomerationsprogramme des Bundes primär auf grosse Städte wie Zürich, Basel, Bern usw. ausgerichtet. In der KdK und anderen Regierungskonferenzen kämpfte der Aargau vorab mit St. Gallen, Schaffhausen und Tessin, damit auch kleinere Agglomerationen wie Aarau-Olten-Zofingen und Baden-Wettingen profitieren. So ist die Bahnsanierung Aarau–Suhr früh aufgenommen worden. Erfolgreich, wie wir heute wissen.

KdK: Grosse rechtliche Bedeutung

Die KdK taucht zwar in der Bundesverfassung nicht auf, sie ist aber ein verfassungsrechtlich durchaus erwünschtes Organ. Sie dient – anders als der rechtlich von den Kantonen unabhängige Ständerat – vor allme der Mitwirkung der Kantone an der Bundespolitik. Dies sagt Andreas Glaser, Professor an der Universität Zürich und Abteilungsleiter am Zentrum für Demokratie (ZDA). In der Aussenpolitik schreibe die Verfassung den Stellungnahmen der Kantone ausdrücklich besonderes Gewicht zu. Nicht unkritisch zu sehen sei, «dass die KdK durch die Institutionalisierung des kooperativen Föderalismus tendenziell zu einer Eindämmung des Wettbewerbs zwischen den Kantonen führen kann». Ein gewisses demokratisches Defizit stelle es angesichts der grossen rechtlichen und faktischen Bedeutung der KdK dar, dass Bürger nur mittelbar über die Wahl der Kantonsregierungen und die direktdemokratischen Verfahren in den Kantonen Einfluss auf die Vorhaben der KdK nehmen können. (az)

Pfisterer sieht die KdK nicht als Konkurrenz zum Parlament: «Sie ist ein Hilfsorgan der Kantone, das gerade beim Bilateralismus unverzichtbar ist». Die einzelnen Kantone hätten allein meist nicht genug Fachwissen und Kraft, um sich einzubringen.

Die KdK agierte aber bewusst «nur bis vor die Tore der Plenarsäle. Nachher entscheidet das Parlament.» Die KdK steht für Pfisterer kurz für «Effizienz, Fachwissen, Konsenssuche».

Föderalistisches Erfolgsmodell

Der Aargau hat zusammen mit der KdK die Grundsatzdiskussion zur Erneuerung und Weiterentwicklung des föderalistischen Erfolgsmodells in den letzten Jahren sehr aktiv mitgestaltet, betont Staatsschreiber Peter Grünenfelder.

So fand 2008 die zweite Nationale Föderalismuskonferenz denn auch nicht von ungefähr in Baden statt. Grünenfelder hat auch eine Neukonzeption des Föderalismus-Monitorings initiiert, in dem die KdK regelmässig aufzeigt, «in welche Richtung sich der Föderalismus entwickelt und wie er ganz konkret im Interesse der Kantone gestärkt werden kann».

Gut für den Aargau ist natürlich auch, dass der Aargauer Finanzdirektor Roland Brogli die KdK im politischen Steuerungsorgan der vom eidgenössischen Finanzdepartement eingesetzten Projektorganisation «Unternehmenssteuerreform III» vertritt.

«Stärkt Stellung der Kantone»

Doch wie beurteilt die Forschung die KdK? Für den Demokratieforscher Daniel Kübler, Direktor des Zentrums für Demokratie (ZDA) in Aarau, ist klar: «Die KdK stärkt die Stellung der Kantone gegenüber dem Bund.»

So können die Kantone ihre Strategien bündeln. Dies gelang 2002/03 elf Kantonen im Kampf gegen das Steuerpaket des Bundes. Sie ergriffen erstmals das Kantonsreferendum – und siegten. Die KdK und die Fachkonferenzen (etwa die Konferenz der Finanz- oder der Baudirektoren) haben zwar keine Entscheidungskompetenz.

Ihr Einfluss und ihre Wirkung ist gleichwohl hoch, so Kübler unter Verweis etwa auf das Harmos- oder das Hooligan-Konkordat.