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Kanton Aargau
Die Attribute jung, weiblich, authentisch verhalfen Susanne Hochuli bei den Wahlen 2008 zum Politcoup.
Die Wahl der damals 43-jährigen grünen Fraktionspräsidentin Susanne Hochuli in den Regierungsrat am 30. November 2008 war eine faustdicke Überraschung. Kommentatoren brauchten sogar den Ausdruck «Polit-Erdbeben». Dabei schien die Ausgangslage zunächst einfach: Offiziell zu ersetzen waren die Regierungsräte Ernst Hasler (SVP) und Kurt Wernli (parteilos seit seinem Ausschluss aus der SP). Die beiden verzichteten nach je acht Amtsjahren auf die Wiederwahl. Die SVP erhob mit Alex Hürzeler und die SP mit Urs Hofmann Anspruch auf die frei werdenden Sitze.
Weil damit eine Verlängerung der frauenlosen Zusammensetzung im Regierungskollegium drohte, die seit der Abwahl der FDP-Regierungsrätin Stéphanie Mörikofer im Jahr 2001 bestand, nominierten die Freisinnigen mit Doris Fischer-Taeschler und die Grünen mit Susanne Hochuli bewusst und gezielt zwei Regierungsratskandidatinnen. Zu ihnen stiessen noch fünf weitere neue Kandidaten. Unter ihnen auch der SVP-Nationalrat Luzi Stamm, der auf die offizielle Nomination seiner Partei gehofft hatte, aber nach der Nichtberücksichtigung «wild» kandidierte – wie er das, damals noch als Freisinniger, schon 1993 erfolglos gegen die offizielle FDP-Kandidatin Stéphanie Mörikofer getan hatte. Von den grösseren Parteien meldete nur die CVP keine zusätzlichen Ambitionen an, denn sie war seit 2001 mit Roland Brogli und Rainer Huber zweifach in der Regierung vertreten.
Mit 12 Kandidierenden nahm der Wahlkampf im Herbst 2008 schliesslich ziemlich komplexe Züge an. Ein 2. Wahlgang schien vorprogrammiert. So kam es auch, allerdings mit einer unerwarteten Konstellation. Denn im 1. Wahlgang wurden nur zwei bisherige Amtsinhaber, Peter C. Beyeler (FDP) und Roland Brogli (CVP), sowie die neu kandidierenden Urs Hofmann (SP) und Susanne Hochuli (Grüne) gewählt. Sehr knapp, wegen 380 fehlender Stimmen zum absoluten Mehr, wurde der offizielle SVP-Kandidat Alex Hürzeler in die 2. Wahlrunde verwiesen, während Regierungsrat Rainer Huber klar distanziert auf dem vierten Platz der Nichtgewählten landete. Mit andern Worten: Die SP war wieder in der Regierung vertreten, die SVP als wählerstärkste Partei im Kanton hingegen noch nicht, und der CVP drohte der Verlust ihres zweiten Regierungssitzes. Doch vor und über allem stand die Tatsache, dass die Grünen jetzt mit Susanne Hochuli neu und erstmals mitregierten.
Der grünen Grossratsfraktionspräsidentin, ausgebildeten Kindergärtnerin und Journalistin Susanne Hochuli, die ihrem Leben eine Wende gegeben hatte, indem sie auf dem elterlichen Landwirtschaftsbetrieb als Biobäuerin in die Fussstapfen ihres allzu früh verstorbenen Vaters René trat, war ein unerwarteter politischer Coup gelungen. Wie schaffte sie das? Sie trat im Wahlkampf als junge, sympathische und authentische Frau auf und liess sich lieber auf sachpolitische Argumentationen als ideologische Gefechte ein. Man traute ihr im Politestablishment neue Impulse zu. Das machte sie auch für Stimmberechtigte bis in die politische Mitte wählbar.
Der unterlegene, nicht wieder gewählte Vorsteher des Bildungsdepartements, Regierungsrat Rainer Huber, zahlte persönlich die Zeche für eine in weiten Kreisen bis in die Lehrerschaft umstrittene Bildungsreform. Dabei mangelte es ihm weder an Format noch an Leistungsausweisen. Er hatte zum Beispiel grossen Anteil an der Gründung der Fachhochschule Nordwestschweiz mit den Trägerkantonen Aargau, Solothurn, Baselland und Baselstadt, sowie an der Konzentrierung der aargauischen Fachhochschulabteilungen Technik, Wirtschaft und Pädagogik im neuen Fachhochschulcampus Brugg-Windisch.
In der 213-jährigen Kantonsgeschichte ist Susanne Hochuli erst die zweite aargauische Regierungsrätin. Ihre Wahl im Jahr 2008 wurde nicht zuletzt von der Meinung getragen, dass eine Frau dem fünfköpfigen Regierungskollegium guttäte. Es gibt Anzeichen für eine Verfestigung dieser Haltung. Jedenfalls nominierte sogar die Aargauer SVP, die noch nie mit einer Frau in die Regierungsratswahlen zog – die CVP übrigens auch nicht –, für den kommenden Wahlherbst erstmals eine Kandidatin. Sie dürfte, wenn die Symptome nicht trügen, kaum die einzige bleiben. Folgt also auf Susanne Hochuli wieder eine Frau? Darauf könnte man wetten.
*Hans-Peter Widmer ist ehemaliger Redaktor und Aargau-Ressortleiter der AZ.