Die Hälfte der sechsten «Bestatter»-Staffel ist vorbei. Wer den Überblick über die Handlung verloren hat, sollte sich nicht grämen.
Wer den Überblick behalten will, muss höllisch aufpassen. Die Schützin mit dem Töff, die Erika dermassen beeindruckt, dass sie sich auch einen kleinen Töff postet, tauchte nun Dienstagabend plötzlich als rechte Hand von Guru Mankovsky auf, in dessen Fängen sich nicht nur Luc nach und nach verheddert, sondern, neben dem unglücklichen, mit Drogen ruhig gestellten Flückiger, sucht auch Niklas Berghoff beim Therapeuten Mankovsky Zuflucht: Berghoff ist, das merken aufmerksame Zuschauer rasch einmal, der Vater der mysteriösen Lilly, die sich Knall auf Fall unsterblich in Co-Bestatter Fabio verliebt hat, aber bald sterben wird.
Es wird noch komplizierter. Denn in der dritten Folge der sechsten Staffel kam auch noch der Fall Tobler dazu. Toblers sind reiche Fabrikanten, wohnen in einer schönen Villa und man erkennt sofort: Geld macht nicht glücklich. Sondern eher unglücklich und böse. Dabei wirkt der alte Tobler wie eine Karikatur des Ur-Kapitalisten, sein Herzanfall ist ziemlich lustig. Als Fabrikantengattin schafft es Heidi Maria Glössner, innerhalb von zwei Sekunden äusserst unsympathisch zu wirken – eine reife Leistung. Leider dauert es nicht viel länger bis der Zuschauer weiss, wer die begabte junge Geigenspielerin Miranda über den Haufen gefahren hat; dass der missratene Tobler-Sohn dann nicht nur als Täter, sondern gleich auch noch als Vater des Opfers entlarvt wird, nimmt der Geschichte den letzten Rest von Ernsthaftigkeit. Wer die Serie geniessen will, sollte sich deshalb keine Gedanken über die gezeigten Geschichten machen und schon gar nicht erst versuchen, den Überblick behalten zu wollen.
Wir sollten vielmehr darauf vertrauen, dass das Drehbuch Luc und Anna-Maria die Fälle lösen lässt. Auch der Tod von Sandra Flückiger, die wir eigentlich schon längst vergessen haben, wird geklärt und dem Wüstling Mankovsky das Handwerk gelegt.
So können wir Zuschauer uns um andere, mindestens so wichtige Dinge kümmern. Zum Beispiel: Wo im Aargau steht die Villa des Schlagersternchens Rikki Bachmann? Wo die düstere Fabrikantenvilla der Toblers? Wo das Reich des Sektengurus Mankovsky? Gehört das gfürchige Gebäude gar zum Solvay-Areal in Zurzach?
Stimmt es, dass die von Luc und Anna-Maria gemietete Wohnung sich in Spreitenbach befindet? Woher hat Luc so plötzlich ein Box-Spring-Bett? Trifft es zu, dass Luc beim Kauf von einem Sonderangebot profitiert hat: Nur 8000 statt 12'000 Franken – und gibt es diese Aktion wirklich, und wenn ja, wo? Wem ist auch aufgefallen, dass Luc einmal rechts neben Anna-Maria im Bett liegt und ein paar Tage später links von ihr? Was könnte das bedeuten? Zudem muss man sich fragen, ob die beiden überhaupt je zusammenziehen werden und ob das eine gute Entscheidung wäre.
Weiter fällt auf, dass die Bestatter Conrad und Testi meist nur auf unnatürliche Weise zu Tode gekommene Menschen bestatten; man muss befürchten, dass es dem Unternehmen daher finanziell nicht besonders gut gehen kann. Zumal in der Folge vom Dienstag niemand ums Leben gekommen ist, Miranda fiel ja glücklicherweise nur in ein tiefes Koma, aus dem sie gegen Ende der Sendung wieder erwacht ist. Und wenn Kommissar Doerig seine Chefin völlig aus dem Nichts um eine Lohnerhöhung angeht; wetten, dass das etwas zu bedeuten hat? Wir werden es erfahren. Vielleicht schon in der nächsten Folgen. Oder in der übernächsten. Da spielt dann der FC Aarau gegen den FC Wohlen und am Schluss ist der Schiedsrichter tot.
Und wir stellen erstaunt fest: Der «Bestatter» ist längst kein Krimi mehr. Sondern die Serie hat sich fast unbemerkt in eine meist vergnügliche Kriminalkomödie verwandelt.