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Kanton Aargau
Die SP Aargau nominiert ihre Kandidatur für den Regierungsrat, der erste Wahlgang ist am Samstag. Wer aufgestellt wird, hat gute Chancen, ab 2021 anstelle von Urs Hofmann im Regierungsrat zu sitzen. Offen ist, welchen Einfluss das Geschlecht der Kandidierenden beim Entscheid der Delegierten hat.
Bereits vor eineinhalb Jahren stand die SP Aargau vor dem Frauen-Dilemma: Yvonne Feri und Cédric Wermuth wollten für den Ständerat kandidieren. Obwohl sich die Genossen die Förderung der Frauen in höheren Positionen vor allen anderen auf die Fahne geschrieben hatten, gaben die Delegierten deutlich Cédric Wermuth den Vorzug. Yvonne Feri kandidierte schliesslich im Herbst 2019 für den Regierungsrat und unterlag im zweiten Wahlgang knapp dem jetzigen Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati (SVP).
Der Regierungsrat wurde mit der Wahl Gallatis wieder zum Männergremium. Und jetzt könnte ausgerechnet die SP dafür verantwortlich gemacht werden, wenn das auch nach den Gesamterneuerungswahlen vom 18. Oktober so bleibt. Denn ihr Regierungsrat Urs Hofmann ist der einzige, der zurücktritt, sein Sitz ist also auch der einzige, der sicher neu besetzt werden wird. Der Anspruch der SP als zweitgrösste Partei des Kantons wird grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Die einzige Nichtregierungspartei, die bereits eine Kandidatin für die Wahlen aufgestellt hat, sind die Grünen. Mit der Zofingerin Christiane Guyer wollen sie aber explizit einen Sitz der Bürgerlichen übernehmen, nicht jenen der SP.
Die Kandidatin oder der Kandidat, den die Delegierten der SP nominieren, hat also sehr gute Chancen, in den Regierungsrat gewählt zu werden.
Zur Auswahl stehen die Aarauer Stadträtin Franziska Graf und die beiden Grossräte Marco Hardmeier und Dieter Egli. Wäre die Frauenfrage das einzige Kriterium, wäre der Fall klar. Dass man eine Kandidatin oder einen Kandidaten aber nicht aufgrund des Geschlechts nominieren will, sagte SP-Präsidentin Gabriela Suter bereits vor der Nominierung für die Ständeratskandidatur und bei der jetzigen Ausmarchung betont sie es wieder. Welche anderen Kriterien müssten also spielen?
In den politischen Inhalten unterscheiden sich die drei höchstens in Nuancen, sie vertreten alle klar die Positionen der SP. Als Entscheidungsgrundlage kann das nicht herhalten. Vielleicht aber der Bekanntheitsgrad? Franziska Graf ist noch keine feste Grösse in der Aargauer SP. Zwar sass sie während sechs Jahren im Grossen Rat, seit zwei Jahren aber nicht mehr. Sie ist auch nicht Delegierte für die SP Aargau und kommt damit nicht regelmässig automatisch mit jenen Menschen in Kontakt, die sie jetzt wählen sollen.
Marco Hardmeier war hingegen 2016 sogar Grossratspräsident und ist seither nicht nur innerhalb der Partei, sondern auch weit über die SP hinaus ein bekannter Name. Zudem ist er Präsident der wichtigen Geschäftsprüfungskommission. Dieter Egli ist seit 18 Jahren im Grossen Rat, seit zwölf Co-Präsident der Fraktion und darum ebenfalls prominent in der Aargauer SP. Hinzu kommt, dass sich sowohl Hardmeier als auch Egli als Grossräte und durch ihre jeweiligen Funktionen mit der kantonalen Politik und den aktuellen Herausforderungen beschäftigen. Sie kennen sich dort bestens aus und können Fragen dazu detailliert beantworten. Das fehlt Franziska Graf, dafür ist sie die einzige aus dem Kandidatenreigen, die als Aarauer Stadträtin derzeit in einem Regierungsamt tätig ist. Sie hat Erfahrungen in einem solchen Gremium gemacht, in dem auch Kompromissbereitschaft gefragt ist.
Dass ihr Geschlecht bei der Ausmarchung ein klarer Vorteil sein könnte, sagt Franziska Graf nicht. Die Motivation für ihre Kandidatur begründet sie trotzdem primär damit, dass die Hälfte der Aargauer Bevölkerung nicht in der Regierung vertreten sei. Das müsse sich ändern, möglichst rasch solle eine Frau dort einziehen. Weil sich sonst keine Frau für eine Kandidatur zur Verfügung gestellt habe, mache sie es, sagte Graf am ersten Kandidierenden-Hearing. Unter anderen Nationalrätin Yvonne Feri, Kantonalpräsidentin Gabriela Suter und Grossrätin Simona Brizzi hatten kein Interesse. Marco Hardmeier stellt sich auf den Standpunkt, dass die SP auch für mehr Gleichberechtigung sorgen könne, indem sie ihn zum ersten homosexuellen Regierungsrat macht. Doch bisher steigt niemand wirklich auf dieses Argument ein oder würde ihn deswegen für die Regierung portieren. Die SP Frauen Aargau sowie die Juso haben gar schon vor dem Ablauf der Meldefrist für die Kandidaten bekannt gegeben, dass für sie ein männlicher Kandidat nicht in Frage kommt.
Wegen der Coronakrise geht die Ausmarchung für die SP-Regierungsratskandidatur brieflich vonstatten. Die Kandidierenden stellten sich den 264 stimmberechtigten Delegierten in den letzten Wochen übers Internet in einem Video vor, hielten Telefonsprechstunden ab und nahmen an zwei Kandidierenden-Hearings per Videokonferenz teil.
Der erste Wahlgang findet am kommenden Samstag, 25. April, statt. Bis dann schicken die Delegierten ihre Wahlzettel ein, die Auszählung erfolgt unter notarieller Aufsicht, die SP gibt am Nachmittag das Resultat bekannt. Nominiert ist, wer das absolute Mehr der Stimmen erreicht.
Falls niemand auf die erforderliche Anzahl kommt, findet am 15. Mai ein zweiter Wahlgang statt. Ein allfälliger dritter wäre am 5. Juni angesetzt. Ab dem zweiten Wahlgang wird gemäss dem «Eliminationsverfahren» vorgegangen: Es gilt das relative Mehr und wer jeweils am wenigsten Stimmen erzielt, scheidet aus.
Bis zum 15. März waren bei der SP die drei Kandidaturen von Dieter Egli, Franziska Graf und Marco Hardmeier eingegangen. (eva)