Wochenkommentar
Was wir von unseren Politikern hören wollen – und was nicht

Viele Politiker treten Ende Jahr zurück. Viele bekamen noch einmal die Gelegenheit, über ihre Amtszeit zu reden. Doch was wollen wir überhaupt von ihnen hören? Der Wochenkommentar von Thomas Röthlin über die Rhetorik von Gemeinderäten.

Thomas Röthlin
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Auftritt vor den Medien, das ist nicht immer einfach - Aber was wollen wir von unseren Politikern hören? Und was nicht?

Auftritt vor den Medien, das ist nicht immer einfach - Aber was wollen wir von unseren Politikern hören? Und was nicht?

Keystone

Die Worte, mit denen Regierungsrat Urs Hofmann die neuen Gemeinderäte auf ihr Amt einschwor, waren geschickt gewählt. Zuerst prophezeite er ihnen Entbehrungen.

«Die Arbeit als Milizpolitiker ist zeitintensiv und aufreibend», sagte er an den Inpflichtnahmen - um sofort schmeichelnd nachzuschieben, wie einflussreich sie ab Januar sein würden: «Schweizer Politik beginnt ‹unten› (...) Sie stehen also an erster Stelle der politischen Ordnung!»

Dann erst zählte er die Anforderungen auf, darunter Unabhängigkeit, Durchsetzungsvermögen, Fairness. Zum Schluss erlaubte Hofmann den Gemeinderäten, «auch mit Humor» politisieren zu dürfen.

Was wollen wir eigentlich von unseren Politikern hören, welche die Hofmann'sche Botschaft in der kommenden Legislatur in Taten münzen müssen? Und auf welche Worte können wir gern verzichten?

Nie gibt es mehr Politikerzitate auf einmal als am Ende einer Amtsperiode wie jetzt. Aus den zahlreichen Porträts und Interview mit zurücktretenden Behördenmitgliedern, die diese Woche in der Aargauer Zeitung erschienen sind, lassen sich deshalb trefflich vier Gebote ableiten.

Du sollst Dein Amt nicht herunterspielen. Man stelle sich eine Einwohnerratspräsidentin vor, die zu Protokoll gibt: «Was kann man schon erreichen, wenn man neutral sein muss?»

Oder eine zurücktretende Stadträtin, die behauptet: «Die Funktion als solche war mir nie wichtig.»

Bekenntnisse wie diese sollte man nach der Wahl besser für sich behalten, hatte es vor der Wahl doch bestimmt ganz anders getönt.

Hingegen spürt man, wie gern er sein Amt hatte, wenn der scheidende Vizeammann ganz im Hofmann'schen Sinn sagt: «Auch im Stadtrat hatten wir es lustig.»

Du sollst nicht Phrasen dreschen. «Mir war immer wichtig, dass man in zukunftsorientierte Projekte investiert.» Das kann kaum das Alleinstellungsmerkmal eines Gemeindeammanns sein.

Folgende Aussagen machen einen Politiker hingegen fassbar: «Ich gehöre nicht der SP, ich habe nie die Erlaubnis eingeholt bei dem, was ich entschieden habe.» - «Ich habe gemerkt, dass ich die Familienpolitik, die ich als CVP-Politiker zelebriere, nicht selber vorlebe.»

Und in einem kleinen Dorf braucht es Mut, zu sagen: «Der gemeinsame Einkauf von Büromaterial wurde teilweise bereits als Verlust der Gemeindeautonomie interpretiert.»

Du sollst Dir selber kein Denkmal setzen. Politiker sind keine Supermenschen. Der Gemeindeammann, der sagt, «Vitamin B gibt es bei mir nicht», geniesst vielleicht die Sympathien des Anti-Establishments, doch glaubwürdig ist er nicht.

Gar unsympathisch sind Heldengeschichten, die so beginnen: «Ich habe das Projekt eines Stararchitekten zu Fall gebracht.»

Wie wohltuend hingegen der Stadtrat, der über seine ersten Gehversuche freimütig berichtet: «Damals hatte ich Schweissausbrüche, dachte, jesses, ich habe alles falsch gemacht.»

Du sollst Dich nicht selbst bemitleiden. «Es braucht schon viel Durchhaltevermögen, solche komplexen Projekte über Jahre zu begleiten und zu einem guten Ende zu bringen.»

Man wird den Verdacht nicht los, dass Politiker, die so etwas sagen, ans schlechte Gewissen ihrer Wähler appellieren. Das ist nicht anders, wenn sie jammern: «Unsere Ferienwohnung in Davos kam in den letzten Jahren zu kurz.»

Wem vier Gebote zu viel sind, halte sich an das Rezept des Dürrenäscher Ammanns Hansjörg Hintermann, sich für die Politik ja nicht zu verbiegen: «Ich bin nun mal ein Bauer - und ich habe mich zuweilen auch wie ein Bauer ausgedrückt.»