Coronakrise
Was die Hilfsgelder im Kanton Aargau einem Restaurant konkret bringen

Kurzarbeit, Härtefall-Hilfe, Fixkostenbeitrag: Was bringen all die Hilfsprogramme einem Betrieb ganz konkret? Wir haben das anhand eines fiktiven, durchschnittlichen Restaurants durchgerechnet.

Raphael Karpf
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Restaurants sind in der ganzen Schweiz geschlossen.

Restaurants sind in der ganzen Schweiz geschlossen.

Michel Canonica

«Wir wollen für die Unternehmen tun, was wir können.» Das sagte der frischgebackene Volkswirtschaftsdirektor Dieter Egli am Donnerstag zu den Medien. Der Aargau hat soeben die finanzielle Unterstützung für die von Corona gebeutelten Unternehmen erhöht.

Zum einen gibt es weiterhin Härtefall-Gelder. Wer Einbussen hat, bekommt je nachdem einen Kredit, den er zurückzahlen muss, und/oder zusätzlich Geld, welches nicht zurückbezahlt werden muss, in Höhe von maximal 20 Prozent des Umsatzes.

Zudem hat der Aargau ein weiteres Hilfspaket aufgegleist: Und zwar für alle Betriebe, die mindestens 40 Tage schliessen mussten. Für diese übernimmt der Kanton während der Dauer der Schliessung einen Teil der Fixkosten wie Miete oder Strom. Je nach Branche ist dieser Anteil unterschiedlich: Gastro-Betriebe bekommen 25 Prozent des gesamten Aufwands von 2019, Läden 16.

So viel verschiedene Gelder wurden mittlerweile versprochen, dass man schnell einmal den Überblick verlieren kann. Was bringt all das einem Betrieb, ganz konkret?

Anhand eines fiktiven Betriebs haben wir das durchgerechnet. Sämtliche Zahlen, die wir verwenden, stammen dabei entweder vom Kanton oder von Gastro Aargau. Das Beispiel sollte somit so realistisch wie möglich sein.

Wir stellen uns ein Restaurant vor, irgendwo in einem Dorf im Aargau. Es hat einen Saal und eine kleine Gartenterrasse. An der Wand hängt ein Hirschgeweih. Über Mittag bestellen die Bauarbeiter, die der Strasse um die Ecke einen neuen Belag verpassen, Schnipos. Abends klopfen vier Rentner am Stammtisch einen Jass, während nebenan die Turner des örtlichen Vereins nach dem Training Chicken-Nuggets verdrücken. Es ist ein durchschnittliches, vielleicht eher kleineres Restaurant. In guten Zeiten macht der Wirt einen Jahresumsatz von 510'204 Franken. Mit einer Gewinnmarge von zwei Prozent kann er etwas über 10'000 Franken auf die Seite legen. Das macht einen Gesamtaufwand von 500'000 Franken im Jahr.

Wie steht es um das Restaurant?

Seit knapp einem Monat ist das Restaurant, auf Anweisung des Bundes, geschlossen. Die Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. Die Frau des Wirts, die zu 100 Prozent im Betrieb mitarbeitet, bekommt allerdings nichts. Ehegatten haben aktuell keinen Anspruch auf Kurzarbeit. Die Sozialversicherungen seiner Mitarbeiter zahlt der Wirt zudem voll. Fünf Prozent des gesamten Aufwands, den er normalerweise hat, fallen weiterhin an.

Einige der Kühler konnte der Wirt abstellen, die Heizung hat er runtergedreht, neues Besteck schafft er sich bis auf weiteres nicht an. Versicherungen, Stromkosten, Steuern muss er aber weiter bezahlen. Weitere 16,5 Prozent des Aufwands müssen bezahlt werden.

Seinen Vermieter hat der Wirt angefragt, ob er ihm einen Teil der Miete erlassen könne. Das Haus gehört einem Privaten, dieser lebt von den Mietzinsen. Er kann es sich nicht leisten, dem Wirt entgegenzukommen. Er muss die gesamte Miete weiter zahlen. Weitere zehn Prozent des Aufwands sind fällig.

Laut einer Umfrage von Gastro Aargau haben über die Hälfte des Restaurants im Kanton keine Mietreduktion erhalten. Und wer eine Reduktion bekommen hat, musste häufig einen Anteil der Miete weiter bezahlen, fast niemandem wurde die Miete komplett erlassen.

Wir rechnen zusammen: 31,5 Prozent des Aufwands sind weiterhin fällig, obwohl der Wirt alle Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt hat und keine neuen Lebensmittel einkauft. Das sind 13'125 Franken, die jeden Monat, in dem er geschlossen haben muss, verschwinden. Jeden Monat schmilzt das Ersparte eines gesamten, guten Jahres und noch etwas mehr dahin.

Fixkosten-Beitrag

Und genau hier soll nun der neu beschlossene Fixkosten-Beitrag des Kantons helfen. 25 Prozent des Aufwands wird vergütet, maximal 30'000 Franken im Monat. Für unseren Wirten sind das 10'416 Franken. Somit verliert er jeden Monat «nur »noch 2709 Franken. Weil dieser Betrag mit 30'000 Franken im Monat gedeckelt ist, profitieren aber Restaurants, je grösser sie sind, desto weniger davon. Ein Restaurant mit einem monatlichen Aufwand von 125'000 Franken hat Fixkosten von 39'375 Franken, bekommt aber «nur» 30'000 Franken. Es verliert jeden Monat 9375 Franken.

Heiner Kuster, Vorstandsmitglied von Gastro Aargau.

Heiner Kuster, Vorstandsmitglied von Gastro Aargau.

Chris Iseli

Trotzdem: Die Reaktion von Gastro Aargau zu diesem Hilfspaket fällt positiv aus: «Wir sind sehr froh um diese Unterstützung. Damit ist den Restaurants während der Schliessung sicher geholfen», sagt Heiner Kuster, Vorstandsmitglied von Gastro Aargau. Allerdings: Es wäre besser, würde der Fixkostenbeitrag 30 Prozent des Aufwands betragen, nicht 25, so Kuster. «Damit wären wir näher bei der Realität.»

Härtefall-Gelder

Nicht gedeckt sind mit dieser Unterstützung die Ausfälle, die die Restaurants vergangenes Jahr hatten, während sie offen waren. Viele Menschen waren 2020 im Homeoffice, eine Zeit lang durften Restaurants nur vier Leute pro Tisch bedienen, zudem mussten sie für eine Zeit lang abends um sieben schliessen. All das führte zu Einbussen. Eine Umfrage von Gastro Aargau hat ergeben: Die Restaurants im Aargau haben vergangenes Jahr bis Mitte Dezember im Schnitt 43 Prozent weniger Umsatz gemacht als im Vorjahr. Die Ausfälle von Ende Dezember und jetzt im Januar waren da noch nicht einmal mit drin.

Bei all diesen Ausfällen sollen die Härtefall-Gelder helfen. Anspruch hat, wer entweder mindestens 25 Prozent Umsatzverlust macht, oder wer seit November mindestens 40 Tage schliessen musste. Betroffene Wirte müssen ein Gesuch beim Kanton stellen. Dabei müssen sie unter anderem einen Finanzplan für 2021 mit einreichen: Wie viel Geld werden sie voraussichtlich verdienen? Wie viel haben sie auf der Seite?

Aufgrund dieser Angaben entscheidet der Kanton, ob und wie viel Geld ein Betrieb bekommt. Zuerst werden Kredite verteilt, die zurückbezahlt werden müssen. Nur wenn nicht realistisch ist, dass die Kredite innert zehn Jahren zurückbezahlt werden können, gibt es Geld, das nicht zurückbezahlt werden muss. Dieses kann maximal 20 Prozent des Umsatzes betragen. Ob, und wie viel Geld ein Wirt bekommt, weiss deshalb im Vornerein niemand.

Das ist allerdings gar nicht der Hauptkritikpunkt von Gastro Aargau. Ob es realistisch ist für Betriebe, Kredite zurückbezahlen zu können, wird anhand der Finanzpläne entschieden. Dazu sagt Kuster: «Wie sollen Wirte für 2021 einen Finanzplan erstellen? Wir wissen nicht, wann wir wieder öffnen können. Und wenn wir öffnen dürfen, wissen wir nicht, mit welchen Einschränkungen. Es ist unmöglich, so einen Finanzplan zu erstellen.»

Statt dass die Gelder nun aufgrund eines rein hypothetischen, realitätsfremden Finanzplans verteilt würden, solle es doch Geld anhand der tatsächlichen Verluste geben, so Kuster. Der Vorschlag von Gastro Aargau: Der Kanton solle 75 Prozent der effektiven Ausfälle vergüten, minus bereits bezahlte Leistungen wie etwa Kurzarbeit.