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Beim Transporteur Dreier gibt es Übertretungen bei der Arbeitszeit, diese seien jedoch absolut branchenüblich. Das sagen zwei Experten, welche für die Aargauer Zeitung Fahrerdaten von Dreier ausgewertet haben.
Seit zwei Wochen liegen sich Transportunternehmer Hans-Peter Dreier und die Gewerkschaft Unia in den Haaren. Einige unzufriedene Chauffeure und die Gewerkschaft warfen dem Unternehmer vor, seine Firma zwinge die Fahrer praktisch dazu, die Arbeits- und Ruhezeitverordnung (ARV) zu verletzen. Die Unia forderte Dreier zu Gesprächen auf, dieser ging nicht auf die Forderung ein.
In einer Medienmitteilung hielt er am Dienstag schon fest, die Unia sei bisher nicht mit «effektiven Daten, Fakten und Zahlen rausgerückt». Unia-Regionalsekretär Pascal Pfister sagt auf Anfrage, man habe Dreier die kritischen Fahrerinformationen aus Datenschutzgründen nicht zugestellt. «Bei einem Gespräch würden wir die Unterlagen selbstverständlich auf den Tisch legen», betont Pfister.
Transportunternehmer Hans- Peter Dreier geht im Konflikt mit der Unia in die Offensive. «Aufgrund der Ereignisse der letzten 14 Tage und der vorliegenden Fakten prüft die Dreier AG eine Klage gegen die Unia», teilt er mit.
Die Vorwürfe: Verwendung von unrechtmässigen Mitteln zur Erreichung eines Ziels, Ausschluss von Dreier-Personal von einer öffentlichen Versammlung, ungebührliches Verhalten mit Handgreiflichkeit, Aufruf zu Ungehorsam mit Sachbeschädigung, Androhung der Freiheitsberaubung und erpresserische Tendenzen. Unia-Sekretär Pascal Pfister entgegnet: «Die Vorwürfe sind absurd. Wir sehen einer möglichen Klage sehr gelassen entgegen.» Die Unia werde die
Situation bei Dreier weiter beobachten und sich dafür einsetzen, «dass die Bedingungen für die Fahrer verbessert werden». (fh)
Unia schreibt einen offenen Brief
Nun unterbreitet die Unia Hans-Peter Dreier in einem offenen Brief «jene Punkte, die wir Ihnen im Rahmen eines Gesprächs vorgelegt hätten». Konkret schreibt die Unia: «Wir haben Fahrerkarten auswerten können und mussten feststellen, dass die ARV teilweise massiv verletzt wird.»
Dreier schlägt seinerseits vor, die Tachodaten der zwei Chauffeure, die als Vertreter der kritischen Fahrergruppe im Unternehmen gewählt wurden, von unabhängiger Seite zu überprüfen. «Nach einer konkreten Auswertung der Daten durch Eugen Villiger, den ARV-Spezialisten der Aargauer Kantonspolizei, liegen Tatsachen vor», erklärt der Firmenchef.
az liess Fahrerdaten auswerten
Auch der Aargauer Zeitung liegen die Tachodaten eines Dreier-Fahrers vor. Die Anfrage, ob sie diese auswerten könne, lehnt die Kantonspolizei ab. «Es ist ausgeschlossen, dass unsere ARV-Experten Unterlagen öffentlich begutachten, die ihr von den Medien zugespielt werden», sagt Sprecher Bernhard Graser.
Auch eine Selbstanzeige ist keine Lösung. «In diesem Fall hat die Kantonspolizei den Fahrer an die Staatsanwaltschaft zu verzeigen. Diese entscheidet über Schuld und Strafe», erklärt Graser.
Im Auftrag der az haben deshalb zwei Experten die Daten ausgewertet. David Piras, Generalsekretär der Transportgewerkschaft Les Routiers Suisses, sagt: «Es gibt einige Übertretungen, aber diese sind kein Grund, um Alarm zu schlagen oder einen Streik anzufangen.»
Piras kritisiert, dass die Nachtruhezeit dreimal innerhalb eines Monats nicht eingehalten worden sei. Auch die Arbeitszeit pro Woche sei «sicher an der oberen Grenze».
Um die Frage zu beantworten, ob der Fahrer den gesetzlichen Höchstschnitt von 48 Wochenstunden in einem Zeitraum von 26 Wochen einhalte, reichen die Daten der az laut David Piras nicht aus.
Ein unabhängiger Aargauer ARV-Dienstleister, der pro Woche rund 3000 Fahrerkarten auswertet und auch mit der Kantonspolizei zusammenarbeitet, kann weiterhelfen. Der Firmeninhaber, der nicht namentlich genannt werden möchte, hat für die fehlenden Wochen die durchschnittliche Dreier-Wochenarbeitszeit von 46 Stunden zugrunde gelegt.
«Mit dieser Annahme wird der gesetzliche Schnitt von 48 Wochenstunden nicht immer eingehalten», sagt der ARV-Spezialist. Überdies habe der Fahrer in zwei bis drei Fällen die erlaubte Limite von 60 Arbeitsstunden in einer Einzelwoche überschritten.
Überschreitungen branchenüblich
«Aufgrund der Aussagen von Fahrern in der az habe ich erwartet, dass die Daten viel dramatischer aussehen», sagt der Experte. Im Vergleich mit anderen Tachodaten, die er auswerte, bewegten sich die Übertretungen aber absolut im Rahmen. «Von allen Fahrerkarten, die wir analysieren, sind vielleicht fünf Prozent absolut sauber», schätzt er. Im Klartext: Die Überschreitungen des Dreier-Fahrers sind absolut branchenüblich.
Zudem hat auch der Fahrer Fehler gemacht: Piras und der unabhängige Fachmann weisen übereinstimmend darauf hin, dass der Fahrer zwei- oder dreimal vergessen habe, am Abend von Arbeitszeit auf Pause umzustellen. «Das ist aus meiner Sicht ein Versehen, keine böse Absicht. Die entsprechenden Stunden werden bei der Auswertung im Betrieb wieder herausgerechnet», sagt Piras.