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Kanton Aargau
Wer im Aargau auf der schwarzen Liste ist, weil er seine Prämien nicht gezahlt hat, erhält nur noch die medizinische Notfall-Versorgung. Der Umgang mit säumigen Prämienzahlern wird im Kanton sehr kontrovers diskutiert.
Die eidgenössischen Räte doktern inzwischen praktisch permanent am Krankenversicherungsgesetz (KVG) herum. Aktuell steht zur Diskussion, ob der Bund den Kantonen die Möglichkeit, sogenannt «schwarze Listen» säumiger Krankenkassenprämienzahler, verbieten will. Wer auf einer schwarzen Liste ist, bekommt nur noch medizinische Notfall-Versorgung. Die vorberatende Kommission in Bern befürwortet dies. Bevor das Parlament entscheidet, können die Kantone ihre Sicht darlegen. In ihrer Stellungnahme lehnt die Aargauer Regierung ein schweizweites Verbot ab. Es «widerspräche der Parlamentsmehrheit im Kanton Aargau und greift in die Autonomie der Kantone ein.»
Der Aargau führt auf Geheiss des Grossen Rates seit 2014 eine schwarze Liste. Die Regierung sprach sich damals dagegen aus, wurde aber überstimmt. Laut Linda Keller, Sprecherin der Sozialversicherung Aargau (SVA), sind aktuell 11280 Personen auf der Liste, etwas weniger als auch schon. Mitte 2018 umfasste die Liste 12249 Namen. Aufgrund von Verlustscheinen säumiger Zahler mussten die Gemeinden den Versicherungen 2018 rund 16,4 Millionen Franken vergüten.
Der SVP-Grossrat und Geschäftsführer Daniel Aebi fände es daneben, wenn der Bund schwarze Listen verbieten sollte. Darüber sollen die Kantone selbst entscheiden dürfen, da sie ja (beziehungsweise im Aargau die Gemeinden) auch für nicht bezahlte Prämien geradestehen müssen. Die Liste betreffe ja «nur Leute, die zahlen könnten, es aber nicht tun». Ihn erstaunt, dass das Bundesamt für Gesundheit schon wisse, dass solche Listen nichts nützten, gebe es sie doch erst wenige Jahre. Eine Auswertung im Aargau fehle noch. Trotz schwarzer Liste sei für säumige Zahler die Notfallversorgung gewährleistet, betont Aebi. Auf diese Liste kämen keine Leute, «die vorübergehend einen Engpass haben. Da kann man mit der Gemeinde reden.»
Ganz anders sieht dies der Arzt und SP-Grossrat Jürg Knuchel: «Ich halte die Säumigen-Liste für verfehlt.» Man sollte die Ressourcen besser für ein geeignetes Case-Management einsetzen, um rechtzeitig allfälligen Sozialhilfebedarf erkennen und zahlungsfähige Personen mit Nachdruck zum Zahlen motivieren zu können. Deshalb befürworte er «ein Verbot der Säumigenliste auf Bundesebene».
Die SP hat im Grossen Rat 2018 einen Anlauf zur Abschaffung der schwarzen Liste genommen. Die Anzahl der Personen, die nicht zahlen, aber zahlen könnten, hat kontinuierlich zugenommen. Dies lasse vermuten, «dass die Liste keine abschreckende Wirkung hat», so Knuchel. Unter Verweis auf Bestrebungen, schwarze Listen auf nationaler Ebene abzuschaffen, zog die SP Ende 2018 den Vorstoss zurück.
Die Regierung kam zum Schluss, die Liste habe durchaus ihre Berechtigung, es brauche aber griffige Begleitmassnahmen. Für eine abschliessende Beurteilung sei es zu früh. Das Ergebnis einer Analyse soll bis Ende 2022 vorliegen.
Dass Bundesbern für säumige Versicherte ein günstigeres Versicherungsmodell mit eingeschränkter Wahl des Leistungserbringers (zum Beispiel HMO- oder Hausarztmodell) vorsehen will, begrüsst die Aargauer Regierung, und ebenso, dass der Bundesrat bei Bedarf Ausnahmen vorsehen kann. Dass eine Kasse künftig Leute von der schwarzen Liste in ein günstigeres Versicherungsmodell einteilen darf, unterstützt auch SVP-Grossrat Aebi. Auch Knuchel könnte sich eine solche «Umteilung zur Reduktion der Schuldscheinbeträge grundsätzlich vorstellen». Der SP-Grossrat hält die automatische Umteilung in ein günstigeres Versicherungsmodell zwar nicht für zielführend. Er sehe jedoch auch keinen grundsätzlichen Einwand dagegen.
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Oft müssen junge Erwachsene, deren Eltern die Prämien für sie nicht bezahlt haben, diese Schulden als Last ins Erwachsenenleben mitnehmen. Das löst Unverständnis aus. Nun will der Bund das ändern. Er hat dafür den Segen der Aargauer Regierung.
Sie ist einverstanden, «dass das KVG so geändert wird, dass die Eltern die alleinigen Schuldner der Prämien ihrer minderjährigen Kinder sind und bleiben. Junge Erwachsene können nicht mehr für Prämien belangt werden, die während ihrer Minderjährigkeit angefallen sind.»
Das findet auch Aebi völlig richtig: «Die Eltern sind für ihre Kinder verantwortlich, auch in Bezug auf die Krankenkassenprämie.» Dass junge Erwachsene für solche Ausstände aus ihrer Jugendzeit nicht für ihre Eltern geradestehen sollen, erscheint auch Jürg Knuchel richtig. (mku)