Psychisches Leid
Traumatisierte Flüchtlinge ohne richtige Behandlung: Häufig werden nur Symptome bekämpft

Eine Studie im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit ortet Schwachstellen bei der psychologischen Versorgung von Asylsuchenden. Die spezialisierten Stellen sind überlastet.

Noemi Lea Landolt
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Fehlende therapeutische Angebote für Flüchtlinge sind in der Schweiz ein grundsätzliches Problem. (Symbolbild)

Fehlende therapeutische Angebote für Flüchtlinge sind in der Schweiz ein grundsätzliches Problem. (Symbolbild)

KEYSTONE/ALEXANDRA WEY

Wer in der Schweiz ein Asylgesuch stellt, ist ab diesem Moment krankenversichert und hat ein Recht auf alle Leistungen gemäss Krankenversicherungsgesetz. Dazu gehört auch die Behandlung von psychischen Krankheiten. Im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) haben zwei Fachstellen die Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden in Zentren des Bundes und der Kantone analysiert. Der Bericht ans BAG vom 1. Februar 2017 zeigt insbesondere Versorgungslücken im Bereich der psychischen Erkrankungen.

Bei posttraumatischen Belastungsstörungen und Traumata, deren Behandlung sich aufschieben lässt, wird laut den befragten Personen in den Bundes- und Empfangszentren mit der Überweisung zu einem Spezialisten und der Behandlung gewartet, bis die Asylsuchenden einem Kanton zugewiesen worden sind. Das sei in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Asylsuchenden «nur kurz in den Zentren des Bundes bleiben, eine adäquate Behandlung jedoch oft länger dauert», heisst es im Bericht.

Das Problem ist aber, dass auch Mitarbeitende aus kantonalen Kollektivzentren berichten, dass im Bereich der psychischen Erkrankungen zu wenig adäquate Behandlungen stattfänden. «Häufig erfolgt eine Symptombekämpfung mit Medikamenten, aber es werden keine notwendigen längerfristigen Therapieansätze verfolgt», schreiben die Studienautoren. Gründe dafür seien einerseits das fehlende Vertrauen der betroffenen Asylsuchenden, das dazu führt, dass sie ihre Probleme versteckten. Andererseits spiele das begrenzte Angebot eine Rolle. Die spezialisierten Stellen seien überlastet.

Schon Normalität kann helfen

In der Online-Befragung bestätigen sich die genannten Behandlungslücken im Bereich der psychischen Beschwerden: Nur 47 Prozent der befragten Kantonsärzte und Asylkoordinatoren sind der Meinung, der Zugang zur psychiatrischen Versorgung sei in ihrem Kanton ausreichend. Ebenso viele beurteilen den Zugang als nicht ausreichend. Damit bestätigte die Studie, was bereits frühere Studien gezeigt hatten.

Die Autoren halten auch fest, dass fehlende therapeutische Angebote ein grundsätzliches Problem seien, nicht nur im Asylbereich. Gleichzeitig benötige auch nicht jeder Betroffene eine Behandlung. Viele Asylsuchende könnten durch eine gute Tagesstruktur oder soziale Unterstützung und Integrationsmassnahmen ihre Situation relativ gut bewältigen. Umso wichtiger sei es, Grundbedürfnisse wie Unterkunft, Ernährung und eine sinngebende Beschäftigung zu sichern.