Experten-Talk
Thomas N. kommt nie mehr frei – oder? Das sagt der forensische Psychiater

Im «TalkTäglich» diskutierten der forensische Psychiater Andreas Frey und der Schriftsteller Thomas Meyer am Beispiel des Vierfachmordes in Rupperswil über die Notwendigkeit psychiatrischer Gutachten.

Nora Güdemann
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Nächste Woche beginnt der Prozess im Fall des Vierfachmordes Rupperswil. Angeklagt ist Thomas N., der am 21. Dezember 2015 Carla Schauer, ihre beiden Söhne Davin (†13) und Dion (†19) sowie dessen Freundin Simona (†21) ermordete. Im «TalkTäglich» auf Tele M1 diskutierten der forensische Psychiater Andreas Frey und der Schriftsteller Thomas Meyer, ob es in diesem Fall überhaupt ein anderes Urteil ausser lebenslanger Verwahrung geben kann.

Damit es zu einer solchen Verwahrung kommt, müssen zwei Fachpersonen zum Schluss kommen, dass der Beschuldigte nicht therapierbar sei. «Ist das im Fall Rupperswil nicht überflüssig?», fragte Moderator Kaspar Loeb. «Es ist doch völlig klar: Thomas N. kommt nie mehr frei – oder?»

Straftatenkatalog gefordert

Schriftsteller Thomas Meyer ist vom Nutzen der psychiatrischen Gutachten nicht überzeugt: «Im Falle von Thomas N. und bei anderen schweren Delikten ist die Überlegung, ob man das Verhalten der Täter jemals ändern kann, überflüssig.» Meyer würde die Einführung eines Straftatenkataloges befürworten: «Dort muss festgelegt werden, bei welcher Tat jemand lebenslang verwahrt wird. Und das ohne psychiatrische Abklärung.»

Der forensische Psychiater Andreas Frey ist anderer Meinung: «Man kann nicht vom Delikt auf die Unbehandelbarkeit des Täters schliessen.» So seien Täter, die an paranoider Schizophrenie leiden und im Wahn Menschen umbringen, behandelbar: «Solche Personen kann man gegebenenfalls auch wieder unter Leute lassen», so Frey. Über den möglichen Inhalt der Gutachten im Fall Rupperswil wollte sich Frey nicht äussern.

Selbstmord erlauben?

Gegen Ende der Diskussion konfrontierte Moderator Kaspar Loeb Frey und Meyer mit diesem Szenario: «Wenn Thomas N. nie mehr aus dem Gefängnis kommen und 50 Jahre in Isolationshaft sitzen würde – sollte man ihm die Möglichkeit geben, sich umbringen zu dürfen?» Schriftsteller Thomas Meyer bezeichnete Loebs Frage als «zynisch».

Der forensische Psychiater Andreas Frey hat sich bereits mit diesem Thema beschäftigt: «Ich habe mir häufig die Frage gestellt, ob es legitim ist, wenn ein Inhaftierter die Dienste der Sterbehilfeorganisation Exit in Anspruch nimmt.» Beantworten konnte Frey die Frage allerdings nicht. Er ist aber überzeugt, dass das Thema weiterhin für Diskussionen sorgen wird. Der Psychiater betonte zudem, es sei unwahrscheinlich, dass Thomas N. in Isolationshaft verwahrt werde. Seine Haftbedingungen dürften aber erschwert sein, da er vor allem vor seinen Mitinsassen geschützt werden müsse.