Coronavirus
Thomas Burgherr fordert: «Ab dem 20. April schrittweise aus dem Stillstand raus»

Der Aargauer SVP-Nationalrat Thomas Burgherr will Gesunde unter 50, geheilte Coronapatienten und Leute mit Schutzausrüstung zur Arbeit schicken. Warum, erklärt er im Interview.

Mathias Küng
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Thomas Burgherr: «Wir sehen heute schon, dass Menschen dem wirtschaftlichen Druck infolge Lockdowns nicht standhalten können.»

Thomas Burgherr: «Wir sehen heute schon, dass Menschen dem wirtschaftlichen Druck infolge Lockdowns nicht standhalten können.»

Fabio Baranzini

Thomas Burgherr sitzt derzeit nicht als SVP-Nationalrat im Bundeshaus, sondern als Unternehmer im Homeoffice in Wiliberg. Um die Wirtschaft rasch wieder hochzufahren, fordert er die Produktion von Schutzausrüstung in der Schweiz.

Sie verlangen, den Lockdown der Wirtschaft ab dem 20. April schrittweise zu lockern. Warum?

Thomas Burgherr: Wir haben in der SVP-Fraktion in Bern beschlossen, eine Corona-Arbeitsgruppe zu gründen. Ich wurde gebeten, konkrete Vorschläge auszuarbeiten. Das habe ich getan. Um noch grössere wirtschaftliche und gesellschaftliche Schäden abzuwenden, schlage ich vor, möglichst rasch, spätestens ab 20. April, schrittweise aus dem wirtschaftlichen Stillstand herauszukommen.

Kann man das jetzt schon fordern, ohne zu wissen, ob die Ansteckungen wirklich deutlich sinken?

Es ist natürlich ein Abwägen. Und wir müssen dabei auf verschiedene Experten hören. Dies fällt aber schwer, da sie so unterschiedliche Auffassungen vertreten. Gerade deshalb ist jetzt die Politik gefragt für eine faktenbasierte Risikoeinschätzung.

Thomas Burgherr im Büro seines Bau- und Immobilienunternehmens in Wiliberg.

Thomas Burgherr im Büro seines Bau- und Immobilienunternehmens in Wiliberg.

ZVG/ZT

Und wie machen Sie die?

Ich mache eine Güterabwägung. Wir sehen heute schon, dass Menschen dem wirtschaftlichen Druck infolge Lockdowns nicht standhalten können und werden. Auch hier gibt es harte Schicksale, gesundheitliche und soziale Folgen sowie Todesfälle, etwa den Selbstmord des hessischen Finanzministers. Es werden leider noch weitere folgen.

Aber das werden so oder so wenige sein im Vergleich zu den stark steigenden Zahlen von Coronaopfern.

Weil ich natürlich die Menschen auch nicht einem unnötigen Risiko aussetzen will, kann das nur schrittweise und risikobasiert passieren. Mein Ziel ist, dass die Wirtschaft bis im Juni wieder zu 80 bis 90 Prozent arbeiten kann. Denn der aktuelle Stillstand generiert gewaltige Kosten, 16 Milliarden Franken pro Monat!

Sie sind selbst Unternehmer. Es trifft Sie wie andere auch?

Ich sehe das bei meinem Bau- und Immobiliengeschäft. Mir wurden reihenweise Termine abgesagt, wofür ich ja Verständnis habe. Wir können nur noch reduziert und unter bestimmten Voraussetzungen arbeiten. Nur schon dies ist für uns ein gewaltiger Schaden. Deshalb: Ein totaler Stillstand wäre für die Unternehmungen, die Arbeitskräfte und das ganze Land eine Katastrophe.

Wie nehmen Ihre Mitarbeitenden die Situation auf?

Ich kann ihnen ein Kränzchen winden. Allgemein stelle ich fest, dass in der Wirtschaft nur sehr wenige Mitarbeiter die Situation ausnützen und einfach zu Hause bleiben, insbesondere dann, wenn es Arbeit gibt und sie in einer Branche tätig sind, die arbeiten darf. Das ist in meinem Betrieb genauso – eine positive Erfahrung in dieser schwierigen Zeit. Wer diese Lage aber ausnützt, seien es Unternehmer oder Angestellte, müsste man meines Erachtens hoch büssen.

Sie dürfen ja arbeiten. Wie entwickelt sich der Umsatz?

Wir spüren die allgemeine Verunsicherung. Die ist enorm, sie lähmt alles. Zurzeit verkaufen wir keine Wohnungen, keine Häuser und auch der Auftragseingang für Bauarbeiten hat abgenommen.

Aber der Dorfladen in Reitnau, den Ihre Firma betreibt, läuft? Sie posteten auf Facebook stolz Bilder, hier sei noch alles vorrätig.

Ja, das war vielleicht ein Fehler. Dass sich jetzt bei uns im Dorfladen, wo man möglichst kurze Wege gehen soll, der Umsatz erhöht, war zu erwarten. Er stieg aber um zwei Drittel. Leider haben auch wir inzwischen zum Teil leere Gestelle und es fehlt manchmal etwa WC-Papier. Ich verstehe ja überhaupt nicht, wieso man so etwas überhaupt hamstert. Kunden kommen jetzt sogar von weit her. Aber wir können alles nachbestellen, alles wird wieder aufgefüllt.

Wie soll die Wirtschaft hochgefahren werden, ohne Menschen unnötig zu gefährden?

Es ist zentral, die Menschen zu schützen. Der Preis darf nicht sein, dass die Ansteckungen wieder steigen. Im Gegenteil, sie müssen weiter sinken.

Das verträgt sich doch nicht.

Damit es sich verträgt, sollen zuerst nur gesunde unter 50-Jährige wieder arbeiten gehen und die Kinder wieder physisch zur Schule gehen. Nachher kann dies dann sukzessive ausgeweitet werden.

Unter welchen Bedingungen denn?

Damit das funktioniert, müssen Bund und Wirtschaft umgehend die Produktion von Schutzmasken, Schutzbekleidungen und Corona-Tests lancieren. Dass so viel davon fehlt und aus China importiert werden muss, um ein paar Rappen zu sparen, zeigt uns deutlich die Grenzen der Globalisierung auf. Diese Mittel brauchen wir sehr rasch. Wir müssen sie selbst herstellen. Ohne sie finden wir nicht aus dem wirtschaftlichen Stillstand heraus.

Das läuft aber nur zähflüssig an. Statt 2000 gibt’s jetzt 8000 Coronatests pro Tag.

Die Mengen müssen sehr rasch enorm erhöht werden. Wir können auf den Mond fliegen. Da muss es doch in der aktuellen Notsituation möglich sein, in allerkürzester Frist die Produktion von Schutzmaterial und Medikamenten wieder zu beginnen beziehungsweise massiv hochzufahren!

Dann soll man mit Maske, allenfalls gar im Schutzanzug zur Arbeit gehen?

Zuerst soll man die Menschen vor der Wiederaufnahme der Arbeit testen, auch um herauszufinden, wie viele das Virus schon hatten und Antikörper gebildet haben. Die könnten als Erste ohne Gefahr wieder arbeiten. Das ist für das Gesundheitswesen besonders wichtig.

Und die anderen im Schutzanzug? Der Sommer naht. Sehen Sie so Strassenbauer?

Das Material soll natürlich verhältnismässig eingesetzt werden. Ich könnte mir etwa sehr gut vorstellen, dass Coiffeure, Therapeuten etc. zusätzlich noch mit Schutzbrille arbeiten, um sich und die anderen zu schützen, wenn es Sinn macht.

Sie schlugen vor, Staatsangestellte mit über 10'000 Franken Lohn monatlich sollten drei Prozent Lohnopfer bringen. Wie kam das an?

Ich hätte schreiben sollen, das gelte für alle, die über 10'000 Franken verdienen. Dies wäre ein Zeichen der Solidarität von denjenigen, die finanziell und existenziell von den staatlichen Massnahmen nicht betroffen sind mit denjenigen, die vor dem Nichts stehen.

Kommt denn Geld rein?

Ja, Ständerat Hansjörg Knecht etwa hat spontan 5000 Franken einbezahlt. Ich will das jetzt aber auf eine gute Grundlage stellen. Das muss eine Organisation mit der nötigen Erfahrung übernehmen. Deshalb bin ich im Gespräch mit der Glückskette. Die Idee ist, ein Lohnopfer für sechs Monate zu erbringen, um die Folgen der Krise für solche zu mildern, die durch die Maschen fallen und in ihrer Existenz bedroht sind.