Islam-Zwiespalt
SVP-Vorzeigefrau will in Nationalrat – Schwester konvertierte zum Islam

Nicole Müller-Boder will mit Islamkritik als Wahlprogramm für die Aargauer SVP in den Nationalrat. Ihre jüngere Schwester hat mit 18 Jahren einen Ägypter geheiratet, ist danach zum Islam konvertiert und heisst heute Fabienne Hassan.

Fabian Hägler
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Nicole Müller-Boder (links) setzt im Wahlkampf auf die Angst vor einer Islamisierung der Schweiz – ihre Schwester Fabienne Hassan ist Muslimin.

Nicole Müller-Boder (links) setzt im Wahlkampf auf die Angst vor einer Islamisierung der Schweiz – ihre Schwester Fabienne Hassan ist Muslimin.

Daniel Desborough

Nicole Müller-Boder ist so etwas wie die Vorzeigefrau in der Aargauer SVP: Die zweifache Mutter aus dem Freiamt verkörpert das traditionelle Familienbild, trat schon in der SRF-«Arena» auf und vertritt konsequent die Werte der Volkspartei.

«Ich liebe mein Heimatland – deswegen setze ich mich mit Leib und Seele dafür ein», ist auf der Website der 36-Jährigen zu lesen, die für den Nationalrat kandidiert. Müller-Boder lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Buttwil und präsidiert die SVP Bezirk Muri.

Müller-Boder ist für die Ausschaffung krimineller Ausländer, strikte Kontrollen im Asylwesen, die Begrenzung der Einwanderung. Aufhorchen lässt jedoch eine Aussage der jungen Frau an der Nominationsversammlung: «Wenn man einen SVP-Politiker zum Vater hat, kann man entweder zum Islam konvertieren, wie meine Schwester, oder in seine Fussstapfen treten, wie ich.»

Ferienliebe aus Ägypten

Wie kommt es, dass ihre Schwester Fabienne zum Islam konvertiert hat? «Als sie 18 war, lernte sie in den Ferien in Ägypten einen Mann kennen, verliebte sich in ihn und nahm ihn mit in die Schweiz», erinnert sich Nicole Müller-Boder. Nur drei Monate später heiratete Fabienne den Ägypter – sonst hätte dieser wieder ausreisen müssen.

«Zuerst heirateten sie auf dem Standesamt, doch das gilt im Islam offenbar nicht», sagt die SVP-Politikerin. Deshalb fand später noch eine offizielle Hochzeit in der Moschee in Bern statt. «Damit sie muslimisch heiraten durfte, musste meine Schwester zum Islam konvertieren.»

Fabienne Hassan sagt: «Ich habe ein Jahr nach der Heirat mit meinem Mann konvertiert und zwar freiwillig. Aus meiner Sicht ist es einfach glaubwürdiger, ich habe mich mit dem Koran auseinandergesetzt, als ich meinen Mann kennen gelernt habe.» So habe sie den Islam kennen gelernt und zum Glauben gefunden.

Familie sah Heirat kritisch

Ihre Familie war skeptisch. «Wir haben natürlich versucht, Fabienne von dieser Heirat abzuhalten», sagt Nicole Müller. «Ich wäre schon kritisch, wenn eine 18-Jährige Hals über Kopf einen Schweizer heiratet, war aber noch skeptischer, weil es ihre Ferienliebe aus einem anderen Kulturkreis und einer anderen Religion war. Man hört ja oft, dass solche Leute nur heiraten wollen, damit sie in der Schweiz bleiben können.»

Doch Fabienne liess sich nicht von der Hochzeit abbringen, und heute anerkennt ihre Schwester: «Mittlerweile sind sie seit über zehn Jahren verheiratet und haben drei Kinder. Es gibt viele Ehen in der Schweiz, die nicht so lange halten.»

Fabienne Hassan beschreibt ihre Situation so: «Schon damals und auch heute noch höre ich oft negative Kommentare über die gewalttätigen Islamisten. Viele Leute werfen alle Muslime in einen Topf, dabei sollten sie sich lieber selber mal schlaumachen. Dann würden sie nämlich merken, dass der Islam eine friedfertige Religion ist.»

Verhältnis am Anfang schwierig

Nicole Müller-Boder räumt ein, das Verhältnis zu ihrer Schwester sei anfangs schwierig gewesen. «Aber heute ist es sehr gut, ich bin Gotte ihres ältesten Sohnes, sie ist Gotte einer meiner Töchter. Ich respektiere ihren Entscheid, obwohl ich Vorbehalte gegenüber dem Islam habe.»

Wichtig ist für die SVP-Politikerin, «dass Fabienne und ihr Mann gegen radikale Islamisten sind – sie essen einfach kein Schweinefleisch, ihre Kinder werden im islamischen Glauben erzogen, sonst sind sie moderat». Ausserdem trage ihre Schwester weder einen Schleier noch ein Kopftuch. «Damit hätte ich Mühe», sagt die SVP-Frau und ergänzt: «Für mich ist klar, dass sich Muslime bei uns in der Schweiz anpassen müssen. Wir können in islamischen Ländern auch nicht im Bikini auf der Strasse herumlaufen.»

Fabienne Hassan sagt nicht viel zum Verhältnis zu ihrer Schwester. «Wir verstehen uns gut, reden aber kaum über Politik. Ich kenne ihre Einstellung und respektiere diese. Welche Haltung man zum Islam hat, muss jeder für sich entscheiden.»

Beide waren gegen Minarette

Heute fürchtet Nicole die Islamisierung der Schweiz, während Fabienne den islamischen Glauben angenommen hat. Dennoch sagt die SVP-Kandidatin über ihre Schwester: «Sie war früher absolut auf SVP-Linie, wir denken nicht völlig verschieden.» Vor der Minarett-Initiative hatten die beiden einige Diskussionen.

«Schliesslich hat Fabienne auch Ja gestimmt, weil sie fand, in der Schweiz brauche es keine Minarette. Natürlich sieht ihr Mann das anders, aber wir führen nicht jedes Mal eine politische Diskussion, wenn wir uns treffen», sagt Müller-Boder.

Fabienne Hassan ist es offenbar unangenehm, über ihr Ja zur Minarett-Initiative zu sprechen. «Ich interessiere mich nicht sehr für Politik, gehe selten abstimmen. Mein Mann und ich hätten sicher Freude gehabt an Minaretten in der Schweiz, aber wir akzeptieren es auch, dass dies nun nicht möglich ist», sagt sie.

Rückblickend sagt die Konvertitin: «Eigentlich hat sich für mich im täglichen Leben nicht wirklich viel verändert. Mir ist die Religion bewusster und ich fühle mich sicher, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Meinen Kindern wird dementsprechend die Religion beigebracht, die wir im Herzen fühlen und die für uns richtig ist. Sprich den Islam.»