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Susanne Nielen, Leiterin der Opferhilfe Aargau-Solothurn, berät regelmässig Betroffene bei sexueller Belästigung. Für die Opfer könne es sehr belastend sein, Täter vor Gericht wieder zu treffen, sagt sie.
Susanne Nielen: «Wenn sich bei uns Betroffene melden, geht es primär darum, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie sich vor weiteren Übergriffen schützen können. Dann diskutieren wir gemeinsam, ob eine Strafanzeige eingereicht werden soll – und was auf Betroffene zukommt, wenn sie Anzeige machen. Je nach Bedürfnissen und finanziellen Möglichkeiten kann die Opferhilfe den Betroffenen einen Rechtsanwalt zur Seite stellen, sie zum Gerichtsprozess begleiten oder auch psychologische Hilfe organisieren und finanzieren.
Sie hat sehr mutig und selbstbewusst gehandelt, indem sie sich nicht einschüchtern liess, sondern gekündigt und den Lehrlingsverantwortlichen angezeigt hat. Wir hätten eher dazu geraten, sich vorerst krankschreiben zu lassen und den Fall beim kantonalen Lehrlingsamt zu melden. So hätte die junge Frau ihren Lohnanspruch nicht verloren – aber sie hat sich offenbar selber für einen anderen Weg entschieden, das würden wir respektieren.»
Das sind leider bekannte Muster, die gerade bei Fällen von sexueller Belästigung immer wieder festzustellen sind: Der Täter versucht sein Verhalten häufig zu verharmlosen, indem er zum Beispiel behauptet, das Opfer habe ‹dies auch gewollt› oder sogar provoziert, und die Übergriffe daher nicht als Belästigung aufgefasst. Das kann für eine Betroffene sehr belastend und kränkend sein, gerade in einem Fall, wenn sie vor Gericht dem Täter wieder gegenübersitzt und sich dessen Aussagen anhören muss.»
Bei der Opferhilfe melden sich aber mehrmals pro Jahr Betroffene, bei denen genau diese Konstellation gegeben ist.