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Susanne Hochuli hat sich auf ihrem Hof ihr kleines Bioparadies geschaffen. Doch der Lockdown trifft auch die ehemalige Regierungsrätin direkt. Wie sie mit ihrem Start-up jetzt improvisiert, warum sie der Corona-Notstand an die Asyl-Krise erinnert und was sie als Präsidentin der Patientenorganisation zum Thema Sterben rät.
Als wir bei ihrem Bauernhof in Reitnau eintreffen, kommt uns auch schon Susanne Hochuli auf dem Feldweg entgegen, mit zwei Rechen geschultert. Bevor wir in der neu gebauten Grossküche das Interview beginnen, führt uns die ehemalige Regierungsrätin durch die Gärten ihres Hofes, den sie vor fast dreissig Jahren von ihren Eltern übernommen hatte und nun in ein kleines Bioparadies verwandelt.
Mit Freude und etwas Stolz zeigt sie uns ihre Kräutergärten, Gemüsebeete, den Hühnerhof, den Aushub eines Weihers, wo es dereinst wuchern und grünen soll. Wir sehen schon: Susanne Hochuli arbeitet hier an einer Art Garten Eden. Er wird nie fertig sein, das weiss auch sie und lächelt dabei.
Susanne Hochuli: Nach meinem Rücktritt als Regierungsrätin wusste ich zuerst ja überhaupt nicht, wonach ich suche. Ich wollte wieder mehr draussen arbeiten, das war klar. Auf meiner Wanderung an die Ostsee entwickelte sich dann die Idee, Küche und Garten zu einem Angebot für Anlässe zu kombinieren. Zusammen mit meiner Geschäftspartnerin Esther Flückiger (sie sitzt beim Interview ebenfalls am Tisch).
Die ersten Anlässe sind natürlich abgesagt. Mai und Juni wären wir auch ausgebucht. Mal schauen, wie es weitergeht. Einfach gegroundet sein und nichts tun wollen wir aber nicht. Wir planen einen Take-away-Anlass mit marokkanischem Nachtessen, das unsere Köchin Jamila Adib zubereitet. Die Herausforderung ist, alles nachhaltig zu machen, auch die Verpackung.
Nein, wir wollen keinen Notkredit, das stemmen wir selber. Ein Notkredit wäre unfair, denn wir gehen nicht Konkurs wegen Corona. Wir selber haben im Projekt quasi als Freiwillige gearbeitet. Aber Ziel ist schon, so viel Gewinn zu erwirtschaften, dass wir uns einen Lohn auszahlen und unsere Ausgaben amortisieren können.
Im Moment ist neben unserer Köchin Jamila nur ein junger Afghane aus dem Nachbardorf stundenweise bei uns. Sonst haben wir alles heruntergefahren. Sobald es eine Lockerung gibt, werden wir wieder mehr Leute einsetzen können.
Hier auf dem Land fällt das etwas leichter. Wir haben den Garten, man kann nach draussen, sich auch leichter aus dem Weg gehen.
Wir umarmen uns nicht, aber ganz einhalten können wir die Zwei-Meter-Regel nicht immer, man muss sich ja manchmal helfen. Aber wir sind schon vorsichtig. Meine Tochter etwa, die in Aarau wohnt und in den letzten Tagen hustete, geht nicht ins Haus, wenn sie bei uns auf dem Hof ist.
Nein, sie sind gut informiert. Die eritreische Gemeinschaft beziehungsweise ihre orthodoxe Kirche hat schneller reagiert als die Landeskirchen und sehr früh die Gottesdienste abgesagt. Vor allem die eritreische Familie bei uns ist eher überängstlich und geht nirgends mehr hin. Ich ermuntere sie, an die frische Luft zu gehen und sich zu bewegen. Es gibt ja genügend Platz.
Susanne Hochuli war von 2009 bis 2016 Regierungsrätin und leitete das Departement Gesundheit und Soziales. Heute ist die 54-Jährige unter anderem Präsidentin der Schweizerischen Patientenorganisation und Greenpeace Schweiz. Hochuli lebt in Reitnau im Suhrental, wo sie auf ihrem Hof zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin Esther Flückiger das ökosoziale Start-up «weltweit-essen» aufgezogen hat. In der grosszügig gebauten Küche und dem riesigen Bio-Garten können Anlässe gebucht werden zum gemeinsamen Kochen, Essen und Arbeiten. Hochuli setzt in ihrem Projekt auch Menschen aus dem Asylbereich ein.
Mehr Infos: weltweit-essen.ch
Nein, gerade jetzt wäre es ausserordentlich spannend. Es ist zwar eine schwierige Zeit, aber ich würde als Regierungsrätin wohl kaum so angegriffen wie damals zu meiner Zeit mit der Flüchtlingswelle.
Allen ist klar: Die Kantone müssen bei Corona umsetzen, was der Bund vorgibt. Das war bei der Asylkrise zwar auch so. Aber damals konnte man die Angst gegen jemanden richten. Die Angst vor dem Coronavirus dagegen vereint die Menschen, sie schweisst sie zusammen.
Gut, unaufgeregt. Auch die Kantonsärztin macht ihre Sache sehr gut. Am Anfang hat es etwas geholpert, weil nicht klar war, ob man jetzt mehr oder weniger als der Bund machen soll. Aber mittlerweile läuft das gut.
Einerseits bringen wir uns in der Politik ein. Gerade vor ein paar Tagen hat die SPO zusammen mit anderen Organisationen einen Brief an den Bundesrat geschrieben, in dem wir warnen, die Lockerung nicht auf Kosten der Risikogruppe zu forcieren. Zum anderen sind vor allem unsere Beraterinnen sehr gefragt bei Menschen mit Sorgen.
Das Thema Patientenverfügung beschäftigt sehr. Der Zeitdruck ist gross für Betroffene und ihre Angehörigen. Wenn sich jemand aus der Risikogruppe infiziert und ins Spital muss, kann es sehr schnell gehen. Deshalb ist es wichtig, dass jeder rechtzeitig darüber nachdenkt und weiss, was er will, wenn es um den Tod geht.
Mit meiner Mutter habe ich jetzt auch nochmals diskutiert, ob sie im Fall der Fälle intubiert werden oder lieber zu Hause bleiben möchte. Solche Fragen sind wichtig. Wer schon eine Patientenverfügung hat, aber eine Klärung betreffend Covid-19 anbringen will, kann das mit einem Anhang machen, das «kann auch ganz einfach handschriftlich sein.
Ja, darum setzen wir uns von der SPO für eine «Patientenverfügung plus» ein. Zusammen mit einer Vertrauensperson und einer Beraterin definiert man medizinische Massnahmen für verschiedene Situationen. Ziel ist, nicht erst zu entscheiden, wenn es schon fast zu spät ist. Man sollte sich laufend Gedanken über das Sterben machen, es kann immer etwas passieren.
Auch darum ist es so wichtig, dass möglichst viele Patienten eine Verfügung haben. Im besten Fall kommt dann die Triage gar nicht zum Zug, weil einige von sich aus auf die künstliche Beatmung verzichten und das vorher schon kundgetan haben.
Es wird uns zumindest vor Augen geführt, dass sich in dieser immer schneller drehenden Welt auch Viren schneller verbreiten. Man kann die Globalisierung nicht rückgängig machen, aber vielleicht gibt es eine Rückbesinnung. Wir versuchen ja genau das hier auf dem Hof: einheimische Produkte, nachhaltiger Umgang mit Natur und Menschen. Man muss nicht in den Flieger sitzen, um etwas Aussergewöhnliches zu erleben. Man kann bei uns wunderbar und authentisch marokkanisch essen (lacht).
Na ja, ob ein Umdenken stattfindet, darüber bin ich mir nicht sicher. Vielleicht glauben die Leute nach Corona auch, sie müssen jetzt alles nachholen, was sie scheinbar verpasst haben. Dann geht es im gleichen Stil weiter wie vorher.
Ich regiere wenigstens noch die Würmer auf dem Komposthaufen. (lacht) Nein, eigentlich nicht mal die. Aber Sie wollen mich sicher fragen, ob ich nicht zurück in die Politik will und jetzt wieder für den Regierungsrat kandidiere ...
Nein, nein, das ist kein Thema.
Der Aargau überschüttet sich schon nicht mit Ruhm mit einer reinen Männerregierung. Aber es gibt da ja auch eine Partei, die immer Frauen fordert und jetzt selber vielleicht mit einem Mann antritt ...
Das haben Sie in der Zeitung nachträglich so interpretiert. Ich habe nur gesagt, er erfülle dieselben Kriterien wie der Kandidat der Grünen.
Er hat sich am Anfang ein-, zweimal gemeldet für ein paar spezifische Fragen. Aber seither stehen wir nicht im Kontakt.
Geschäfte, die mir inhaltlich kaum noch begegnen, schon. Aber die ehemaligen Kollegen in der Regierung und die Mitarbeitenden im Departement sind mir noch immer sehr präsent.
Das habe ich tatsächlich schon vorgeschlagen! Jetzt grad haben sie anderes zu tun. Aber meine ehemaligen Kollegen sind jederzeit herzlich willkommen.
Gemüse setzen. Fenchel, Rotkohl, Lattich, Stangensellerie und Schnittsalat.