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Susanne Hochuli räumt nach acht Jahren im Regierungsrat ihr Büro. Die az hat sie zum Abschiedsinterview getroffen. Wir bringen das Gespräch in zwei Teilen. Im ersten spricht sie über Stolperfallen im Amt, ihre Lust am Schiessen und ihre Forderungen an die Asylbewerber.
Susanne Hochuli: Es gibt schon beide Seiten. In acht Jahren Arbeit sind Freundschaften entstanden, man denkt ja über den Jahreswechsel hinaus, da ist es schon auch nicht ganz einfach, loszulassen.
Da gab es überhaupt keinen Unterschied zu vorher, ich habe mich ganz und gar nicht als lame duck gefühlt. Ich war genauso nahe an den Themen dran wie immer und legte den Finger bis zum Schluss auf die wunden Punkte. Die Gesamtsicht zur nachhaltigen Haushaltsanierung stand in letzter Zeit im Fokus des Regierungsrats, da konnte ich mich genauso einbringen, wie wenn ich auch nächstes Jahr noch dabei sein würde.
Klar, ich stand am Wahlsonntag sicher nicht auf der Seite der Gewinner. Aber Franziska Roth wurde mit einem Resultat in die Regierung gewählt, an dem es nichts zu deuteln gibt. Das ist zu akzeptieren, und ich finde die Diskussion, ob sie das als Quereinsteigerin kann, müssig. Franziska Roth hat die Chance verdient, sich jetzt in ein neues Amt einarbeiten zu können. Ich war seinerzeit auch damit konfrontiert, dass viele mir das Amt nicht zutrauten.
Ich gebe keinen Ratschläge ab. Wie sie sich vorbereiten will, muss Franziska Roth für sich selber entscheiden. Ich habe vor meinem Amtsantritt das Gespräch mit etwa einem Dutzend amtierenden und ehemaligen Regierungsmitgliedern in der ganzen Schweiz gesucht und sie gefragt, wie das bei ihnen war als sie angefangen haben, worauf man achten muss, wo es Stolperfallen gibt. Das war extrem spannend und hat mir zu hilfreichen Tipps verholfen.
(überlegt lange) Ja gut, mit meiner Rede am eidgenössischen Schützenfest habe ich bei den Militärkadern nicht gerade gepunktet. Eigentlich habe ich gar nichts Schlechtes über die Landesverteidigung und den Schiessport gesagt, aber das Setting war wirklich schlecht. Es war das erste Mal, dass ich in einem so grossen Festzelt sprechen musste, da herrscht ein so enormer Lärm, dass man keine komplexe Ansprache halten kann, weil das Publikum nur Gesprächsfetzen aufnimmt.
Dieses Jahr kam ich nicht so zum Schiessen wie ich mir das gewünscht hätte, es lief einfach zu viel. Aber ich habe mit Kreiskommandant Rolf Stäuble abgemacht, dass wir nächstes Jahr wieder privat zusammen in den Schiessstand gehen werden. Das Pistolenschiessen ist ein sehr faszinierender Sport. Ich besitze übrigens auch eine eigene Pistole, die bewahre ich aber nicht bei mir zu Hause auf.
(lacht) Die Welt der Ärzte. Ich habe zwar einen ausgezeichneten Hausarzt, grundsätzlich mache ich aber lieber einen Bogen um Ärzte. Durch einen intensiven Austausch von Amtes wegen haben sich da ganz neue Einblicke ergeben. Das gilt übrigens auch für das Asylwesen. Wahrscheinlich meinen viele Leute, ich sei als grüne Politikerin schon immer ständig in Asylunterkünften unterwegs gewesen. Das stimmt überhaupt nicht, ich hatte früher mit dem Thema Asyl herzlich wenig zu tun.
«Tarife drücken» möchte ich so nicht stehen lassen. Zu Beginn der neuen Spitalfinanzierung lagen wir im Aarau mit den Arbeitstarifen eher hoch drin, jetzt sind wir im schweizerischen Vergleich richtig positioniert. Und dass der Eigentümer von seinen Spitälern auch etwas einverlangt, finde ich nun nicht unverschämt.
Überhaupt nicht. Wenn es Franziska Roth gelingen sollte, die Unterbringung der Asylsuchenden ohne Auseinandersetzungen mit Standortgemeinden von Asylunterkünften zu organisieren, würde mich das für den Kanton Aargau ausserordentlich freuen. Denn diese Auseinandersetzungen sind weder der Dorfgemeinschaft noch dem Ansehen des Kantons förderlich.
Wir leben heute von der Hand in den Mund. Das neue Unterbringungskonzept mit den kantonalen Grossunterkünften wird die Situation verbessern. Es dauert aber noch bis 2026, bis es vollständig umgesetzt sein wird, und es wird immer eine undankbare Aufgabe sein, einen Standort für eine Asylunterkunft zu suchen. Franziska Roth wird es vielleicht insofern etwas leichter haben, dass sie mehr Parteikollegen in den Gemeindebehörden hat und man vielleicht gegen eine Parteikollegin nicht so aus vollen Rohren schiesst wie gegen eine Grüne.
Ich weiss nicht, wie sich die Leute das genau vorstellen. Es nützt nichts, wenn ich auf den Bundesplatz stehe und ausrufe. Die Kantone machen sehr wohl gemeinsam Druck in Bern, zum Beispiel in Sachen Integrationspauschale oder in Bezug auf die Kostenwahrheit bei der Unterbringung der unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden. Man ist auch immer wieder im Rahmen der Sozialdirektoren- oder der Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz im Gespräch mit dem Bundesrat. Dort bringen die Kantone ihre Vorstellungen sehr deutlich zum Ausdruck.
Ja, bei Frau Sommaruga, den Linken, den Grünen, bei Hilfswerken, überall.
Dass man als Schweiz anders auf Eritrea zugehen muss. Das Land hat funktionierende Strukturen. Sogar die Uno attestiert der Regierung, dass sie nicht korrupt ist und Entwicklungsgelder richtig eingesetzt werden. Es wäre also gescheiter, vor Ort Hilfe zu leisten als bei uns mit einer Situation konfrontiert zu sein, die für alle sehr schwierig ist. Es war deshalb kein Fehler, dass ich diese Reise gemacht und meine eigenen Eindrücke gesammelt habe.
Die Menschen aus Eritrea wissen, dass man sie nicht zurückschicken kann, auch wenn sie kein Bleiberecht erhalten; das ist eine schwierige Ausgangslage für eine glaubwürdige Asylpolitik. Zudem hat es mir vor Augen geführt, wie schwierig die Integration ist. Das ist weder für die Ankommenden noch für unsere Gesellschaft gut.
Wir müssen mehr einfordern. Zwar gibt es bereits viele gute Integrationsangebote. Nur, jene, die es am meisten nötig hätten, gehen nicht hin. Man müsste sie verpflichten dazu.
Einzig bei sogenannten B-Flüchtlingen kann man mit wirksamen Sanktionsmassnahmen arbeiten. Bei solchen also, die in der ordentlichen Sozialhilfe sind. Bei vorläufig Aufgenommenen allen mit einem anderen Asylstatus hat man zu wenig Druckmittel. Das müsste man auf Bundesebene ändern.
Schon nicht ganz. Von mir hören Sie keine abschätzigen Bemerkungen über Flüchtlinge und ich will auch keinen Stacheldraht um die Schweiz ziehen. Trotzdem muss man genau hinschauen und Lösungen suchen. Viele Flüchtlinge kommen aus einer völlig anderen Lebenswelt und sind zudem total bildungsfern. Da muss man von Anfang dahinter und sie unter anderem verpflichten, Deutsch zu lernen. Da müsste man viel mehr investieren. Heute versandet viel Geld, das man in die Integration steckt, weil es falsch und zu spät eingesetzt wird.
Teil 2 des Abschiedsinterviews lesen Sie hier.