Die Aargauer Freisinnigen verlangen, dass grosse Windkraftanlagen mindestens 1000 Meter von Häusern, Ferienwohnungen oder Restaurants entfernt sein müssen. Würde diese Forderung umgesetzt, liesse sich der Windpark Lindenberg im Oberfreiamt nicht realisieren, warnt die AEW Energie AG.
«Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.» Diesen bekannten Spruch des französischen Aufklärers und Staatstheoretikers Charles de Montesquieu zitieren auch freisinnige Politiker im Aargau gerne, wenn im Grossen Rat über neue Vorlagen diskutiert wird. Doch nun hat ausgerechnet die FDP-Fraktion im Kantonsparlament einen Vorstoss eingereicht, der eine neue Regelung für Windkraftanlagen fordert.
Die FDP verlangt, dass grosse Windenergie-Anlagen, die vom Turmfuss bis zur Spitze des Rotorblatts über 50 Meter hoch sind, mindestens einen Kilometer von bewohnten Gebäuden entfernt sein müssen. Der Regierungsrat wird aufgefordert, «die notwendigen Gesetzes- bzw. Verordnungsanpassungen vorzunehmen», um diesen Abstand zu Bauernhäusern, Wohnhäusern, Ferienhäusern oder Restaurants zu gewährleisten.
Grossrat Adrian Meier, der Energiespezialist der Freisinnigen, vertritt den Vorstoss als Sprecher. «Die Umsetzung unserer Forderung wäre eine Einschränkung beim Bau von Windkraftanlagen, das lässt sich nicht bestreiten», sagt er. Es gehe der FDP aber nicht darum, mit dem Vorstoss ein konkretes Projekt zu verhindern, betont Meier. Vielmehr würde der Vorstoss bei künftigen Vorhaben die Planungssicherheit erhöhen, die Spielregeln für die Investoren wären klarer.
Meier sagt: «Heute wird jede Einsprache gegen ein Windrad individuell geprüft, künftig wäre zum Beispiel klar, dass ein Anwohner nicht einspracheberechtigt ist, wenn der Abstand zum Standort 1200 Meter beträgt.» Eine Delegation der FDP-Fraktion habe das Projekt Windpark Lindenberg im Freiamt vor Ort angeschaut und dann die rechtlichen Grundlagen abgeklärt. «Bisher gibt es keine Regelungen zum Abstand von Windenergieanlage zu bewohnten Gebäuden im Aargau, dies ist aus unserer Sicht aber nötig, um Klarheit zu schaffen», sagt Meier.
Die FDP Bezirk Muri ist gegen den Windpark auf dem Lindenberg, den die AEW Energie AG realisieren möchte. Meier ergänzt, die Freisinnigen hätten grundsätzliche Zweifel am Kosten-Nutzen-Verhältnis einer Windanlage im Aargau. «Unser Kanton ist kein optimaler Standort für Windenergie, der Wind ist meist zu wenig stark und bläst nicht regelmässig», sagt er. Auf dem Lindenberg im Oberfreiamt, an der Grenze zum Kanton Luzern, sind fünf Windräder mit einer Höhe von 229 Metern geplant.
Bei der AEW lässt die Forderung der FDP die Alarmglocken läuten. Mediensprecherin Silvia Geissmann sagt:
«Eine Minimaldistanz von einem Kilometer würde dazu führen, dass der Windpark Lindenberg nicht mehr umsetzbar wäre.»
Der Standort Lindenberg sei ein wichtiges Element in der Energiestrategie des Kantons, betont die Sprecherin. Aufgrund der Raumverhältnisse sei es dort möglich, Winterstrom mit modernen Windenergieanlagen zu produzieren. Geissmann warnt: «Nicht nur die Pläne am Lindenberg müssten beerdigte werden, auch die überwiegende Mehrheit der Windparks in der Schweiz wäre mit einem Mindestabstand von einem Kilometer von Windrädern zu bewohnten Häusern nicht realisierbar.»
Geissmann betont, die AEW Energie AG und ihre Partner planten Windparks in Abstimmung mit der lokalen Bevölkerung. Der Interessengruppenprozess, der einen direkten Austausch mit der Bevölkerung erlaube, sei gestartet worden. «Die Platzierung der Windenergieanlagen wurde im Rahmen dieses Prozesses vorgenommen, um so bestmöglich Rücksicht auf die lokalen Gegebenheiten zu nehmen», sagt die Sprecherin.
Die Forderung nach einem festen Abstand von 1000 Metern wurde in diesem Prozess diskutiert, konnte aber nicht umgesetzt werden. «Die minimalen Abstände betragen bei der heute gewählten Planung auf dem Lindenberg rund 900 Meter zu einem Weiler. Zu den anderen Wohngebieten ist der Abstand höher und beträgt mehr als 1400 Meter», sagt Geissmann.
Die Sprecherin hält fest, derzeit ergebe sich der minimale Abstand von Windparks zu Wohnbauten aus der Umweltgesetzgebung. Dies sei im Falle der Windenergie vor allem die Lärmschutzverordnung, die eine Distanz von rund 450 Metern vorschreibe. Bei der Planung des Windparks Lindenberg sei der Abstand mit 900 bis über 1400 Metern bewusst höher angesetzt worden, um die Anliegen der Anwohner zu berücksichtigen.
Geissmann sagt weiter, mit der Forderung nach einem Mindestabstand von einem Kilometer würde die Planungssicherheit vermindert – und nicht verbessert, wie die FDP dies will. Heute stütze sich die AEW Energie AG bei der Projektierung von Windparks auf die Richtplanung. Diese wurde im Rahmen eines kantonalen Prozesses vor rund zehn Jahren erstellt und vom Parlament genehmigt. «Würde man nun die Regeln ändern, würde dies zu Verzögerungen im Bereich von mehreren Jahren führen.»
Grossrat Adrian Meier sagt, die Umsetzung der FDP-Forderung würde den Windpark Lindenberg nicht tangieren, weil dieser im Verfahren schon weiter fortgeschritten sei. Und er betont: «Wenn ein Investor ein Projekt realisieren möchte, wollen wir dem nicht im Weg stehen, sondern klare Vorgaben schaffen.»