Energie-Experten der FDP Aargau diskutierten an der Rheinfelder Tagung heftig über künftige Stromversorgung mit oder ohne AKWs. Unternehmer kritisierten etwa, es drohe ein massiver Import von dreckigem Kohlestrom aus Deutschland.
Die Rheinfelder Tagung der FDP traf ein brandaktuelles Thema: Denn «die Chancen und Risiken der Energiewende» führten nicht nur zu einem Grossaufmarsch. Auch die Heftigkeit der Vorwürfe und viele Zwischenrufe aus dem Publikum zeigten, dass viele Nerven im Energiekanton blankliegen. Die Lösung nach dem Atomausstieg verberge sich noch im Zukunftsnebel.
Aus heutiger Sicht drohe massiver Import von dreckigem Kohlestrom aus Deutschland und die gewaltige Umstellung führe zu Subventionsdschungel und Planwirtschaft. So lauteten einige der Vorwürfe von kompetenten Unternehmern. «Lesen Sie die Nebenwirkungen auf der Packungsbeilage», meinte FDP-Präsident Matthias Jauslin lakonisch. Selber ist er «nicht so überzeugt, ob die Energiewende machbar ist».
Mit seiner Aussage, «die FDP Schweiz will einen Volksentscheid über die Energiestrategie», stach Jauslin in ein Wespennest. Damit erreiche man nur Populismus, sonst gar nichts, warnte der selbstsicher auftretende Nick Beglinger, Präsident und Mitbegründer von Swisscleantech. In der teils hitzigen Podiumsdiskussion, sachlich geleitet von SRF-Regionalredaktor Stefan Ulrich, sprach Alt-Ständerat Thomas Pfisterer von einem doppelten demokratischen Sündenfall.
Es sei falsch und schlecht, die Energiewende am Volk vorbeischmuggeln zu wollen. Ohne den Mut zur Abstimmung finde die Diskussion nicht statt. Direktor Walter Steinmann vom Bundesamt für Energie meinte zuerst, das Volk könne ja Unterschriften zu den Gesetzesänderungen sammeln. Herausgefordert von Pfisterer, sagte Steinmann überraschend: «Ich bin für eine grosse Abstimmung.»
Nur in zwei – allerdings wichtigen – Punkten herrschte Einigkeit: Der FDP-Traditionsanlass war spannend wie selten, das Öl muss durch regenerative Energien ersetzt werden. Noch 78 Prozent aller Energie stamme aus dem Ausland, primär verbraucht für Gebäude und Mobilität, rechnete Walter Steinmann vor. Weg müsse man auch von den Atomkraftwerken, die bei voller Versicherungsdeckung schon heute unrentabel wären, betonte Nick Beglinger. Die vom Bund aufgegleiste Energiestrategie «ist gut, seriös und deckt sich mit unseren Zahlen», so Beglinger.
Von gigantischen Kosten für die Photovoltaik sprach Atomfrau und Physikerin Irene Aegerter. «Heute decken die KKW 70 Prozent der Grundlast, das können Alternativen niemals bringen», rief die kämpferische Frau, die in einem Minergiehaus wohnt und Elektroauto fährt. Viel besser als Stromimport aus Braunkohle seien die sicheren KKW der vierten Generation. Massiver Import und Subventionen seien der falsche Weg.
Ideologische Scheuklappen kann sich der Mann aus der Praxis nicht leisten: «Wir rechnen mit beiden Szenarien», versichert Hubert Zimmermann, CEO der AEW Energie AG. Die Bedeutung des Stroms werde künftig deutlich zunehmen, auf 39 Prozent bis im Jahr 2050.
Dank den Atom- und sehr vielen Wasserkraftwerken produziere der Aargau heute die dreifache Strommenge des Eigenbedarfs. Zimmermann stützte die mehrfach erhobene Forderung, die Netze müssten stark ausgebaut werden, Smart-Technologien und dezentrale Einspeisung seien für eine sichere Stromzukunft wichtig.
Ausser Programm trat ein über die Entwicklung höchst besorgter Edwin Somm auf. Der ehemalige Chef von ABB Schweiz warnte davor, bereits 2035 müsse unser Land im Winter 30 Prozent Strom importieren. Für die Industrie werde die Versorgung unsicher, die Energiewende koste geschätzte 50 bis 100 Milliarden Franken.