Mobility Pricing
Strassengebühren: Wenn, dann überall, findet die Aargauer Regierung

Die Aargauer Regierung unterstützt das Mobility-Pricing-Konzept des Bundes im Grundsatz: Jeder soll für die Mobilität bezahlen, die er nutzt – im Auto, im Bus oder im Zug. Für den Aargau sieht die Regierung ein flächendeckendes System als optimal an.

Fabian Hägler
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Solche Bilder verstopfter Strassen will der Bund in Zukunft zu verhindern versuchen.

Solche Bilder verstopfter Strassen will der Bund in Zukunft zu verhindern versuchen.

KEYSTONE/ANTHONY ANEX

Wer in die Stadt fährt, muss bezahlen – dieses Prinzip gilt in Stockholm und London seit sieben Jahren. An der schwedischen «Betalstation» wird je nach Tageszeit ein unterschiedlicher Betrag fällig.

Die Erfahrungen mit dieser Strassengebühr, dem sogenannten Road Pricing, sind gut: Seit der Einführung gibt es in Stockholm bis zu 20 Prozent weniger Stau. Das zeigt: Offenbar lässt sich der Verkehr über das Portemonnaie der Autofahrer lenken.

Auch in der Schweiz läuft derzeit eine Diskussion zu diesem Thema. Noch bis Ende September können sich die Kantone zum Mobility-Pricing-Konzept des Bundes äussern. Dieses sieht, anders als in Stockholm, nicht nur die Belastung der Autofahrer vor.

Vielmehr soll jeder für die Mobilität bezahlen, die er nutzt – sei dies im eigenen Auto, im Bus oder im Zug. Im Gegenzug sollen andere Belastungen wie Autobahnvignette, Mineralölsteuer oder geplante Tariferhöhungen im öffentlichen Verkehr kompensiert werden.

Wo soll Mobility Pricing gelten?

Der Aargauer Regierungsrat ist mit diesem Grundsatz, der im Konzept als «pay as you use» bezeichnet wird, einverstanden. «Der Bund soll ein Mobility Pricing einführen, bei dem pro zurückgelegten Kilometer auf Strasse und Schiene ein bestimmter Betrag erhoben wird», hält er in seiner Stellungnahme fest.

Der Bund stellt drei Varianten zur Diskussion: Gebühren nur auf Autobahnen, Abgaben auf Autobahnen und in Agglomerationen, oder ein flächendeckendes Mobility Pricing auf dem ganzen Strassennetz.

Der Regierungsrat unterstützt die sogenannte Flächenlösung: «Im Kanton Aargau gibt es mehrere kleine Kernstädte, aber keine Metropole, die durch räumlich begrenztes Mobility Pricing profitieren würde.»

Würden nur Gebühren auf Autobahnen erhoben, drohe Ausweichverkehr auf Kantonsstrassen, die weiter kostenlos befahrbar wären. Ausserdem wäre es schwierig, die Grenzen einer gebührenpflichtigen Agglomeration festzulegen.

Dies überrascht, denn noch vor zwei Jahren sagte Kantonsingenieur Rolf Meier im SRF-Regionaljournal: «Wenn man für die Benützung einzelner Abschnitte Geld verlangt, wird die Finanzierung verursachergerecht.» Meier ergänzte, die Idee von Strassengebühren «wäre auf eine Agglomeration wie Aarau oder Baden fokussiert».

Benno Schmid, Sprecher des kantonalen Bau- und Verkehrsdepartements, sagt auf Anfrage: «Wenn unter Mobility Pricing die Verrechnung der Verkehrskosten nach dem Prinzip ‹pay as you use› verstanden wird, wäre mit Blick auf die räumliche Struktur des Aargaus mit seinen kleinen und mittleren Zentren eine schweizweite Lösung vorzuziehen.» Bevor in der Schweiz mehrere Einzellösungen für Mobility Pricing entwickelt würden, erachte es der Regierungsrat als sinnvoller, dass der Bund dieses Thema behandelt.

Road Pricing als langfristige Option

Ebenfalls im Jahr 2013, als der Regierungsrat den Verzicht auf den geplanten Baldegg-Tunnel bekannt gab, äusserte sich der Badener Stadtammann Geri Müller (Grüne) zu diesem Thema. Road Pricing sei eine sehr gute Variante für Megastädte, sagte Müller, «für Kleinstädte wie Baden ist die technische Infrastruktur allerdings sehr teuer».

Der Brugger Stadtammann Daniel Moser (FDP) hielt damals fest, ein solches Gebührensystem müsste wenn überhaupt in der ganzen Schweiz eingeführt werden. «Sonst sind wir bald wieder im Mittelalter, wo jeder für sein Strässchen einen Obolus verlangt.»

Inzwischen hat die Regierung ein Grobkonzept für die Ostaargauer Strassenentwicklung (Oase) vorgelegt. Darin ist wieder eine Variante mit Mobility-Pricing für einen Perimeter um die beiden Kernstädte Baden-Wettingen und Brugg-Windisch dargestellt.

Also könnte sich die Regierung doch vorstellen, in besonders betroffenen Gebieten solche Gebühren zu erheben? Benno Schmid widerspricht: «Im Grobkonzept zur Ostaargauer Strassenentwicklung ist Mobility Pricing als mögliche langfristige Option erwähnt, die über den Zeithorizont von Oase hinausgeht.»

Das Departement Bau, Verkehr und Umwelt habe bereits bei der Präsentation des Grobkonzepts im März 2015 darauf hingewiesen, dass es für diese Option eine bundesrechtliche Grundlage brauche.

Umfragen ohne klaren Trend

Doch hätte Mobility Pricing im Autokanton überhaupt Chancen? 2013 zeigte eine Mobilitätsstudie für den Aargau: Gebühren in den Spitzenzeiten für die Fahrt in die Stadtzentren werden deutlich abgelehnt. Nur 29 Prozent der 4457 befragten Personen sprachen sich in der Umfrage «voll oder unter Umständen» für diese Massnahme aus.

Gesamtschweizerisch sieht dies anders aus: eine Umfrage des Forschungsinstituts GfS Bern unter 1010 Stimmberechtigten im Frühling zeigte eine klar gestiegene Akzeptanz.

Die Befragung im Auftrag von Auto Schweiz, der Vereinigung der Schweizer Automobil-Importeure, ergab eine Zustimmung von 57 Prozent für Road Pricing – das sind 29 Prozent mehr als vor drei Jahren.