Strafverfolgung
Gutachter sieht Mängel in der Zusammenarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft - so reagiert der Kanton

Für die Kantonspolizei gibt es neue Vorgaben bei Festnahmen und sie erhält eine Abteilung, die sich mit Rechtmässigkeit der Polizeiarbeit befasst. Die Staatsanwaltschaft muss Aufträge für Untersuchungshandlungen klarer formulieren, zudem sollen ihre Mitglieder künftig ein Praktikum bei der Polizei absolvieren.

Fabian Hägler
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Für die Polizei - hier bei der Anti-Einbruch-Aktion am 22. November 2019 bei der Autobahnauffahrt Rothrist - gibt es neue Vorgaben zum Umgang mit Kriminaltouristen und zum Vorgehen bei Verhaftungen.

Für die Polizei - hier bei der Anti-Einbruch-Aktion am 22. November 2019 bei der Autobahnauffahrt Rothrist - gibt es neue Vorgaben zum Umgang mit Kriminaltouristen und zum Vorgehen bei Verhaftungen.

Severin Bigler

Vor rund einem Jahr hatte Simon Burger, Leiter der Regionalen Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm, in einem Bericht an den damaligen Regierungsrats Urs Hofmann, harte Kritik am Vorgehen der Kantonspolizei geübt. Burger schrieb unter anderem, bei Einsätzen gegen mutmassliche Kriminaltouristen gebe es rechtswidrige Festnahmen, die Verdächtigen würden zu lange inhaftiert und nicht über ihre Rechte informiert.

Zudem kritisierte Burger, der mit der Belegschaft der Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm im Clinch liegt, die Polizei gehe eigenmächtig vor und halte sich nicht an die Vorgaben der Strafprozessordnung. In einem Fall soll ein Aargauer Kantonspolizist zum Beispiel einen Verdächtigen gegen die Anordnung der Staatsanwaltschaft mit dem Auto über die Grenze nach Deutschland verfolgt haben.

Gutachter sieht Mängel bei Polizei und Staatsanwaltschaft

Das Innendepartement beauftragte den früheren Strafrechtsprofessor Andreas Donatsch, die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und der Staatsanwaltschaft zu analysieren. Einen ersten Teil seines Berichts lieferte Donatsch schon im Dezember ab, danach wurde ein Einsatzbefehl der Polizei zum Umgang mit Kriminaltouristen angepasst.

Heute präsentierte Regierungsrat Dieter Egli, der neue Aargauer Justiz- und Polizeidirektor, den zweiten Teil des Berichts und die Massnahmen, welche der Regierungsrat ergriffen hat. Der Bericht von Professor Donatsch sieht Handlungsbedarf auf beiden Seiten, insbesondere bei der Falldokumentation durch die Polizei und der präziseren Auftragserteilung durch die Staatsanwaltschaft.

Strafrechtsprofessor macht Vorschläge für Verbesserungen

Die Kantonspolizei und die Staatsanwaltschaft streben laut Egli das gleiche Ziel an: Die Gewährleistung von Sicherheit und die Durchsetzung des Strafrechts. Sie halten sich laut Donatsch bei der Arbeit auch «grundsätzlich an das geltende Recht», wie der Kanton mitteilt. Es gebe aber strukturelle Unterschiede (starke Hierarchie und Teamorientierung bei der Kantonspolizei, flache Hierarchien bei der Staatsanwaltschaft) und Mängel in der Zusammenarbeit der beiden Organisationen.

Andreas Donatsch, der in seiner Justizkarriere auch Richter, Staatsanwalt und Polizeioffizier war, gibt konkrete Empfehlungen für Verbesserungen, die laut Regierungsrat mit mehreren Massnahmen umgesetzt werden.

  • Monitoring für korrekten Inhaftierungsprozess: Es gibt neue Vorgaben zu Verhaftungen, bei dem vor allem die Dokumentation verbessert wurde. Die Polizeikräfte wurden entsprechend geschult. Ein Monitoring soll sicherstellen, dass die Vorgaben insbesondere bei Einbrechern und sogenannten Kriminaltouristen strikte eingehalten und im ganzen Kanton die gleiche Praxis angewandt wird.
  • Polizei erhält Compliance-Abteilung: Per 1. Juni wird der Rechtsdienst bei der Kantonspolizei um den Bereich Compliance erweitert. Diese soll die verantwortlichen Chefs unterstützen, «die Rechtmässigkeit des polizeilichen Handelns» sicherzustellen.
  • Klarere Aufträge der Staatsanwaltschaft: Die Verfahrensleitung im Strafverfahren liegt bei der Staatsanwaltschaft. Sie kann Untersuchungshandlungen an die Kantonspolizei delegieren. Die entsprechenden Aufträge der Staatsanwaltschaft an die Kantonspolizei sollen konkreter formuliert werden.
  • Praktikum und Stage bei der anderen Organisation: Künftig sollen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zu Beginn ihrer Tätigkeit bei der Polizei ein Praktikum absolvieren. Umgekehrt sollen Polizistinnen und Polizisten die Gelegenheit haben, mittels einer Stage Einblick in die Arbeit der Staatsanwaltschaft zu erhalten.
  • Austausch und gegenseitiges Verständnis fördern: Weiter wird der institutionalisierte Austausch zwischen Kantonspolizei und Staatsanwaltschaft gestärkt, eine offene Feedback- und Fehlerkultur soll etabliert werden. Dazu werden Gefässe geschaffen, in denen die Zusammenarbeit erörtert und allfällige Konflikte gelöst werden sollen.
  • Gemeinsame Abläufe und Weisungen: Die Leitungen der Kantonspolizei und der Staatsanwaltschaft müssen zentrale Abläufe gemeinsam definieren und die Umsetzung eng überwachen. Es wird sichergestellt, dass Weisungen und Dienstbefehle, die für die Zusammenarbeit wichtig sind, gegenseitig einsehbar sind. Bei der Erarbeitung neuer oder der Überarbeitung bestehender Weisungen und Dienstbefehle soll die andere Organisation angehört werden.