Raser-Gesetz
Strafrechtler Killias: «Raser werden immer noch zu wenig hart bestraft»

Die Kantone Aargau und Solothurn verzeichneten im 2014 massiv weniger Raser-Fälle. Doch Killias bemängelt nach wie vor die Gesetzgebung und fordert unbedingte Gefängnisstrafen für Tempo-Sünder. Nur so könnten Raser längerfristig abgeschreckt werden.

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Im Jahr 2013 gingen der Kantonspolizei Aargau 31 Raser ins Netz, 2014 waren es noch 17 – fast halb so viele. Auch der Kanton Solothurn verzeichnete im vergangenen Jahr einen Rückgang der Raser-Delikte: Von 17 auf 11. Seit dem 1. Januar 2013 gilt das neue Raser-Gesetz, das härtere Strafen für Raser mit sich brachte.

Im Kanton Aargau sind 4 der 17 Raser sind inzwischen rechtskräftig verurteilt worden. Sie erhielten bedingte Freiheitsstrafen zwischen 17 und 24 Monaten. Martin Killias ist das nicht genug.

Das maximale Strafmass wären 48 Monate, dass weniger festgesetzt worden ist, hat für den Aargauer Strafrechtsprofessor damit zu tun, dass die Gerichte vermeiden wollten, eine teilbedingte Stafe ausprechen zu müssen. Dies sagte Killias am Dienstagabend in der Sendung «Talktäglich» auf Tele M1.

«Parlament hat am falschen Ort angesetzt»

Zum Teil sei der Grund dafür im Gesetz angelegt, deshalb sei es falsch, die Richter ins Visier zu nehmen. «Es ist das Parlament, das hier am falschen Ort angesetzt hat», so Killias.

«Man hat das Maximum von 36 auf 48 Monate angehoben, aber sich nicht darum gekümmert, dass dieses Maximum sowieso nie ausgesprochen wird und dass zweitens alle Strafen bedingt ausgesprochen werden.»

Er sei kein Freund von langen Strafen, aber hart genug müssten sie sein. Deshalb fordert Killias unbedingte Freiheitsstrafen für Raser. Tempo-Sünder sollen ihre ganze Strafe also tatsächlich im Gefängnis absitzen müssen.

«Es gibt quasi eine Gnaden-Garantie»

Denn: Bedingte Freiheitsstrafen haben laut Killias nicht genug Abschreckungswirkung. «Das Problem an unserem System ist, dass jemand ohne langes Vorstrafenregister mit absoluter Sicherheit weiss, dass er nur eine bedingte Strafe erhalten wird. Das ist das Schlimme, dass es quasi eine Garantie für eine bedingte Strafe gibt. Und diese Garantie hätte man druchbrechen müssen.»

Zwar zeigten Präventionsmassnahmen wie das neue Raser-Gesetz jeweils kurzfristig Wirkung, «aber häufig schleift sich das ab». Nach einer gewissen Zeit würden die Leute die angedrohten Strafmasse nicht mehr ernst nehmen.

Killias spricht vom sogenannten «Badewannen-Effekt»: Erst nimmt die Zahl der Vergehen ab, nach einer gewissen Zeit nehmen sie dann aus besagtem Grund wieder zu.

In der Raser-Szene werde man die neuesten Zahlen zur Kenntnis nehmen und daraus den Schluss ziehen, dass man «ruhig einmal ein bisschen brettern» kann. «Letzlich muss man ja sowieso – zumindest beim ersten Mal – nur mit einer bedingten Strafe rechnen», so Killias.

Das beste Stück «weg-kastrieren»

Viel wirkungsvoller als Freiheitsstrafen ist es aus der Sicht des Psychologen Thomas Spielmann, einem Tempo-Sünder das Auto wegzunehmen. «Das ist ein dramatisches Ereignis für einen Raser. Das bedeutet, sein bestes Stück wird weg-kastriert.»

2014 sind in den Kantonen Aargau und Solothurn nur 2 von 13 beschlagnahmten Fahrzeuge tatsächlich eingezogen worden. Das Hauptproblem: Viele Autos gehörten nicht den Rasern selbst.

Spielmann reicht es nicht, dass die Zahl der verurteilten Raser halbiert werden konnte. «Wir wollen diese Zahl auf Null bringen, dass es keine Raser mehr gibt», sagt er.

Bei chronischen Wiederholungstätern nützt laut dem Psychologen aber auch der Auto-Entzug nichts mehr. «Und da bin ich gleicher Meinung wie Herr Killias: Für die notorischen Raser braucht es unbedingte Gefängnisstrafen.» (smo)