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Mit den Geisterjägern Anita Voser und Tom Frei aus Safenwil hat die AZ im Oensinger Schloss Neu-Bechburg probiert, mit paranormalen Wesen zu kommunizieren.
Zwischen massiven Felsen und verschneiten Wäldern thront das Schloss Neu-Bechburg in Oensingen. Die Burg besteht aus einem langen Bau mit zwei Türmen und imposanter Fassade. Die Aussicht von der Terrasse der Burg ist atemberaubend, das Interieur simpel, die Temperatur in den rund 500 Jahre alten Gewölben eisig kalt. Im Schloss fühlt man sich wie ein Burgherr im Mittelalter, stark, unbesiegbar, einflussreich. Doch ab und an läuft einem ein Schauer über den Rücken, die Nackenhaare stellen sich auf, oder einem wird mulmig zumute – als sei noch jemand im Raum, den man weder sehen, noch berühren kann.
Geister? Womöglich. Der Legende nach wurde im 14. Jahrhundert Ritter Kuoni im Wehrturm eingemauert. Kuoni war ein böser Kerl, ein Raubritter, ein «Frauenschreck». Vielleicht hatte er die Pest oder war psychisch krank und wurde deswegen mit drastischen Mitteln in Schach gehalten. Seine Ruhe hat er auf jeden Fall nicht gefunden, denn noch immer soll Kuoni im Wehrturm spuken. Bereits mehrere Male wurde probiert, mit dem toten Ritter Kontakt aufzunehmen und ihn ins Jenseits zu führen. Vergeblich. Sämtliche Kommunikationsversuche scheiterten. Entweder funktionierte das Equipment der arrangierten Geisterjäger nicht mehr oder Kameras und Aufnahmegeräte quittierten ihren Dienst.
Tom Frei und Anita Voser sind Vorstandsmitglieder des Vereins «Ghosthunters Schweiz». Die Safenwiler gehen paranormalen Aktivitäten in Häusern und Burgen nach und sind Protagonisten einer eigenen TV-Serie. Zusammen mit Frei und Voser macht sich die AZ-Journalistin auf den Weg zum Schloss Neu-Bechburg in Oensingen– fest entschlossen, den dortigen paranormalen Begebenheiten auf den Grund zu gehen. Schon vor unserer Geisterjagd freuten sich die Ghosthunters auf den Einsatz: «Da geht geistertechnisch sicher viel», war Tom Frei überzeugt.
In einer eiskalten Nacht treffen wir uns im Schloss. Draussen ist es stockdunkel, es schneit. In der Küche, dem Herzstück der Burg, wärmen wir uns mit Kaffee auf. Lagebesprechung. Die Geisterjäger, ausgerüstet mit grauen Koffern und roten «Ghosthunters»-Gilets, sind einsatzbereit. Schlosswart Patrick Jakob hält sich etwas skeptisch zurück. Er wolle nicht, dass etwas durcheinandergebracht wird. Das habe man auch nicht vor, versichert Geisterjäger Tom Frei. «Wir wollen nur Kontakt mit den Geistwesen aufnehmen.» Plural? Frei ist sich sicher, dass nicht nur Kuonis Seele noch immer unter uns weilt, sondern auch andere Geister.
Der Schlosswart führt uns in den Wehrturm, wo der mutmassliche Raubritter in einem Kämmerchen ausserhalb der Mauern seinen Tod gefunden haben soll. Auf dem Weg gibt Geisterjägerin Anita Voser Anweisungen: «Nicht erschrecken, wenn euch plötzlich an den Haaren gezogen wird oder ihr geschubst werdet. Das sind die Geistwesen. Sie wollen nichts Böses, aber das kann passieren. Ihr braucht keine Angst zu haben.»
Der Satz hallt nach, erinnert an vermeintlich harmlose Szenen in Horrorfilmen, die dann zu Massakern eskalieren. Doch auf das ausgestossene Adrenalin folgt die grosse Ernüchterung. Wir stehen vor besagter Mauer, quasi vor dem Leichnam Kuonis, doch die beiden Geisterjäger machen keine Anstalten, ihre Arbeit zu beginnen. «Ich spüre hier gar nichts», sagt Tom Frei. Kollegin Voser nickt. «Nein, hier ist niemand. Aber unten, da war was.» Konkret meint Voser Energien. Geister brauchen Energie und diese entziehen sie ihrer Umwelt. Deswegen würde es bei ihrer Anwesenheit auch kälter werden, erklärt sie. Und diese Veränderung habe sie gespürt. Kuoni wird also abgeschrieben.
Ein Stockwerk tiefer haben wir mehr Glück. Voser stösst auf paranormale Aktivitäten: «Hier. Ich habe einen Namen im Kopf», sagt sie, als wir vor der Studierstube der Burg stehen. Geisterjäger Tom Frei erklärt: «Anita spürt die Anwesenheit von Geistwesen und sieht ihre Gestalten.» Ich spüre, ausser meinen tauben Fingern, nichts.
Voser fängt an, von einem jungen Mann im Nachthemd zu erzählen. Er sei klein, habe zarte Haut und stehe direkt neben ihr. Die zwei Geisterjäger machen sich einsatzbereit. Aus den Koffern holen sie allerlei Apparaturen: Ein rundliches Gerät mit Antenne stellen sie in der Mitte der Stube auf. Es misst Magnetfelder und sollte ein Geist in der Nähe sein, schlägt es Alarm. Kaum eingeschaltet, fängt es an zu piepsen. «So schnell gings noch nie», meint Geisterjäger Frei. Ein gutes Zeichen. Anita Voser fängt an, den Raum zu fotografieren: «Damit wir später Veränderungen besser feststellen können.»
Denn manchmal würden die Geister Gegenstände verschieben und auch an merkwürdigen Schatten könne man die Wesen identifizieren. Damit sie die Resultate selbst nicht verfälschen, sind die Geisterjäger mit Körperkameras ausgerüstet. «Später werden wir das gesamte Material sichten und auswerten», erklärt Tom Frei. Als sich die Ghosthunters eingerichtet haben, nehmen wir auf dem Boden des Raums Platz. Das Licht wird ausgemacht, Schlosswart Jakob steht im Türrahmen und schaut zu. Er hat schon einige Geisterjäger im Schloss empfangen und auch selbst paranormale Erfahrungen gemacht (siehe Artikel unten). In der Dunkelheit fängt die Fantasie an, Streiche zu spielen: Man sieht verdächtige Schatten, die Gesichter porträtierter Personen an den Wänden verwandeln sich in Fratzen – und dann gilt es ernst.
Tom Frei schaltet zwei Aufnahmegeräte ein und stellt sich den Geistern vor: «Hallo. Wir wollen Kontakt mit dir aufnehmen. Wie heisst du? Wie lange bist du schon hier? Melde dich doch bitte.» Im Raum ist es mucksmäuschenstill. Ein paar Minuten führt der Geisterjäger einen Monolog, danach hört er das Band ab. Ein seltsames Stöhnen ist darauf zu hören. Ein Geist? Wir wissen es nicht – noch nicht. Anita Voser soll Aufschluss bringen. Kollege Frei verbindet der Geisterjägerin die Augen und setzt ihr Kopfhörer auf, die mit einer Art Radio verbunden sind. «Sie hört jetzt nur weisses Rauschen. Das Geistwesen kann aber über das Gerät kommunizieren und Anita gibt die Wörter weiter», erklärt er.
Wir warten. Die Spannung droht abzufallen, bis Voser plötzlich anfängt zu sprechen: «Sieben, Gottlieb, Gödu, Mann, Grabstelle.» Die ersten Worte aus dem Jenseits. Tom Frei unterhält sich via Voser mit einem Geist, der Gottlieb genannt wurde. Es ist der Mann im Nachthemd, den die Voser vorher gesehen hat. «Gödu» erzählt, dass er 22 Jahre alt gewesen sei, als er starb. Sein Tod war nicht freiwillig. Er wurde von den «Bergen gestossen». Früher habe Gottlieb in Aarau gearbeitet und mit Ordnern zu tun gehabt. Frei fragt weiter, wo er begraben und wie lange er schon tot sei, doch «Gödu» hat keine Lust mehr, über sich zu reden. Viel lieber zieht er über einen anderen Geist her – Louise, eine Haushälterin: «Sie esch breit und blöd!».
Gottlieb teilt uns noch ein paar Worte mit, die keinen Sinn ergeben. Dann herrscht Funkstille. Voser nimmt Augenbinde und Kopfhörer ab. «Er hatte eine feine Stimme», sagt sie. Tom Frei macht das Licht wieder an. Die beiden scheinen nicht beeindruckt zu sein, gerade mit einem Toten gesprochen zu haben. Ihr Vorgehen wirkt so technisch und professionell – als wäre ein Plausch mit einem Geist das normalste der Welt.
Wir probieren, im restlichen Schloss weitere Wesen aufzuspüren, doch mit uns will niemand kommunizieren: «Es ist ruhig», stellt Geisterjäger Frei fest. «Zu ruhig.» Wieder so ein Horrorfilm-Satz. «Wie wir Menschen haben auch Geister einen eigenen Willen. Wenn sie nicht wollen, zeigen sie sich nicht.» Nach der Tour sitzen wir wieder in der Küche der Burg. Und vielleicht hat Gottlieb neben uns Platz genommen und Haushälterin Louise steht am Herd.
Ja, davon bin ich überzeugt. Bei meiner Arbeit habe ich von Spukphänomenen gehört, die man physikalisch nicht erklären kann. Jedoch spielt die Fantasie bei der Wahrnehmung solcher Begebenheiten auch eine grosse Rolle.
Grundsätzlich halte ich es für möglich, dass man mit Geistern Kontakt aufnehmen kann. Einige Menschen verfügen auch über entsprechende Fähigkeiten. Doch man muss aufpassen, denn in diesem Gebiet gibt es viele Scharlatane. Das Problem ist, dass man nicht nachprüfen kann, ob die Informationen authentisch wiedergegeben werden.
Es bringt viel, sich mit der Geschichte des Hauses auseinanderzusetzen. Das kann sehr aufschlussreich sein und erklärt viele Phänomene.