Der frühere FDP-Grossrat und Rechtsanwalt Herbert H. Scholl berät Personen, die vom Personalabbau im Contact Tracing Center des Kantons betroffen sind. Aus seiner Sicht sind die Kündigungen rechtlich nicht haltbar, zudem wende der Kanton die amerikanische Methode des «Hire and Fire» an.
Nach der Ankündigung des Kantons, den Personalbestand beim Contact Tracing Center (Conti) aufgrund der niedrigen Coronazahlen zu reduzieren, übte die Konferenz der Aargauischen Staatspersonalverbände (KASPV) heftige Kritik. Dass die Gewerkschaft der Kantonsangestellten, die vom ehemaligen SP-Grossrat Marco Hardmeier präsidiert und von SP-Grossrätin Silvia Dell'Aquila als Geschäftsführerin geleitet wird, gegen Entlassungen protestiert, ist ihre Aufgabe und war daher zu erwarten. Doch nun übt auch ein prominenter Freisinniger scharfe Kritik an der Personalpolitik des Kantons: Ex-Grossrat und Rechtsanwalt Herbert H. Scholl.
Scholl sass fast 40 Jahre lang im Grossen Rat und gilt als liberaler Geist. Das Vorgehen des Gesundheitsdepartements bei den Kündigungen und Änderungskündigungen für Mitarbeitende des Contact Tracing Center einem Mail an die AZ als «rechtlich fragwürdig». Der Freisinnige sagt auf Nachfrage: «Natürlich muss es auch für den Kanton als öffentlicher Arbeitgeber möglich sein, Personal abzubauen, wenn dieses in einem gewissen Bereich nicht mehr benötigt wird.»
Doch mit seinem Vorgehen verletze der Kanton die Fürsorgepflicht als Arbeitgeber in hohem Masse. «Die unzumutbar kurzen Fristen für die Anhörung und die Stellungnahme der Betroffenen lassen das ganze Verfahren als blosse Alibiübung erscheinen», kritisiert Scholl. Dies werfe ein schlechtes Licht auf den Kanton Aargau als Arbeitgeber und sei auch rechtlich nicht haltbar, sagt der Anwalt, der Betroffene berät. «So etwas habe ich in der Schweiz noch nie erlebt», sagt Scholl und kritisiert, der Kanton wende die amerikanische Methode des «Hire & Fire» an - kurzfristig anstellen und wieder entlassen.
Die Konferenz der Aargauischen Staatspersonalverbände hatte vor einer Klageflut von gekündigten Conti-Mitarbeitern gewarnt. Scholl geht auch davon aus, dass es wohl viele Verfahren vor der Schlichtungskommission und allenfalls vor dem Verwaltungsgericht geben wird. Aus seiner Sicht hat der Kanton mit seinem Vorgehen das verfassungsmässige Gebot von Treu und Glauben verletzt. «Die Betroffenen mit einem Jahresvertrag mussten nicht mit einer so kurzfristigen Kündigung rechnen», hält Scholl fest.
Die geltend gemachten organisatorischen Gründe seien beim Conti nicht innert Wochenfrist eingetreten, «sondern auf Planungsfehler des Kantons zurückzuführen, wofür er gerade zu stehen hat», betont Scholl. Angesichts der guten finanziellen Situation des Kantons könnten wirtschaftliche Gründe, die Entlassungen innerhalb einer Woche erforderlich machen, schon gar nicht angerufen werden. Das ganze Vorgehen sei überhastet und eines öffentlichen Arbeitgebers unwürdig, findet der Rechtsanwalt.
Weiter kritisiert Scholl die mangelhafte Begründung der Kündigungen durch den Kanton. «Wie sollen sich die Betroffenen zu einer sehr allgemein gehaltenen Begründung äussern können, die «nach Eingang der Stellungnahme (der Betroffenen) zu ergänzen ist», wie es im Schreiben des Generalsekretariats des Departements heisst», fragt er. Scholl vermutet, dass die Kündigungen offenbar gleichzeitig mit der Ergänzung der Begründung noch diese Woche ausgesprochen werden sollen.
Zudem enthalte der neue Vertrag, der einem Teil der Betroffenen angeboten werde, keine Garantie für eine auch nur teilweise Weiterbeschäftigung, kritisiert der Freisinnige. «Für manche Betroffene bedeutet dies, dass sie in der Luft hängen und nicht wissen, ob sie eine andere Stelle antreten sollen», sagt Scholl. Er weiss, dass mehrere Betroffene beim Kanton fristgerecht eine Stellungnahme eingereicht und sich gegen die Kündigung gewehrt haben.
Wer diese Eingaben nun behandle, sei aber unklar, zumal der Personalchef des Gesundheitsdepartements in den Ferien sei. Scholl hält fest, gemäss Personalgesetz bestehe kein Anspruch auf Wiedereinstellung der entlassenen Angestellten. «Erweist sich aber eine Kündigung als widerrechtlich, haben die Betroffenen Anspruch auf eine Entschädigung», gibt er zu bedenken. Ein sorgfältigeres und umsichtigeres Verfahren hätte dem Kanton aus seiner Sicht gut angestanden.