Aargau
Staatsanwaltschaft und Polizei mühen sich ab mit Kriminaltouristen

19 mutmassliche Einbrecher hat die Polizei im November im Aargau verhaftet. Was allerdings nach der Verhaftung mit den Tätern passiert, ist ernüchternd.

Aline Wüst
Drucken
Die Polizei hat im Aargau im November 19 mutmassliche Einbrecher verhaftet (Symbolbild).

Die Polizei hat im Aargau im November 19 mutmassliche Einbrecher verhaftet (Symbolbild).

Keystone

Im November wurde im Aargau rund 150 Mal eingebrochen. Das heisst 150 Mal ein Chaos, ein Verlust von persönlichen Dingen und ein Verlust des Sicherheitsgefühls. 19 Personen konnte die Polizei im November im Aargau im Zusammenhang mit Einbrüchen verhaften. 18 haben keinen festen Wohnsitz in der Schweiz.

27. November: Um 1.45 Uhr stoppt die Polizei einen Seat Ibiza mit italienischem Kontrollschild. Darin drei Kosovaren, ein Mazedonier und ein Italiener. Keiner hat Wohnsitz in der Schweiz. Im Kofferraum: Winkelschleifgeräte und anderes Werkzeug, das für Einbrüche verwendet wird.
Und dann? Mangels Beweisen waren nach spätestens 24 Stunden alle wieder auf freiem Fuss.

26. November: Um 14.30 Uhr stoppt die Polizei in Wettingen einen Opel Vectra mit französischem Kontrollschild. Die zwei Rumänen versuchten der Polizei zu entkommen, blieben aber in einer Sackgasse eines Quartiers stecken. Sie sagten, sie seien auf dem Weg von Paris an den Zürcher Flughafen und hätten sich verfahren.
Und dann? Mangels Beweisen waren nach spätestens 24 Stunden beide wieder auf freiem Fuss.

25. November: Kurz vor Mitternacht kann die Polizei einen 30-jährigen Schweizer festnehmen, der in eine Baustelle eingebrochen ist.
Und dann? Die Straftat des Schweizers, der in der Region wohnt, konnte innerhalb von 24 Stunden geklärt werden. Das Verfahren wurde eröffnet.

23. November: Auf der Autobahnraststätte Kölliken kontrolliert die Polizei einen Kosovaren ohne Wohnsitz in der Schweiz. Im Kofferraum hat es typisches Einbruchswerkzeug.
Und dann? Mangels Beweisen war er nach spätestens 24 Stunden wieder auf freiem Fuss.

21. November: Ein Skoda mit deutschem Kontrollschild wird von der Polizei gestoppt. Im Auto sind zwei Kroaten ohne Wohnsitz in der Schweiz. Im Kofferraum hat es Werkzeug, wie es für Einbrüche verwendet wird.
Und dann? Mangels Beweisen waren nach spätestens 24 Stunden beide wieder auf freiem Fuss.

18. November: Eine Patrouille stoppt einen Renault Mégane mit französischem Kontrollschild. Im Auto drei Rumänen ohne Wohnsitz in der Schweiz. Im Auto hat es Handschuhe und Mützen, ein Indiz, dass es sich um Einbrecher handeln könnte.
Und dann? Mangels Beweisen waren nach spätestens 24 Stunden alle wieder auf freiem Fuss.

17. November: Am frühen Morgen kann die Kantonspolizei einen Italiener und einen Albaner festnehmen. Sie werden verdächtigt, in Lenzburg und Spreitenbach in Schulhäusern Notebooks und Bargeld im Wert von 30'000 Franken entwendet zu haben.
Und dann? Die Staatsanwaltschaft ermittelt, die beiden Männer sind in Untersuchungshaft.

17. November: Nach einem Einbruch in Lenzburg leitet die Polizei eine Grossfahndung ein. Die Einbrecher versuchen, in einem Taxi zu entkommen. Als eine Patrouille das Taxi stoppt, fliehen zwei Männer zu Fuss. Einem gelingt die Flucht, ein Bosnier ohne Wohnsitz in der Schweiz kann festgenommen werden.
Und dann? Die Staatsanwaltschaft ermittelt, der Bosnier ist in U-Haft.

14. November: In Glashütten stoppt eine Patrouille einen Saab mit britischem Kontrollschild. Darin zwei Litauer ohne Wohnsitz in der Schweiz, im Kofferraum mehrere Paar Schuhe und Einbruchswerkzeug. Und dann? Mangels Beweisen waren nach spätestens 24 Stunden beide wieder auf freiem Fuss.

So schnell wieder frei sind die Kriminaltouristen, weil die Polizei nach der Verhaftung bloss 24 Stunden Zeit hat, um ihnen nachzuweisen, dass sie Einbrecher sind. Laut Bernhard Graser, Mediensprecher der Kantonspolizei Aargau, bedeutet das einen enormen Zeitdruck. Vor allem, weil fast immer ein Dolmetscher aufgeboten werden muss. Innert 24 Stunden versucht die Polizei mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, einen Zusammenhang zwischen einer Straftat und dem mutmasslichen Einbrecher herzustellen. Dafür werden auch Fingerabdrücke und ein Wangenschleimhautabstrich für eine DNA-Probe genommen. Hat die Polizei genug in der Hand gegen einen Einbrecher, bleiben der Staatsanwaltschaft nochmals 24 Stunden, um beim Zwangsmassnahmengericht Untersuchungshaft zu beantragen.

Denn der Verdacht für eine Straftat, also typisches Einbruchswerkzeug und Handschuhe im Auto, reicht nicht, um jemanden in Untersuchungshaft zu nehmen. Kann einem Verdächtigen innert 24 Stunden keine Tat nachgewiesen werden, darf er wieder gehen. Die Kriminaltouristen wissen das und streiten alles ab. «Es kam auch schon vor, dass sie uns bei der Einvernahme anlächelten und sagten: ‹Ihr müsst uns sowieso bald laufen lassen›», sagt Graser.

Um den mutmasslichen Kriminaltouristen eine Straftat nachzuweisen, zieht die Kantonspolizei wenn möglich auch Spezialisten der Grenzwache zu. Die finden manchmal in den Hohlräumen des Fahrzeugs das Diebesgut. Dann wird es für die Staatsanwaltschaft einfacher, Untersuchungshaft zu beantragen. Oft werde das Deliktsgut aber in einem Hotel oder draussen in einem Versteck gebunkert. «Manchmal sind die Täter auch erst auf dem Weg zu einem Einbruch», sagt Graser.

Bleiben Fingerabdrücke und DNA-Daten. Doch bis die DNA-Auswertung vorliegt, dauert es drei bis vier Tage. Dann ist der Einbrecher bereits drei Tage in Freiheit und längst über alle Berge. Hilfreich sind Express-DNA-Auswertungen, die innert 24 Stunden vorliegen. «Wegen unserer beschränkten finanziellen Mittel müssen wir mit dieser teureren Sonderleistung aber sehr sparsam umgehen», sagt Graser. Oft bleibe Polizei und Staatsanwaltschaft darum nichts anderes übrig, als die mutmasslichen Kriminaltouristen laufen zu lassen. Fingerabdrücke und DNA-Daten müssen dann umgehend wieder gelöscht werden.

«Uns spornt es trotzdem an, wenn wir Kriminaltouristen verhaften können», sagt Graser. Wir zerren sie so aus der Anonymität. «Und wer weiss, hätten wir sie nicht erwischt, wäre im Aargau vielleicht wieder eine Person mehr Opfer eines Einbruchs geworden», sagt Bernhard Graser.