Landwirtschaft digital
Sprüh-Drohne und Acker-App: Wo der Aargau Schweizer Spitzenreiter ist

Der Roboter jätet, die Drohne killt Schädlinge: Die Landwirtschaftbranche ist im Umbruch. Einige neue Technologien wurden am Freitag in Birrhard vorgestellt. Mit der Acker-App «agriGIS» nimmt der Aargau schweizweit gar eine Vorreiterrolle ein.

Rebekka Balzarini
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In der App «agriGIS» sind die landwirtschaftlichen Nutzungsflächen erfasst.
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Ein Beispiel für das «Precision Farming»: Die Drohne der Firma AgroFly versprüht Pflanzenschutzmittel präzise.
Digitalisierung Landwirtschaft Birrhard
Die Brüder Adrian und Thomas Haller (v.l.) führen verschiedene Aufgaben mit ihrem modernen Fuhrpark aus.
Zentimetergenau kann gesäht werden.
Weitere Bilder von der Medieninformation "Digitalisierung in der Aargauer Land- und Ernährungswirtschaft".
Christian Wohler erklärt das Vorgehen.

In der App «agriGIS» sind die landwirtschaftlichen Nutzungsflächen erfasst.

Claudio Thoma

Wie stellen Sie sich einen Tag auf dem Bauernhof vor? Sehen sie sich selber mit einer Mistgabel im Stall oder einer Heugabel auf der Wiese? Oder wie Sie mit einem Traktor über ein Feld fahren, um es zu pflügen?

Vergessen Sie es. Ihre Vorstellungen gehen meilenweit an der Realität vorbei. Jedenfalls dann, wenn wir den Blick fünf – maximal zehn – Jahre in die Zukunft richten. Denn der Landwirtschaft steht ein Umbruch bevor, der ungefähr gleich einschneidend ist wie einst der Umstieg vom Pferd auf den Traktor.

Riesige Traktoren

Freitagmorgen, 10 Uhr, auf dem Betrieb der Familie Haller in Birrhard. Auf dem Areal stehen riesige Traktoren und Landmaschinen, ab und zu huschen zwei getigerte Katzen zwischen den grossen schwarzen Reifen durch. Die Haller GmbH ist mit ihren hochmodernen Geräten eine Pionierin im Kanton Aargau. Im Lohnunternehmen arbeitet die ganze Familie mit, sie bewirtschaftet auch eigene Felder. Die Haupteinnahmequelle ist aber eine andere: Hallers erledigen Lohnarbeiten für andere Betriebe.

Unter anderem deshalb informiert der Kanton hier über die Digitalisierung in der Land- und Ernährungswirtschaft. Eine Sparte, in welcher der Aargau mit der App «agriGIS» schweizweit zu den Spitzenreitern gehört.

Dies nicht nur, weil die Aargauer Landwirte in diesem Jahr zum ersten Mal ihre landwirtschaftlichen Nutzungsflächen mit agriGIS erfassten. Sondern auch deshalb, weil der Kanton den hiesigen Landwirtschaftsbetrieben aktiv dabei helfen will, den Sprung ins digitale Zeitalter erfolgreich zu meistern.

Jäten per Knopfdruck

Drohnen, selbstfahrende Traktoren, intelligente Ohrmarken für Kühe. So sieht die Zukunft in der Landwirtschaft aus. An der Medieninformation werden einige der neusten Hilfsmittel vorgestellt, auf die Landwirte in Zukunft auch im Aargau zurückgreifen können.

Zum Beispiel eine Drohne, mit der die Maisernte per Knopfdruck vor dem schädlichen Maiszünsler gerettet werden kann. Die Drohne führt in einem Behälter kleine, biologisch abbaubare Kugeln mit sich, die Schlupfwespeneier enthalten. Im Abstand von 7 Metern lässt die Drohne die Kugeln fallen. Wenn die Schlupfwespen schlüpfen, fressen sie die gefürchteten Maiszünsler auf.

Die Drohne erspart Landwirten eine Menge Arbeit. Bis jetzt werden die Kugeln von Hand im Feld verteilt, was mehrere Stunden in Anspruch nehmen kann. Eine andere Drohne versprüht zielgenau Pflanzenschutzmittel, ein kameragesteuerter Hackroboter entfernt Unkraut zwischen gepflanzten Salatköpfen. Die Technologien werden unter dem Begriff «Precision Farming» zusammengefasst.

Chance und Risiko

Matthias Müller, der Leiter von Landwirtschaft Aargau, ist ein Fan dieser neuen Technologien. Er ist aber überzeugt: Sie bringen viele Herausforderungen mit sich. Es sei deshalb wichtig, niemanden abzuhängen. «Nicht alle reagieren begeistert auf die modernen Geräte. Wir müssen aufpassen, dass niemand überfordert wird.» Aufgabe des Kantons sei es, Landwirte zu ermutigen und ihnen die Angst zu nehmen. «Wir bieten Kurse an, oder helfen bei der Organisation von Arbeitskreisen». Das sei zwar nicht unbedingt Aufgabe des Kantons, «aber wir müssen Ideen vorgeben und helfen, sonst funktioniert es nicht.» Zudem könne sich nicht jeder Hof eigene Maschinen leisten. «Ich gehe davon aus, dass vermehrt Lohnbetriebe gewisse Arbeiten übernehmen.»

Müller stellt sich die Zukunft in der Landwirtschaft so vor: Die Betriebe konzentrieren sich auf ihr Kerngeschäft, einzelne Aufgaben lagern sie an Lohnbetriebe aus. Müller ist überzeugt, dass die Aargauer Betriebe den Sprung ins digitale Zeitalter schaffen. Ein Beweis dafür sei die digitale Landerfassung mit agriGIS: «Ich hätte nicht gedacht, dass das jeder hinkriegt. Aber alle haben es geschafft.»

Landwirt Thomas Haller hat mit seinem Bruder Adrian die Digitalisierung auf dem Betrieb in Birrhard vorangetrieben. Dabei hätten sie auf die Unterstützung der Eltern zählen können, erinnert er sich. Das sei allerdings nicht immer so. «Ich stelle ab und zu fest, dass es einen Graben gibt zwischen den Generationen», sagt Thomas Haller. Sein Rat: Vor allem kleine Betriebe sollen auf den digitalen Zug aufspringen. «Klar geht es auch ohne. Aber die Digitalisierung macht vieles einfacher. Und am Ende müssen die Jungen den Betrieb führen.»