Corona-Krise
Soll Politik stillstehen? Aargauer Nationalrätin findet: «Parlament muss Auftrag erfüllen, dafür ist es gewählt»

Grossmehrheitlich herrscht Zustimmung. Aargauer Nationalräte sind mit der ausserordentlichen Corona-Session ab 4. Mai einverstanden, aber nicht alle.

Mathias Küng
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Sie findet, dass das Parlament gerade in Krisenzeiten wie jetzt tagen soll: Nationalrätin Marianne Binder (CVP).

Sie findet, dass das Parlament gerade in Krisenzeiten wie jetzt tagen soll: Nationalrätin Marianne Binder (CVP).

Claudio Thoma

Erste Reaktionen im Aargau zur Corona-Session sind mehrheitlich positiv. Für die SP-Aargau-Präsidentin und Nationalrätin Gabriela Suter ist klar, dass das Parlament bald wieder zusammentreten muss, so wie es jetzt auch geschieht. Es müsse handlungsfähig bleiben, «in einer derartigen Krise wie jetzt ist das sogar noch wichtiger». Es gehe darum, die Notverordnungen des Bundesrates durch das Parlament zu überprüfen und zu legitimieren: «Je länger der Ausnahmezustand herrscht, desto dringender muss das Parlament wieder tagen.» Es soll natürlich primär um die Bewältigung der Coronakrise gehen. Sie hofft, dass auch andere Geschäfte Platz haben: «Wir müssen rasch die Schlussabstimmung zu den Überbrückungsrenten durchführen. Das CO2-Gesetz hat ebenfalls hohe Dringlichkeit.» Zum Schutz von Risikopersonen müsse man in der Session aber eine sichere Lösung finden.

Glarner: Es braucht im Moment keine Session

Für den Nationalrat und SVP-­Aargau-Präsident Andreas Glarner dagegen ist klar: «Es braucht im Moment keine Session. Der Bundesrat handelt nach Notrecht, aber derzeit mit viel Augenmass. Solange das so bleibt und die Finanzdelegation sein Handeln unterstützen kann, muss das Parlament nicht eingreifen. Wir können ohnehin nur die Beschlüsse abnicken.»

Er hat keine Sorge, dass man das Notrecht wie nach dem 2. Weltkrieg nur schwer wieder wegbrächte: «Die rechtliche Situation ist heute eine ganz andere.» Klar sei alles vorzubereiten, dass eine nächste Session stattfinden kann, aber: «Es gibt keine Geschäfte, die nicht ein paar Monate warten können. Es geht vielen linken Parlamentariern doch mehr darum, sich in der Krise – die ich keinesfalls verharmlosen will – am Rednerpult zu produzieren und endlich wieder Sitzungsgeld zu kassieren.»

Kälin: Parlament nimmt das Heft wieder in die Hand

Diesen Vorwurf weist die grüne Nationalrätin und zweite Vizepräsidentin des Rats, Irène Kälin, vehement zurück: «Das ist doch kein linkes Anliegen, sondern unsere Pflicht. Der Bundesrat möchte eine ausserordentliche Session und wir auch. Der Ruf ist sehr breit abgestützt, wie 32 Ständeräte zeigen, die ebenfalls verlangten, dass das Parlament das Heft wieder in die Hand nimmt, wie es das jetzt auch tut.»

Es gehe nicht um Sitzungsgelder, «sondern darum, dass das Parlament seine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung wahrnimmt». Vielleicht müsse es da und dort auch nachbessern, wenn beim Bund einzelne Berufsgruppen vergessen gegangen seien.

Jauslin: Parlament muss Verantwortung übernehmen

Auch für FDP-Nationalrat Matthias Jauslin gab es keinen Grund, weiter zuzuwarten: «Es gilt, die bundesrätlichen Entscheide aus der Coronakrise in ordentliche Gesetze zu giessen, über die finanziellen Folgen Entscheide zu treffen, und dem Bundesrat, der in dieser Notlage einen tollen Job macht, den ­Rücken zu stärken.» Aktuell liege die Last zu 100 Prozent auf Bundesrat und Verwaltung. Jetzt sei es am Parlament, ebenfalls Verantwortung zu übernehmen. Der Vorwurf von Andreas Glarner, das wollten nur Parlamentarier nutzen, um sich am Rednerpult zu produzieren, sei «Quatsch». Jauslin: «Wir leben in einer Demokratie und es gilt noch immer die Gewalten­teilung. Aus gutem Grund ist das Parlament oberstes Aufsichtsorgan über den Bundesrat.»

Binder: Auch Parlament muss funktionieren

Es gehe nicht darum, dass das Parlament die Aufgaben des Bundesrates übernimmt, diese seien in der momentanen Notlage nicht teilbar, sagt Nationalrätin und CVP-Aargau-Präsidentin Marianne Binder. «Es geht darum, dass das Parlament seinen eigenen Auftrag erfüllt und seine Geschäfte behandelt. Dafür ist es gewählt. Ich begrüsse diese Session.» Dass sich die erste Macht im Staat selbst ausser Kraft gesetzt hat und seither weder handlungs- noch beschlussfähig war, ist für Binder aus demokratie- und staatspolitischer Sicht sehr heikel: «Von Schulen, Universitäten und Wirtschaft erwarten wir, dass sie digital funktionieren, so auch vom Parlamentsbetrieb. Rechtlich ist das möglich.» Dass man nun in eine Messehalle geht, sei aber in Ordnung.