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Kanton Aargau
Bei der Ausnützung der Bauzonen gibt es grosse regionale Unterschiede: In Wettingen sind 98 Prozent der eingezonten Fläche überbaut, in Hallwil nur 72 Prozent.
Der Mutschellen wurde zubetoniert – in der sagenhaft kurzen Zeit von nicht mal 60 Jahren. Das schreibt Peter Brotschi, Pilot, Aviatik-Journalist und Solothurner Kantonsrat in einer Serie zum Thema Zersiedelung auf der Plattform «Infosperber». Brotschi, der sich seit Jahren gegen die Zersiedelung der Schweiz wehrt, beschreibt: «Während die Aufnahme aus dem Jahr 1954 noch eine offene, bäuerlich geprägte Landschaft zeigt, haben wir es auf dem Foto von 2012 mit einem städtischen Eindruck zu tun.»
Tatsächlich zeigt das neue Bild, das Brotschi selber bei einem Flug über den Mutschellen aufgenommen hat, grosse Wohnblocks und zahlreiche Einfamilienhäuser. Doch nicht nur Wohnbauten verschlingen Landreserven: Auf dem neuen Bild ist oben links die Sportanlage Burkertsmatt zu sehen, die eine beträchtliche Fläche einnimmt.
Die Gemeinden am Mutschellen (Bremgarten, Berikon, Eggenwil, Oberwil-Lieli, Rudolfstetten-Friedlisberg, Widen, Zufikon) gehören zu den stark überbauten Gebieten im Aargau. Der neue Bericht des Baudepartements zum Stand der Erschliessung zeigt, dass per Ende 2015 in diesen sieben Gemeinden der Überbauungsgrad zwischen 88 Prozent (Eggenwil) und 94 Prozent (Rudolfstetten) lag.
Konkret zeigen diese Werte, wie gross der Anteil der ausgeschiedenen Bauzonen ist, die bereits überbaut sind. In den Mutschellen-Gemeinden ist der Überbauungsgrad im kantonsinternen Vergleich hoch, es gibt aber mehrere Gemeinden, wo noch weniger Bauland verfügbar ist. Wettingen steht in dieser Rangliste an der Spitze, nur gerade zwei Prozent der Bauzonen sind dort noch frei.
Dennoch herrscht bei Gemeindeammann Markus Dieth keine Alarmstimmung. «Wir sind daran, die Nutzungsplanung zu revidieren, dabei steht unter anderem das Bahnhofareal mit einer Fläche von rund 35 000 Quadratmetern im Blickpunkt.» Dazu komme der Masterplan zur Entwicklung im Gebiet entlang der Landstrasse. Dieth betont, er sei zuversichtlich, dass es Wettingen gelingen werde, einen grossen Teil des prognostizierten Bevölkerungswachstums durch «aktive Siedlungsentwicklung nach innen» aufzufangen. Das neue Raumplanungsgesetz schreibe eine interne Verdichtung der Wohnflächen vor. «Grundsätzlich ist Wettingen als kantonaler Wohnschwerpunkt definiert, wir könnten also die Bauzonen nach aussen erweitern, doch vorerst setzen wir auf Massnahmen im bestehen Siedlungsgebiet.»
Am anderen Ende der Tabelle findet sich Hallwil, hier sind noch mehr als ein Viertel der Bauzonen frei. Mit einem Überbauungsgrad von 72 Prozent liegt die Gemeinde im Seetal nicht nur ganz hinten in der Rangliste, bemerkenswert ist auch, dass die zwei Nachbargemeinden Boniswil (90 Prozent) und Seon (92 Prozent) deutlich stärker überbaut sind. Roland Suter, Gemeindeschreiber von Hallwil, erklärt dies so: «Wegen der Sanierung der Seetalbahn mussten wir lange Zeit gewisse Parzellen freihalten, die nicht überbaut werden konnten, weil die Streckenführung unklar war.»
Deshalb gebe es heute in Hallwil relativ viel eingezontes, aber nicht überbautes Bauland. Geht es nach dem Willen des Kantons, soll sich dies ändern. Bei der Festlegung des künftigen Siedlungsgebietes im Richtplan ist Hallwil eine der Gemeinden, die Land auszonen soll. 3,2 Hektaren sollten künftig nicht mehr zur Bauzone gehören, verlangte der Kanton im Jahr 2014. «Wir sind natürlich nicht glücklich über mögliche Auszonungen, derzeit läuft das Verfahren noch», sagt Gemeindeschreiber Suter.
Über den ganzen Kanton gesehen, sind die Bauzonen zu knapp 88 Prozent überbaut – in Zahlen: Die Fläche der Bauzonen beträgt 20 600 Hektaren, davon sind 18 066 Hektaren überbaut. Alle 23 Sekunden wird im Kanton Aargau ein Quadratmeter Land in der Bauzone überbaut. Der durchschnittliche Zuwachs an überbauter Bauzone seit 1999 beträgt 135 Hektaren pro Jahr. Insgesamt wird im Aargau aber deutlich mehr Land überbaut, der Flächenverbrauch ausserhalb der Bauzonen für Infrastrukturanlagen Bauten mit landwirtschaftlicher Nutzung wird bei dieser Zahl nicht berücksichtigt.
Auf den ersten Blick erstaunlich: Obwohl das Raumplanungsgesetz keine Einzonungen zulässt, bis das Siedlungsgebiet für die nächsten 40 Jahre im Richtplan verbindlich festgelegt ist, hat sich die Fläche der Bauzonen im Aargau von Ende 2014 bis Ende 2015 um sieben Hektaren erhöht. «Die Zunahme ist darauf zurückzuführen, dass die Digitalisierung bestehender Bauzonen nachkorrigiert werden musste, eine neu eingeführte genauere Auswertung zu anderen Rundungsdifferenzen führte, ein Datensatz eines früher genehmigten Zonenplanes erst 2015 erfasst werden konnte und bestehende Erschliessungsanlagen nachträglich planungsrechtlich korrekt der Bauzone zugewiesen wurden», heisst es im Bericht des Baudepartements.