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Merenschwand hat zwar eine Bundespräsidentin, aber keinen Bahnhof. Das führte zu einem veritablen Freiämtersturm durch den Nebel mit Zug und Bus.
Es begann richtig schweizerisch. Der Extrazug aus Bern traf pünktlich in der Kantonshauptstadt ein, auf dem Bahnhofplatz intonierte die Stadtmusik Aarau schmissig den «Doris-Leuthard-Marsch», als die Besagte im leuchtend roten Mantel fröhlich den Zug verliess und die wartenden Aargauerinnen und Aargauer begrüsste. Dann setzte sich der rund 300 prominente Gäste umfassende Tross in Bewegung und zog in Richtung Kunsthaus.
Man benutzte dabei artig das Trottoir; wenn die neue Bundespräsidentin der Kantonshauptstadt die Aufwartung macht, geht das auch ohne Strassensperrung. Einzig beim Aargauerplatz mussten sich die Autofahrer kurz gedulden, als der kleine Festumzug die Strasse zügig überquerte.
Als Ort der offiziellen Bundespräsidentinnenfeier hatte sich Doris Leuthard das Kunsthaus ausgesucht. Frau Landammann Susanne Hochuli hiess die Bundespräsidentin «voller Stolz, voller Freude und ganz von diesem speziellen Moment erfasst» in Aarau willkommen. Und sie fragte rhetorisch: «Wo könnte ich das besser und gleichzeitig bescheidener tun als in der ersten Hauptstadt der Helvetischen Republik?»
Stadtpräsidentin Jolanda Urech und Kunsthausdirektorin Madeleine Schuppli hiessen die Bundespräsidentin ebenfalls willkommen. Als vierte Rednerin – Männer schafften es im Kunsthaus keine ans Rednerpult – sprach Doris Leuthard. Sie bedankte sich und sie äusserte sich, passend zum Ort – bewusst bildhaft: «Das Bild, das unsere Schweiz abgibt, ist nach wie vor von Erfolg, Respekt und Anerkennung für unsere Leistungen geprägt. Die Schweiz von morgen zu gestalten, beginnt mit einer Vorstellung, einem Bild im Kopf.»
Die geladenen Gäste, die meisten zwar prominent, aber nicht aus dem Aargau, erlebten auf der improvisierten Bühne im Kunsthaus einen Schnelldurchlauf durch aargauisches Kulturschaffen: Max Lässer durfte zeigen, warum sein «Überlandorchester» die Kenner begeistert. Der Wohler Kantichor sang eine Version von «Im Aargäu sind zwöi Liebi», die unter die Haut ging; das Kammermusikensemble «Chaarts» spielte Mendelssohn Bartholdy. Dann zum Abschluss des ersten, offiziellen Teils sangen Kantichor und Gästeschwarm, akkurat eingestimmt von «Chaarts», gemeinsam die Nationalhymne. Das tönte voll und laut, ging ins Herz und gab da und dort feuchte Augen.
Doch viel Zeit blieb nicht; es folgte die Reise ins Freiamt. Der Extrazug wartete bereits; und da, wie schon erwähnt, Merenschwand keinen Bahnhof hat, ging die Reise vorerst bis Muri. Und weil sich die Freiämter kein Fest entgehen lassen wollen, erfuhr Doris Leuthard in Muri das, was man einen «grossen Bahnhof» nennt: Die Musik spielte, die Bevölkerung feierte und gratulierte, dazu gab es Glühwein und Speckbrötli; Gemeindepräsident Hans-Peter Budmiger sagte selbstbewusst, das Freiamt habe wohl das Seinige dazu beigetragen, dass die Bundespräsidentin so geworden sei, wie sie eben ist. Die Gefeierte wandte sich an die Freiämter und bestätigte, im Freiamt sei man halt weit weg von Aarau; «wir tun hier, was uns gefällt».
Nach dem Murianer Intermezzo stiegen die Gäste in weisse Busse und weiter ging die Reise durch den dichten Freiämter Nebel nach Merenschwand. Doris Leuthard nahm es gelassen: «Lieber Nebel in der Atmosphäre als vernebelt politisieren», sagte sie.
Es ist empfindlich kalt in Merenschwand, aber das stört die vielen Merenschwander wenig, die schon warten, um «ihre Doris» zu feiern. Das haben sie 2009 aus dem gleichen Grund schon mal getan; aber auch beim zweiten Mal sind Freude und Begeisterung nicht weniger geworden: Die Musik spielt, Alphörner hornen, Trachtenmädchen tanzen kurzärmlig, der Gemeindeammann und der Grossratspräsident sprechen. Und mittendrin strahlt Doris Leuthard. Sie erklärt, dass ihr wichtig sei, dass alle mitfeiern sollen, nicht nur «die gescheiten Damen und Herren aus Bern». Sie verspricht, dass man sie auch weiterhin im Volg beim Posten antreffen werde.
Dann das Finale: Die Frauen vom Turnverein servieren den Rindsschmorbraten aus dem «Huwyler», der Bundespräsident gratuliert in einer launigen Ansprache, die ihm mehrmals Szenenapplaus einbringt, und leiht Leuthard seine Medaille aus, die er vom Papst erhalten hat, «damit du sündenfrei durchs Jahr kommst». Als Überraschungsgast rockt Sina, die Walliserin aus dem Aargau, die Halle. Und noch einmal tritt auch Doris Leuthard ans Mikrofon.
Gegen halb elf Uhr steigen die vielen Gäste aus der ganzen Schweiz zufrieden, gar beeindruckt, wie es scheint, wieder in die weissen Busse und lassen sich durch den noch etwas dichter gewordenen Freiämter Nebel zurück nach Muri und auf den Zug bringen. Damit ist der fröhliche Freiämtersturm zu Ende; von allfälligen Sichtungen des zu dieser Jahreszeit umherstreifenden Stiefeliriiters ist bisher nichts bekannt.