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Interkulturelle Dolmetscher kommen als Vermittler zum Einsatz. Dann, wenn offizielle Stellen im Bildungsbereich, bei Sozialämtern oder in Spitälern fremdsprachigen Menschen eine Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen mitteilen.
Wenn in den Schulen die Elterngespräche anstehen, hat Jacqueline Salmón Küng besonders viel zu tun: Immer wieder wird sie von Lehrpersonen zu Hilfe gerufen. Ihre Aufgabe: Die Erklärungen der Lehrer so übersetzen, dass die fremdsprachigen Eltern alles verstehen. Dabei übersetzt Salmón Küng nicht nur Wort für Wort. «Wir interkulturellen Dolmetscher bilden eine Sprachbrücke zwischen den fremdsprachigen Einwohnern und den Institutionen», erklärt sie.
Die 45-Jährige weiss, wo in einem anspruchsvollen Gespräch die kulturellen Stolpersteine liegen könnten, welche Tabus nicht angesprochen werden dürfen oder was die Gesprächspartner aufgrund des anderen Kulturkreises falsch verstehen könnten. «Trotzdem bin ich als Dolmetscherin eine neutrale Person, muss wertfrei übersetzen und unterstehe der Schweigepflicht», erklärt die Zofingerin.
Einfühlen in die Kultur
Vor bald 20 Jahren war Jacqueline Salmón Küng selbst fremd in unserem Kulturkreis. «Ich nehme hier die Menschen als distanzierter wahr als in Peru», erzählt sie. Die Peruanerin musste sich erst daran gewöhnen, dass man in der Schweiz mehr für sich lebt, weniger spontan ist und nicht ohne Voranmeldung bei Freunden oder Verwandten vorbeischaut.
HEKS Linguadukt Aargau/Solothurn stellt ein Team von interkulturellen Dolmetschern für anspruchsvolle Gespräche im Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich zur Verfügung. Die Dolmetschenden bilden die Sprachbrücke mit dem nötigen kulturellen und sozialen Hintergrund zwischen Fachpersonen und ihren fremdsprachigen Gesprächspartnern. Momentan bieten die Dolmetscher von Heks Linguadukt rund 40 verschiedene Sprachen an. HEKS übernimmt die Entlöhnung und alle personaladministrativen Aufgaben der Dolmetscher.
Auf seiner Homepage bietet das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz den Institutionen eine Entscheidungshilfe: Wenn beispielsweise das Ziel des Gespräches nicht eindeutig kommuniziert werden kann, wenn der Gesprächsinhalt fürs Gegenüber belastend ist oder sich auf seine Laufbahn- und Lebensgestaltung auswirkt, kann der Einsatz eines interkulturellen Dolmetschers angebracht sein. Als Anlässe listet HEKS beispielsweise IV-Abklärungen, Elterngespräche, Therapiegespräche oder Sozialberatungen auf. Für die Institutionen bedeute der gezielte Einsatz von interkulturellen Dolmetschern eine Steigerung der Effizienz und es liessen sich so auch Kosten senken, schreibt HEKS auf seiner Homepage. (pd/lbr)
In Peru leben oft mehrere Generationen zusammen, in der Schweiz ziehen die Jungen schon früh in eine eigene Wohnung. «Hier wird mehr gearbeitet und weniger das Leben genossen», zieht die in Lima aufgewachsene Jacqueline Salmón Küng Bilanz.
In Perus Hauptstadt Lima hat sie Tourismus studiert und ist danach viel gereist. Sie hat in Amerika gelebt, in Italien auf Kreuzfahrtschiffen gearbeitet und dann, 1997, ist sie ihrem Mann Beat in die Schweiz gefolgt.
Nach Spanisch, Portugiesisch, Englisch und Italienisch musste sie nun eine weitere Sprache lernen: Deutsch. «Ich konnte mich auf Hochdeutsch schon sehr gut verständigen, als ich in die Schweiz kam», erzählt sie, «aber wenn ich mit mehreren meiner Freunde unterwegs war und diese untereinander Mundart sprachen, habe ich Kopfschmerzen bekommen.»
Jacqueline Salmón Küng lacht. Sie hat sich durchgebissen, perfektionierte ihr Deutschkenntnisse. Heute erzählt sie über ihre Tätigkeit als interkulturelle Dolmetscherin auf Mundart – mit einem fremdländischen Akzent.
Arbeit im Bildungsbereich
Jacqueline Salmón Küng weiss nie, was beim nächsten Auftrag als interkulturelle Übersetzerin auf sie zukommen wird. Der von HEKS angebotene Dienst Linguadukt (siehe Box) kommt im Bildungsbereich, im Sozialbereich und im Gesundheitsbereich zum Einsatz.
«Immer dann, wenn eine offizielle Stelle sichergehen muss, dass ihre Erklärungen verstanden werden, erhalten wir einen Auftrag», erklärt Jacqueline Salmón Küng. Sie ist eine von 95 Mitarbeitern, die für HEKS Linguadukt im Raum Aargau-Solothurn als interkulturelle Dolmetscher tätig sind. Am liebsten arbeitet Salmón Küng im Bildungsbereich, übersetzt bei Elternabenden oder bei Übertrittsgesprächen in die nächste Schulstufe.
«Für mich ist es spannend, auf Eltern zu treffen, deren Kinder gleich alt sind wie unsere. Sie haben die gleichen Probleme wie wir und daher kann ich auch verstehen, wie es ihnen geht oder welche Fragen sie haben, beispielsweise betreffend das Schweizer Schulsystem», sagt die zweifache Mutter. Ihre Kinder Pablo und Isabel besuchen in Zofingen die Primarschule.
Viele Aufträge für Tigrinya
Dass sie heute als interkulturelle Dolmetscherin arbeitet, sei reiner Zufall, sagt Jacqueline Salmón Küng. Um die Jahrtausendwende betreute ein Freund von ihr beim Flüchtlingsdienst eine kolumbianische Familie. Er zog Jacqueline Salmón Küng bei schwierigen Gesprächen als Dolmetscherin hinzu und war froh, dass sie ihm mit ihren Kenntnissen der südamerikanischen Kultur und der spanischen Sprache weiterhelfen konnte.
Als dann wenig später HEKS den Dienst Linguadukt aufbaute, war Jacqueline Salmón Küng eine der ersten Mitarbeiterinnen. Sie absolvierte zahlreiche Weiterbildungen, machte unter anderem das Interpret-Zertifikat. Heute sei Tigrinya, die Sprache der Eritreer, sehr gesucht, erzählt Jacqueline Salmón Küng.
Portugiesisch, Spanisch, Italienisch und Englisch, die Sprachen, die sie übersetzt, zählen zu den 15 Sprachen, die am häufigsten nachgefragt werden im Aargau. Die Zofingerin steht dabei auch für Menschen im Einsatz, die schon länger in der Schweiz leben, aber die Sprache noch nicht genügend beherrschen.
«Die Menschen, für die ich übersetze, schauen mich fast mehr an als den Lehrer oder den Arzt, für den ich übersetze», erzählt sie. Wenn sie merkt, dass sie mit ihrer Übersetzung dem Gegenüber hilft, hat Jacqueline Salmón Küng ihr Ziel erreicht.