G20-Gipfel
«Sich umziehen ist nicht strafbar»: Namhafter Anwalt bezweifelt, dass Aargauer verurteilt werden kann

Ein namhafter deutscher Anwalt hält es für zweifelhaft, dass allein die Präsenz im Umfeld des sogenannten «Schwarzen Blocks» genügt, um den beschuldigten Aargauer für Landfriedensbruch und Brandstiftung zu verurteilen.

Fabian Hägler
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Der Bremgarter soll am G20-Gipfel in Hamburg mit über 200 anderen Gewalttätern des «Schwarzen Blocks» gewütet haben. (Archivbild)

Der Bremgarter soll am G20-Gipfel in Hamburg mit über 200 anderen Gewalttätern des «Schwarzen Blocks» gewütet haben. (Archivbild)

MARKUS SCHOLZ

Bisher hiess es offiziell, am Dienstag sei ein 27-jähriger Aargauer befragt worden, der letztes Jahr in Hamburg an G20-Krawallen beteiligt gewesen sein soll (die AZ berichtete). Nun sagt Nana Frombach, die Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft: «Der Beschuldigte hat sich zur Sache nicht geäussert, daher hat keine Befragung stattgefunden.»

Die deutschen Behörden werfen dem Mann schweren Landfriedensbruch und Brandstiftung vor. An der Hamburger Elbchaussee soll der Bremgarter mit über 200 anderen Gewalttätern des «Schwarzen Blocks» gewütet haben. Die Fahnder sehen den 27-Jährigen als Teil des Mobs, der im Nobelquartier am 7. Juli 2017 Autos anzündete, Geschäfte verwüstete und einen grossen Sachschaden anrichtete.

Auch fast ein Jahr nach dem G20-Gipfel gibt es aber keinen Gerichtsprozess zu den Krawallen in der Elbchaussee. Dies zeigt die ARD-Dokumentation «Die schwarze Gewalt», die am Mittwochabend ausgestrahlt wurde und sich mit den Ermittlungen seit den massiven Ausschreitungen befasst.

Noch ein Schweizer gesucht

Das grösste Problem für die Sonderkommission «Schwarzer Block»: Die Linksextremen hatten Depots mit schwarzer Kleidung eingerichtet, verschwanden vermummt in Nebenstrassen, zogen sich um und tauchten als «normale Passanten» wieder auf.

Ein Hamburger filmte genau dies: Beim Bahnhof Altona laufen Vermummte auf ihn zu und ziehen ihre schwarzen Kleider aus. Einer von ihnen ist der 27-jährige Bremgarter, der Mann mit Rastafrisur neben ihm ist laut «Blick» ebenfalls ein Schweizer. Dieser ist noch nicht identifiziert und wird von der Polizei weiterhin gesucht.

Bilder von den Ausschreitungen am Rande des G20-Gipfels in Hamburg:

Gewalttätige Demonstranten zündeten in der Nacht auf den Freitag des G20-Gipfels Barrikaden im Hamburger Schanzenviertel an.
24 Bilder
Militante G20-Demonstranten setzen in der Hamburger Innenstadt auch ein Laser-Gerät gegen Polizisten ein.
Massive Ausschreitungen begleiteten den Auftakt der G20 in Hamburg.

Gewalttätige Demonstranten zündeten in der Nacht auf den Freitag des G20-Gipfels Barrikaden im Hamburger Schanzenviertel an.

KEYSTONE

Kurz zuvor hatten Vermummte am Bahnhof einen Molotowcocktail auf ein Polizeiauto geworfen und dessen Seitenscheibe eingeschlagen. Ein Polizist, der im Auto sass, berichtet im Film, danach seien zehn Autonome weggerannt, «alle schwarz gekleidet und vermummt». Ob der Aargauer zu dieser gewalttätigen Gruppe gehört, ist in der Videosequenz nicht ersichtlich.

Strafverteidiger meldet Zweifel an

Der deutsche Rechtsanwalt Gerhard Strate kritisiert im Film die Hamburger Strafverfolgungsbehörden. Zu den Vorfällen an der Elbchaussee, an denen der Schweizer beteiligt gewesen sein soll, sagt der namhafte Strafverteidiger: «Das war keine Demonstration, hier gab es keinen politischen Hintergrund, die Gruppe wirkte sehr organisiert und war offenbar auf Zerstörung aus.»

Strate hält es dennoch für zweifelhaft, dass allein die Präsenz im Umfeld des sogenannten «Schwarzen Blocks» genügt, um für Landfriedensbruch und Brandstiftung verurteilt zu werden. «Im Fall des Schweizers aus Bremgarten zeigt das veröffentlichte Videomaterial nur, dass er sich umzieht. Das ist weder verboten noch strafbar.» Aus seiner Sicht sei für eine Verurteilung der Nachweis einer Straftat nötig. «Die Polizei müsste zum Beispiel die DNA-Spur auf einem Tatgegenstand dem Verdächtigen zuordnen können oder Aufnahmen haben, die zeigen, wie er ein Auto anzündet.»

Polizei hat keine DNA-Probe

Bereits im Dezember sagte Staats- anwältin Frombach dem «Spiegel», man sei der Meinung, das Mitlaufen im «Schwarzen Block» reiche für eine Strafbarkeit. DNA-Spuren aus der Elbchaussee wertet die Hamburger Polizei zwar aus. Eine Probe wurde beim Verdächtigen aber nicht genommen, ein Abgleich ist also nicht möglich.

«Der Tag endet für die Ermittler frustrierend», bilanzieren die Autoren der ARD-Dokumentation nach der europaweiten Aktion gegen G20-Verdächtige am Dienstag. Zumindest mit Blick auf den Aargauer trifft das aus Polizeisicht zu: Es gibt kein Geständnis, er hat laut AZ-Informationen keine Vorstrafen, es liegen offenbar keine Beweise für konkrete Straftaten vor – und ob die Position der Hamburger Staatsanwaltschaft rechtlich haltbar ist, scheint fraglich.