Ausstellung
Sex in der Tierwelt: Von risikoreich bis tödlich

Hirsche, die ineinander verkeilt sterben, Schwäne, die ertrinken, oder Käfer, die zwar um ein Weibchen kämpfen, dafür aber nicht mehr essen können. Ein Bummel durch die neu eröffnete Ausstellung «Sexperten» im Naturama in Aarau.

Katja Schlegel
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Herr und Frau Feldhase, in eindeutiger Pose erstarrt.

Herr und Frau Feldhase, in eindeutiger Pose erstarrt.

Katja Schlegel

Geschafft hat es keiner von beiden. Die beiden Rothirsche, vollgepumpt mit Adrenalin und geblendet von der Schönheit der Rothirschdamen, sind beim Kampf gestorben. Qualvoll verendet, verheddert in einen Zaun.

Aufgeben wollte keiner der beiden, bis in den Tod blieben die Geweihe ineinander verkeilt. Gefreut hat sich der Dritte, der die Rothirschdamen kampflos beglücken durfte. Und der Tierpräparator.

Heute stehen die beiden Platzhirsche im Naturama, als Hauptattraktion der eben eröffneten Sonderausstellung «Sexperten – flotte Bienen und tolle Hechte». Hier wird an rund 50 Exponaten gezeigt, welchen Aufwand die Männchen im Tierreich betreiben, um die Weibchen um den Finger zu wickeln.

Kopfloser Dauersex

Eines vorneweg: Die Schamesröte treibt es einem beim Bummel durch die Ausstellung nicht ins Gesicht, sehr wohl aber ein breites Grinsen.

Denn nebst den Rothirschen harren weitere liebestolle Präparate der Besucher: Zwei Hirschkäfermännchen beispielsweise, deren Zangen so gross sind, dass sie mit den Fresswerkzeugen nicht mehr an das Totholz kommen und deshalb von einem Weibchen gefüttert werden müssen.

Oder die Dreifleckige Gottesanbeterin, die ihrem Männchen während der Paarung den Kopf abkaut. Der Vorteil für das Männchen: Kopflose Gottesanbeter dürfen fast einen Tag lang ran, solche mit Kopf nur ein paar Stunden. Und frisch gestärkt mit der männlichen Proteinbombe legt die Gottesanbeterin deutlich mehr Eier.

Den Tod der Liebsten nimmt er in Kauf

Dann sind da noch die beiden Schwäne, von denen – weiss man über Treue und Paarung Bescheid – keiner mehr versteht, weshalb sie so gern als romantisches Sujet für Hochzeiten verwendet werden: Schwanenmänner sind notorische Fremdgänger und gehen mit ihren Damen nicht gerade zimperlich um.

Herr Schwan ist vor allem auf seinen eigenen Spass bedacht und drückt Frau Schwan bei der Paarung mit seinem Gewicht unter Wasser. Ein mögliches Ersäufen der Liebsten nimmt Herr Schwan in Kauf.

Vom Hirsch zum Fussballer ist es nicht weit

Ja, man zieht unweigerlich Parallelen zur Menschenwelt. Und das macht die Ausstellung so unterhaltsam, ein Grinsen kann sich auch der abgebrüteste Besucher nicht verkneifen.

Die beiden kämpfenden Hirsche? Klar, Fussballer. Die australische Pfauenspinne, bei der sich das Männchen als Tänzer so lange zum Affen macht, bis ihn das Weibchen ranlässt oder verspeist? Ein kurzer Blick in einen Klub am Samstagabend genügt.

Die Hirschkäfer? Der Macho, der sich erst um die Herzdame bemüht und sich dann auf dem Sofa bedienen lässt. Herr Schwan, für den nur der eigene Spass zählt? Weiter verbreitet, als gemeinhin vermutet. Genauso wie die männermordende Gottesanbeterin.

Die Ausstellung macht es überdeutlich: Es dreht sich alles immer um Sex – egal ob bei den Tieren oder den Menschen. Das sagt auch Kurator Holger Frick, der die Ausstellung für das Liechtensteinische Landesmuseum erarbeitet und nach seinem Wechsel ins Naturama nach Aarau auch hier aufgebaut hat: «In der Natur hat alles Schöne nur mit Sex zu tun.» All die Farben, die mächtigen Geweihe, die prächtigen Gefieder, die stolzen Brunfttänze und wunderschönen Gesänge.

«Kinder sehen nur die Häschen»

Wie kommt man dazu, so eine Ausstellung zu machen? Fricks Vorgänger in Liechtenstein wollte eine Ausstellung über Jungtiere schaffen und sammelte Präparate von grossäugigem Nachwuchs.

Frick, daheim in der Evolutionsbiologie, machte noch einen Schritt zurück und setzte bei der Paarung an. «Ich erzähle gerne Geschichten, und die Geschichten rund um die Fortpflanzung sind sehr unterhaltsam.»

Berührungsängste habe er keine gehabt, als Biologe sei er schmerzfrei. Ausserdem sei es ja keine pornografische Ausstellung, sondern eine, die man auch mit Kindern besuchen kann. «Die Kinder gehen völlig unverkrampft damit um. Sie sehen einfach die herzigen Häschen, keine wilden Rammler.»

Bei den Führungen mit Teenagern, da gebe es schon blöde Sprüche und viel Gekicher. «Aber da lacht man einfach mit.»

Im konservativen Liechtensteinischen hat die Ausstellung laut Frick auffällig viele junge Besucher angelockt. «Mal schauen, wie aufgeschlossen die Aarauer sind.»

Hier gehts zur Website der Aargauer Naturmuseums «Naturama».