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Finanzdirektor Markus Dieth freut sich über die gute Rechnung 2019. Nun ist er aber als Krisenmanager gefragt.
Eigentlich wollte Finanzdirektor Markus Dieth am Freitag eine frohe Botschaft verkünden: Die Kantonsfinanzen sind saniert, der Überschuss der Rechnung 2019, der 229 Millionen Franken beträgt, soll zur Schuldentilgung eingesetzt werden, der Aargau wäre bald schuldenfrei. Doch die Corona-Krise mit der Schliessung fast aller Geschäfte hat alle Pläne über den Haufen geworfen. Nach wie vor freut sich Landammann Dieth über die Budgetdisziplin der Verwaltung, die höheren Steuereinnahmen und die gelungenen Reformen, die längerfristige Einsparungen von rund 100 Millionen Franken bringen. Statt sich auf Zukunftsprojekte zu konzentrieren, die den Aargau als Hightech-Kanton und Wirtschaftsstandort attraktiv machen sollten, muss der Landammann nun ein Corona-Hilfspaket für die Aargauer KMU schnüren. Gefragt ist nun keine finanzielle Langfristperspektive, sondern die kurzfristige Rettung vieler Unternehmen – Dieth ist nun als Krisenmanager im Einsatz.
Die aktuellen Ereignisse rund um die Corona-Krise haben sich in den letzten Tagen überschlagen. Welche Konsequenzen hatte dies auf die Verabschiedung der Jahresrechnung?
Markus Dieth: Die Erarbeitung des Jahresberichts mit Jahresrechnung wie auch die finanzielle Langfristperspektive fand vor dem Ausbruch der Corona-Virus-Pandemie statt. Aufgrund der dramatischen Entwicklungen in den letzten Tagen und der absehbaren massiven volkswirtschaftlichen Auswirkungen und der zu erwartenden Steuerausfälle hat der Regierungsrat die aktuelle Situation für den Aargau und die Kantonsfinanzen neu beurteilt. Wir haben den ursprünglichen Antrag an den Grossen Rat betreffend Verwendung des Überschusses der Rechnung 2019 am Mittwoch revidiert. Der massive Überschuss von 228,5 Millionen Franken soll in die Ausgleichsreserve eingelegt werden.
Was waren Ihre ursprünglichen Ideen für die Verwendung des Überschusses?
Ursprünglich plante der Regierungsrat, den gesamten Überschuss zum Abschluss der Haushaltsanierung für den Schuldenabbau zu verwenden. Zum einen sollten die noch bestehenden bisherigen Fehlbeträge mit 157,5 Millionen Franken aus dem Überschuss vollständig abgetragen werden. Dies würde unsere Staatsrechnung in Zukunft um jährlich rund 5 bis 6 Millionen Franken entlasten. Zum anderen sollten die beiden Defizite aus den Jahren 2014 und 2016 so weit als möglich vorzeitig abgetragen werden. Dieser Schuldenabbau hätte die Staatsrechnung in den Jahren 2020 (um 28,8 Mio. Franken), 2021 (um 21,1 Mio. Franken) und 2022 (um 21,1 Mio. Franken) entlastet. Insgesamt hätten wir so in den vergangenen drei Jahren rund 700 Millionen Franken Schulden zurückbezahlt. Dies ist in Anbetracht der jetzigen Krisensituation nicht sinnvoll.
In den letzten drei Jahren hat der Kanton regelmässig ansehnliche Überschüsse verzeichnet: 119 Millionen 2017, 327 Millionen 2018, 229 Millionen jetzt. Das ist ein Glücksfall, aber ist genug Geld vorhanden, um die Corona-Krise zu bewältigen?
Wir sind froh, dass wir in den letzten drei Jahren grosse Überschüsse hatten. Klar würden wir auch gerne noch mehr Schulden zurückzahlen und damit für die Zukunft mehr Handlungsfreiheit erreichen. Jetzt geht es aber darum, schnell und unkompliziert auf die Corona-Krise für unsere Bevölkerung und unsere Wirtschaft reagieren zu können. Der Regierungsrat plant Massnahmen, um die von der Pandemie besonders stark betroffenen Unternehmen und Gewerbebetriebe – ergänzend zum Bund – mit Soforthilfe zu unterstützen. Dazu gehören primär KMU, Gastro-, Handels- und Handwerksbetriebe. Aber auch Kulturschaffende und Selbstständigerwerbende, die sonst durch die Maschen fallen könnten.
Was plant der Kanton genau, welche Summen sollen der Aargauer Wirtschaft zugutekommen?
Über die konkrete Ausgestaltung wird unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Beschlüsse des Bundesrates nächste Woche entschieden. Wir wollen damit Handlungsspielraum erhalten, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Virus-Krise für die Bevölkerung und die Wirtschaft bekämpfen zu können. Der Bundesrat hat am Freitag ein Hilfspaket im Umfang von 32 Milliarden Franken angekündigt. Der Regierungsrat hat von den Massnahmen des Bundes Kenntnis genommen, wird diese nun prüfen und darauf basierend am nächsten Mittwoch das kantonale Hilfspaket für die Aargauer Wirtschaft schnüren, welches rasch und pragmatisch umgesetzt werden kann.
Kommen die Mittel für das Hilfspaket aus dem normalen Haushalt, aus der Ausgleichsreserve, oder plant die Regierung allenfalls einen Corona-Fonds?
Aus der Ausgleichsreserve – der Regierungsrat beantragt, den Überschuss von 2019 in diesen Topf zu legen und ihn umsichtig und rasch nach noch zu bestimmenden Kriterien zur Abfederung der grossen Verluste zu verwenden, dies in Abstimmung mit diesbezüglichen Bundesmassnahmen. Dabei wird eine klare Abwägung und Berücksichtigung auch der hoffentlich vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel vorgenommen werden müssen.
Was macht der Kanton mit dem Hilfspaket konkret?
Wir setzen auf pragmatische Lösungen. So haben wir per sofort unsere Zahlstellen angewiesen, sämtliche eingegangenen Rechnungen direkt und umgehend zu bezahlen. Es gibt keine Zahlungsfristen, wir bezahlen die Rechnung sofort. Ferner prüfen wir im Steuerbereich ebenfalls Massnahmen, zum Beispiel die Anpassung der provisorischen Steuerrechnung oder auch den Verzicht auf die Erhebung von Verzugszinsen. Alle Verfahren müssen unkompliziert und schnell ablaufen. Da sind auch die Aargauer Gemeinden gefordert mitzumachen.
In den letzten Jahren wurden zum Teil massive Sparpakete geschnürt, von links ertönte immer wieder die Forderung, die Kürzungen rückgängig zu machen – was sagt die Regierung zu solchen Forderungen?
Gerade jetzt ist es wohl richtig, solche Bedürfnisse hinten anzustellen. Jetzt gilt es, die Krise zu bewältigen und ihre Auswirkungen bestmöglich abzufedern. Genau für solche unvorhersehbaren Situationen haben wir immer für die Ausgleichsreserve gekämpft. Zum Glück haben wir dieses Instrument. Sie gibt uns Möglichkeiten, unserer Bevölkerung und der Wirtschaft zu helfen. Ob wir in den nächsten Jahren einen begrenzten finanzpolitischen Handlungsspielraum haben werden und wie gross dieser sein wird, können wir in der aktuellen ausserordentlichen Lage nicht sagen.
Nach den grossen Überschüssen der Rechnungen 2018 und 2019 könnte der Ruf nach Steuersenkungen laut werden – wie stellt sich die Regierung dazu?
Auch solche Forderungen sind im Moment mit Zurückhaltung auszurufen, weil die Zukunftsaussichten ungewiss sind. Auf der anderen Seite wird aber der Regierungsrat auch gefordert sein, antizyklisch handeln zu können und die Wirtschaft anzukurbeln. Gerade deshalb stellt der Regierungsrat jetzt auch den Antrag, den sehr grossen Überschuss in die Ausgleichsreserve zu legen und für die Aargauer Wirtschaft zu verwenden.