Tiefenlager-Oberflächenanlage
Regierung will letzten Aargauer Tiefenlager-Standort auf keinen Fall

Villigen ist der einzig verbliebene Aargauer Standort bei der Tiefenlager-Standortsuche. Die Aargauer Regierung will ihn auf keinen Fall – das Paul-Scherrer-Institut und der Innovationspark sollen nicht beeinträchtigt werden.

Urs Moser
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Atommüll aus Schweizer Anlagen: Noch immer ist unklar, wo das Endlager gebaut werden soll.

Atommüll aus Schweizer Anlagen: Noch immer ist unklar, wo das Endlager gebaut werden soll.

Andrew Kerr

Im Verfahren der Standortsuche für geologische Tiefenlager zur Endlagerung von Atommüll sind entscheidende Würfel gefallen.

Im Aargau bleibt nur noch ein Standort für eine Oberflächenanlage im Rennen, von der aus ein Tiefenlager erschlossen würde: Villigen in der Region Jura Ost (Bözberg).

Als letzte Regionalkonferenz mit Aargauer Beteiligung hat sich vor wenigen Tagen Nördlich Lägern entschieden: Sie bestimmte Stadel und Weiach im Kanton Zürich als mögliche Standorte für eine Oberflächenanlage. Zur Diskussion war hier auch Mellikon/Rekingen gestanden.

Letztlich ist es die Nagra, die nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, welche die Areale für die Platzierung der Oberflächenanlagen bezeichnet.

Niemand rechnet aber damit, dass sie dabei die Stellungnahme der Regionalkonferenz Nördlich Lägern übergehen könnte.

Sachplan Tiefenlager

Als Standort für ein Atommüll-Tiefenlager kommen sechs Regionen infrage. Jura Ost, Jura-Südfuss, Nördlich Lägern, Südranden, Wellenberg und Zürich Nordost. Die Region Jura-Südfuss kommt nur für ein Lager für schwach- und mittelaktive Abfälle infrage, Jura Ost (Bözberg) und Nördlich Lägern auch für hoch radioaktive Abfälle. Das Verfahren befindet sich in Etappe zwei, in der die Nagra die Standortgebiete auf mindestens zwei pro Abfallkategorie einengt und die Standortareale bezeichnet, wo die Oberflächenanlagen entstehen könnten, in denen die Abfälle für die Einlagerung vorbereitet werden. Am Ende von Etappe zwei entscheidet der Bundesrat - voraussichtlich 2016 -, welche Gebiete im weiteren Auswahlverfahren verbleiben. (mou)

Das war auch in den Regionen Jura-Südfuss und Jura Ost nicht der Fall. Die Nagra bezeichnet die Standortareale in sogenannten Planungsstudien. Für Jura-Südfuss und Jura Ost ist das Verfahren abgeschlossen.

Für ein allfälliges Tiefenlager in der Region Jura-Südfuss hat man sich auf Däniken im Solothurnischen festgelegt, die Standorte Suhr und Kölliken sind vom Tisch.

In der Region Jura Ost schieden Hornussen, Bözen, Würenlingen und ein vom Kanton als Alternative ins Gespräch gebrachter Standort beim Bahnhof Effingen aus.

Strich durch Hightech-Pläne

Pikant ist: Mit dem Standort «3 plus» in Villigen steht nun als einzig verbliebener im Aargau ausgerechnet derjenige im Fokus, den die Kantonsregierung für den ungeeignetsten hält.

Er liegt in unmittelbarer Nähe des Paul Scherrer Instituts PSI und des Areals, wo der Kanton mit dem PSI und der Baufirma Erne AG als Investor einen Innovationspark errichten will: Auf einer Fläche von 3,8 Hektaren soll ein Gebäudekomplex entstehen, wo sich innovative Firmen in unmittelbarer Nähe zur Spitzenforschung ansiedeln sollen.

Hier will der Regierungsrat den «Motor für die Aargauer Wirtschaft» anwerfen, das Projekt ist zentraler Bestandteil seiner Hightech-Strategie. Der Kanton «nimmt den Entscheid der Regionalkonferenz zur Kenntnis und respektiert ihre Überlegungen», sagte Baudirektor Stephan Attiger am Dienstagabend an der Vollversammlung der Regionalkonferenz Jura Ost in Villigen.

Der potenzielle Standort einer Tiefenlager-Oberflächenanlage könne aus regionaler Sicht «nachvollzogen werden». Attiger sprach aber auch ganz offen die Vorbehalte der Regierung an. Das PSI und mögliche Entwicklungen im Zusammenhang mit der Hightech-Strategie dürften nicht beeinträchtigt werden. Es gelte nun, die sicherheitstechnischen Abklärungen und geologischen Untersuchungen voranzutreiben.

Eile mit Weile

Allzu eilig hat es die Regierung damit allerdings auch wieder nicht. Der Kanton führe es nicht und fühle sich nicht verpflichtet, es zu verteidigen oder beschleunigen, sagte Stephan Attiger zum Sachplanverfahren Tiefenlager. Zu den Standortvorschlägen der Regionalkonferenzen für die Oberflächenanlagen nimmt die Regierung zum Abschluss der zweiten Etappe des Sachplanverfahrens (vgl. Box) offiziell Stellung, im Rahmen der Vernehmlassung des Bundes. Und das wird erst 2016 sein.

Die Bagger für den Hightech-Park «Innovaare» könnten dagegen schon Ende 2014 auffahren, falls der Bund das Projekt in seine Planung der nationalen Innovationsstandorte aufnimmt. Eine Vereinbarkeit von Tiefenlager-Oberflächenanlage und PSI/Innovationspark ist zwar nicht zum Vornherein auszuschliessen, vor eine nicht unmassgebliche vollendete Tatsache wäre die Nagra damit aber schon gestellt.