Startseite
Aargau
Kanton Aargau
Im April 2020 gerieten vor der Migros Suhr zwei Pärchen aneinander, Pfefferspray wurde gespritzt und Fäuste flogen. Zwei der vier mussten nun vor dem Bezirksgericht Aarau antraben. Und obwohl sie sich dort versöhnten, wurden sie verurteilt.
Das Video ging viral: Am 9. April 2020 gerieten zwei Pärchen vor der Migros in Suhr aneinander. Sie beschimpften sich, bis schliesslich die eine Frau den Pfefferspray zückte und damit mehrmals spritzte. Darauf eskalierte die Situation völlig: Einer der beiden Männer jagte den anderen, die beiden schlugen mit Fäusten aufeinander ein. Einer der zwei Männer brach sich das Nasenbein. All das wurde von einer Nachbarin gefilmt.
Drei der vier Streithähne erschienen am Montag vor dem Bezirksgericht Aarau. Der eine Mann als Beschuldigter, seine Frau als Zuschauerin hinten im Gerichtssaal auf der Bank. Die andere Frau, die den Pfefferspray eingesetzt hatte, musste auch als Beschuldigte erscheinen. Ihr Partner ist inzwischen verstorben. Der damals 68-Jährige war im November 2020 bei einem Vorfall in Suhr von einem Polizisten erschossen worden. Er hatte mit einem Messer einen der Polizisten bedroht.
Gestern ging es vor Gericht in Aarau um Raufhandel, sowie Handel und Konsum von Betäubungsmitteln. Bei der Verhandlung passierte etwas, worauf der Gerichtspräsident nicht vorbereitet gewesen war: Die Parteien versöhnten sich. Dabei hätten man zu Beginn des Prozesses nicht unbedingt damit rechnen können. Die Stimmung war angespannt, mehrfach unterbrachen sich die Anwesenden gegenseitig und mussten vom Richter verwarnt werden.
Überdies sprach der Mann, der vor der Migros zugeschlagen haben soll, von der Beschuldigten immer wieder als «ihm». Beim Streit vor gut einem Jahr hatte er sie als Transe und anderes beleidigt. Erst als sie bei der Gerichtsverhandlung zu ihm sagte: «Ich bin übrigens eine Frau», bezeichnete er sie von da an auch als solche.
Doch nach der Befragung durch den Richter glätteten sich die Wogen. Beide beteuerten, dass ihnen das Ganze leid tue und dass sie bereuten, dass es so weit gekommen war. Und so schlug der Richter schliesslich vor, ob sie nicht die Antragsdelikte fallen lassen möchten. Denn die Streithähne hatten sich gegenseitig beschuldigt. Dem stimmten alle zu. Die Hände schütteln konnten sie sich wegen Corona nicht, aber einen Fistbump, also einen freundschaftlichen Kontakt mit den Fäusten, gab es.
Damit waren aber nur einige der Nebenanklagepunkte vom Tisch. Über den Raufhandel und die Drogendelikte musste der Richter trotzdem urteilen. Die beschuldigte Frau gab zu, Kokain konsumiert zu haben. Einmal sei sie bereits davon weggekommen, nach dem Tod ihres Partners beim Polizeieinsatzsei sie aber wieder rückfällig geworden. Seit einigen Wochen sei sie nun aber clean, sagte die Frau.
Sie hatte zuvor angegeben, vom Beschuldigten Kokain gekauft zu haben – was dieser bestritt. Da aber Aussage gegen Aussage stand und es keine Beweise gab, sprach der Richter den Beschuldigten vom Vorwurf des Handels mit Drogen frei. Die Frau sprach er hingegen wegen Drogenkonsums schuldig.
Dann war noch die Sache mit der Schlägerei zu beurteilen. Die Frau hatte ihre Beteiligung von Beginn weg eingestanden. Nicht so der beschuldigte Mann, er plädierte auf Freispruch, er habe sich nur verteidigt. Doch dem folgte der Richter nicht.
Er sprach die Frau und den Mann schuldig und verurteilte beide zu bedingten Geldstrafen und einer Busse. «Man kann nicht jemanden beleidigen und bedrohen, und Notwehr geltend machen, wenn er reagiert», so der Richter. Wenn man sich gegenseitig hochschaukle und aufeinander losgehe, müsse man dafür auch die Konsequenzen tragen, schloss er.