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Kanton Aargau
Heute Montag hat vor dem Bezirksgericht Laufenburg in Eiken AG der ASE-Prozess begonnen. Bei der Verhandlung, die voraussichtlich eine Woche dauern wird, geht es um drei Angeklagte, die 170 Millionen Franken betrogen haben sollen.
Wer in den Verhandlungssaal will, muss vorher seine Taschen leeren, das Handy abgeben. Ein Polizist führt die Anwesenheitsliste, kontrolliert Ausweise, fragt auch: "Fleisch oder Vegi?" Weil es am Bezirksgericht Laufenburg nicht genug Platz hat, findet der Prozess im Zivilschutz-Ausbildungszentrum in Eiken statt – und dieses ist ziemlich abgelegen. Mittagessen vor Ort wird empfohlen.
In einem grossen Schulungsraum sitzt das 5-köpfige Bezirksgericht mit Präsident Beat Ackle bereit. Dahinter vier Tischreihen: Staatsanwaltschaft und Verteidiger, Anwälte von geschädigten Anlegern, Journalisten aus der ganzen Schweiz.
Auf Stühlen hinten im Saal nehmen zwei Dutzend Zuschauer Platz – viele von Ihnen haben viel Geld verloren. Punkt 8.30 Uhr eröffnet Gerichtspräsident Ackle die Verhandlung: "Grüezi mitenand."
Zuerst fragt er einen der Geschädigten: "Sie haben gesagt, dass Sie morgen nicht befragt werden wollen. Ist das so?" – Ein Senior steht auf: "Das ist so." – "Gut. Dann entfällt morgen die Befragung um 17.15 Uhr."
Die Szene gibt eine Vorahnung von dem, was noch kommen wird: Der Prozess wird eine ganze Woche dauern, voraussichtlich inklusive Samstag.
Vorerst nicht dabei sein wird Star-Anwalt Valentin Landmann, der einen beschuldigten ehemaligen Mitarbeiter der Basler Kantonalbank vertritt. Landmann habe gestern wegen innerer Blutungen hospitalisiert werden müssen, sagt dessen Stellvertreter.
Er beantragt zudem, die Anklage zurückzuweisen. Er bemängelt, die Anklageschrift beeinflusse das Gericht vorab, spricht von "polemisch anmutenden und auf reine Stimmungsmache gezielten Ausführungen". Letztlich sei zudem gar nicht klar, was seinem Mandanten wirklich vorgeworfen werde.
Damit hatte man rechnen können: Bei einer Anklageschrift in der Grösse von 592 Seiten, dass Länge, Struktur oder Inhalte kritisiert werden. Gerichtspräsident Ackle sagt, man werde über den Antrag in der Mittagspause befinden – vorerst werde man mit dem Morgenprogramm fotfahren.
Heisst: Beginn der Beweisaufnahme. Über die im Saal aufgebaute Lautsprecheranlage werden Telefonate zwischen beschuldigten BKB-Mitarbeitern und dem ASE-Geschäftsführer abgespielt.
Sie würden den Umgang des Geschäftsführers mit der BKB "eindrücklich beschreiben", sagt der Staatsanwalt. Sein Ton ist aggressiv und jovial. Er zeigt sich umgänglich, macht Witze – ist aber gleichzeitig immer wieder sehr verärgert und beschuldigt die Bank, Fehler zu machen. Er sei der Einzige, der alles richtig mache.
Er beschimpft Kunden als Arschlöcher, Drecksschwätzer oder mit anderen, nicht druckreifen Begriffen. "Gopferdammi" zählt zu seinen Lieblingswörtern.
Die ASE Investment mit Büro in Frick war von 2006 bis 2012 eine externe Vermögensverwalterin und bot ihren Kunden Devisenhandel in unterschiedlichen Produkten an. Anleger wurden mit Renditeversprechen von bis zu 18 Prozent angelockt.
Auf ihrer Website hatte ASE Investment von "lukrativen Anlagemöglichkeiten" gesprochen. Das Kürzel ASE stand für "Anlage, Sicherheit, Ertrag". Dem Hauptangeklagten, der ehemalige ASE-Geschäftsführer (50), wird vorgeworfen, dass er die bei seiner Anlagetätigkeit erlittenen Verluste verheimlichte – und den Anlegern fiktive Gewinne vortäuschte.
Er habe alles "derart raffiniert aufeinander abgestimmt", dass es den Kunden nicht möglich gewesen sei, eine Täuschung zu erkennen. Es habe ein "grosses Lügengebäude" gegeben. Mit der Vermischung von Kunden- und Anlagegeldern wurde gemäss Anklage ein einziges riesiges Schneeballsystem betrieben.
Vor Gericht stehen zwei weitere Männer, die die Anschuldigungen zurückweisen. Der 43-jährige Präsident des Verwaltungsrats der ASE ist wegen qualifizierter ungetreuer Geschäftsbesorgung und Misswirtschaft angeklagt.
Ein ehemaliger, 53-jähriger ASE-Kundenbetreuer bei der Basler Kantonalbank muss sich wegen des Vorwurfs der Gehilfenschaft zu gewerbsmässigen Betrugs verantworten.
Erst im Verlauf der Woche werden die drei Anklagten vom Gericht befragt. Die Anträge der Staatsanwaltschaft und der Pflichtverteidiger sind noch nicht gestellt. (sda)