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Weil ihre Praxen geschlossen bleiben, haben Erziehungs-Fachpersonen jetzt Zeit. Eine Stiftung hat sich entschlossen, den Eltern Gratis-Beratung per Telefon anzubieten.
Eigentlich würden sie jetzt Kinder, die in ihrer Bewegungsentwicklung verzögert sind, in ihren Praxen betreuen. Sie würden sie spielerisch fördern und Bewegungsübungen machen. Doch die Praxen der Psychomotorik-Therapeutinnen sind leer. Wegen Corona dürfen sie keine Kinder mehr empfangen.
So ergeht es auch den Psychomotorik-Therapeutinnen der Aargauer Stiftung etuna. Mit ihren Klienten stehen sie jetzt per Telefon und via Internet in Kontakt. Doch sie wollen mehr tun. Die Stiftung wird deshalb ein kostenloses Beratungstelefon für Eltern einrichten. «Wir haben so viel Fachwissen, wir möchten es in dieser schwierigen Situation zur Verfügung stellen», sagt Irma Haug, Leiterin der Abteilung Psychomotorik der Stiftung. Das Angebot richtet sich an alle ratsuchenden Eltern von Kindergarten- und Primarschulkindern und soll aufrechterhalten werden, bis die Schulen wieder öffnen.
Die Therapeutinnen können zum einen ganz allgemeine Tipps für den Alltag geben, erklärt Haug. Was für Tagesstrukturen könnten in dieser aussergewöhnlichen Situation Sinn machen? Darüber hinaus geben sie ganz konkrete Tipps: Bewegungsübungen für das Gleichgewicht oder die Koordination zum Beispiel, oder auch Spiele, um die Konzentration des Kindes zu fördern. «So können die Kinder auch zu Hause gezielt in ihrer Entwicklung gefördert werden», sagt Haug.
Und schliesslich möchten die Therapeutinnen auch Eltern, die sich zu Konflikten aussprechen möchten, unterstützen. «Wir haben viel Erfahrung damit, Eltern genau zuzuhören, Situationen zu entwirren und neue Blickwinkel einzubringen», sagt Haug.
Die Antworten auf die Fragen der Eltern werden jeweils sehr individuell ausfallen, so Haug weiter: «Wir fragen nach der aktuellen Situation, dem Alter und der Interessen der Kinder, wir klären ab, welche Möglichkeiten sich bei ihnen zu Hause überhaupt bieten und welche Materialien vorhanden sind. Wir möchten die Eltern möglichst konkret unterstützen können.»
Einige Fragen, die sich vielleicht stellen könnten, hat Irma Haug uns bereits beantwortet:
Wie wichtig sind Tagesstrukturen für Kinder? Und ganz konkret: Was für Strukturen machen Sinn?
Klare, dem Kind bekannte Tagesstrukturen sind ganz wichtig. Sie geben ihm Halt und Sicherheit. Dazu gehören auch eine feste Aufsteh- und Schlafenszeit. Nehmen sie die Hauptmahlzeiten mit ihren Kindern ein. Vereinbaren sie eine Lernzeit. Eine Fernsehzeit. Eine Zeit, in der Sie sich mit dem Kind beschäftigen und eine Zeit, in der es sich allein beschäftigen muss. Wie stark strukturiert werden muss hängt auch von der Persönlichkeit des Kinds und seinem Alter ab.
Wie beschäftige ich die Kinder, damit ich ungestört eine Zeit lang arbeiten kann?
Das lässt sich nicht allgemein beantworten. Das hängt sehr von der Persönlichkeit des Kinds ab, sowie von seinen Interessen und von seiner Fähigkeit, sich allein zu beschäftigen. Erklären Sie dem Kind, warum sie eine Weile nicht gestört sein wollen. Fragen Sie sich: in was kann sich mein Kind vertiefen? Auf welche Anregungen spricht es an? Wie lang kann es an etwas dranbleiben? Das sind auch Erfahrungswerte, die sich verändern. Geben Sie ihm ganz klare Aufgaben, die es ein bisschen herausfordern und die es auch erfüllen kann.
Was mache ich, wenn es aufgrund der ständigen Nähe irgendwann zu Stress kommt?
Konflikte gehören zum Leben, insbesondere in so anspruchsvollen Situationen. Hilfreich ist es, sich in einer ruhigen Minute (allein oder auch gemeinsam mit dem Kind) zu fragen: In welchen Situationen kommt es zum Konflikt? Was kann ich dazu beitragen, dass es zu weniger Konflikten kommt? Dass der Konflikt kein kleiner Weltuntergang wird? Ist der Konflikt da, Machtkämpfe vermeiden. Das Verhalten dann ansprechen, wenn die Situation sich beruhigt hat. Erwartungen klarstellen. Versöhnen. Das Kind muss spüren, dass die Eltern das Verhalten nicht tolerieren aber die Liebe unangetastet bleibt. Und: Sorgen Sie auch für ihre eigene Entspannung.
Wo bekomme ich Unterstützung, wenn ich vielleicht nach zwei Wochen überfordert bin mit der Situation?
Vernetzten Sie sich mit der Familie, Freunden, Bekannten, das ist in der heutigen Zeit sehr gut ohne physischen Kontakt möglich. Reden Sie über das, was schwierig ist, holen Sie sich Zuspruch und Rat. Sie sind nicht allein mit Ihrer Situation.
Was mache ich, damit das Kind nicht dauernd vor dem Fernseher sitzt?
Vereinbaren Sie mit dem Kind eine zeitlich begrenzte Fernseh- oder Bildschirm-Zeit. Besprechen sie im Voraus, welche Filme die Kinder schauen dürfen. Wenn Sie unbedingt eine lange, störungsfreie Zeit brauchen, darf die vereinbarte Fernsehzeit auch mal überzogen werden. Aber treffen Sie diese Entscheidung dann ganz bewusst. Schaffen Sie Ausgleich mit Bewegung und Spiel.
Hinweis: Mehr Infos unter www.etuna.ch. Das Beratungstelefon ist von Montag bis Freitag, 8.00 bis 12.00 Uhr und 13.00 bis 17.00 Uhr besetzt: 079 558 58 74.