Polizeibilanz
Corona verändert die Kriminalität und fordert die Polizei: Fokus lag 2021 auf Online- und Kreditbetrug, Rasern und Autoposern und Demonstrationen

Der Rückblick auf das zweite Coronajahr zeigt: Die Pandemie bindet auch bei der Kantonspolizei Aargau viele Ressourcen. 2021 brachte erstmals seit Jahren wieder mehr Einbrüche, aber auch eine Zunahme der Online-Kriminalität. Gross war der Aufwand für die Kontrolle von Covidmassnahmen und die Einsätze bei Skeptiker-Demonstrationen.

Dominic Kobelt Jetzt kommentieren
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Corona beschäftigte die Kantonspolizei Aargau gleich mehrfach, unter anderem wegen Demonstrationen wie hier am 8. Mai in Aarau.

Corona beschäftigte die Kantonspolizei Aargau gleich mehrfach, unter anderem wegen Demonstrationen wie hier am 8. Mai in Aarau.

Raphael Huenerfauth / www.huenerfauth.ch

Die Kantonspolizei Aargau hat an einer Medienkonferenz erklärt, mit welchen Aufgaben sie im vergangenen Jahr beschäftigt war, in welchen Bereichen die Verantwortlichen eine positive Entwicklung ausmachen und welche ihnen Sorge bereiten. Das sind die wesentlichen Punkte:

Corona: Pandemiesituation beschäftigt Beamte, das Klima wird gehässiger – Betriebe verhalten sich grösstenteils vorbildlich

Regierungsrat Dieter Egli ist im Aargau für die Polizei zuständig.

Regierungsrat Dieter Egli ist im Aargau für die Polizei zuständig.

Fabio Baranzini

«Öffentliche Personen werden bedroht, mit Gewalt, ja manche sogar mit dem Tod», sagt Polizeidirektor Dieter Egli mit Besorgnis. Die Polizei sorge in dieser Situation dafür, dass der Rechtsstaat seine Glaubwürdigkeit behalte. «Institutionen werden in Frage gestellt, der Ton wird rauer – die Pandemie hat das Potenzial, die Gesellschaft zu spalten.»

In diesem Zusammenhang bedankte er sich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kantonspolizei für ihren Einsatz. Die Polizei sei stark damit beschäftigt gewesen, die Corona-Massnahmen zu kontrollieren. Auch dort sei es zu Drohungen, Beleidigungen und sogar Gewalt gekommen. Egli bezieht sich dabei auch auf die Demonstration in Aarau, die im Mai stattgefunden hat.

«Die Polizei hat besonnen gehandelt und deeskalierend gewirkt.» Nebst den Einsätzen an Demonstrationen im Aargau hat die Kapo auch Corps in Solothurn und Bern unterstützt, erklärte Heinz Meier, Abteilungschef der Stationierten Polizei. Zudem hätten die Kontrollen im Zusammenhang mit der Covid-19-Gesetzgebung Ressourcen gebunden. Meier stellt fest:

«Mehrheitlich haben sich die Betriebe vorbildlich verhalten und die Massnahmen sehr gut umgesetzt».
In der ganzen Schweiz wurde für die Benutzung der Innenräume von Restaurants die Zertifikatspflicht verordnet – hier werden die Zertifikate im September in der Aarauerstube in Aarau kontrolliert.

In der ganzen Schweiz wurde für die Benutzung der Innenräume von Restaurants die Zertifikatspflicht verordnet – hier werden die Zertifikate im September in der Aarauerstube in Aarau kontrolliert.

Chris Iseli / AGR

Seit Beginn der Pandemie gab es rund 2500 eingehende Kontrollen, bei denen Betriebe mittels Checkliste eingehend überprüft wurden. Davon fanden allerdings die meisten schon 2020 statt. Kapo und Repol haben 3200 Ordnungsbussen ausgesprochen und etwa 350 Verzeigungen an die Staatsanwaltschaft weitergegeben. Nur in etwa einem Dutzend der Fälle kam es zu vorübergehenden Betriebs-Schliessungen, etwa in der Gastronomie oder in Fitness-Centern.

Polizeikommandant Michael Leupold: Einsatzfähigkeit immer gewährleistet.

Polizeikommandant Michael Leupold: Einsatzfähigkeit immer gewährleistet.

Fabio Baranzini

Kommandant Michael Leupold betont, die Einsatzfähigkeit der Kantonspolizei sei permanent gewährleistet gewesen – «was selbstverständlich tönt, war es auch dieses Jahr keineswegs». Dank einer Routine, die sich rasch eingespielt habe, einer hohen Impfquote von über 90% und einem internen Contact-Tracing seien fast keine Ansteckungen registriert worden. «Unsere Einsatzfähigkeit wird aber mit Omikron weiter auf die Probe gestellt», so Leupold.

Verkehrssicherheit: Aargauer Strassen sind so sicher wie noch nie

Eine erfreuliche Bilanz zieht die Kantonspolizei in Sachen Verkehrssicherheit. Auch wenn jeder Verkehrstote einer zuviel sei, bewege sich die Zahl auf einem historischen Tiefstand, und insgesamt seien so wenige Verkehrsunfälle wie noch nie registriert worden, seit diese statistisch erfasst werden. «Sorgen machen uns die Raser und Poser, sie sind wegen der leeren Strassen noch mehr in unseren Fokus gerückt», erklärt der Polizeikommandant. «Wir haben insbesondere in technische Massnahmen investiert, um etwa den Beweis führen zu können, wie schnell gefahren wurde». 203 Fahrzeuge wurden wegen Sicherheitsmängeln oder zu hohen Lärmwerten von der Polizei sichergestellt.

Rudolf Scherer, Abteilungschef der Mobilen Polizei, erläuterte die aktuellen Zahlen: Auch wenn es sich dabei erst um ungefähre Zahlen handelt – die definitive Polizeistatistik liegt erst im März vor – lässt sich sagen dass die totale Zahl der Verkehrsunfälle mit etwa 2320 etwa gleich bleibt, und die Zahl der Schwerverletzten mit 220 leicht gesunken ist. Die Zahl der Todesopfer ist mit 9 zum zweiten Mal einstellig (Vorjahr: 8).

Mitte Juni überschlug sich bei einem Unfall in Würenlingen dieser BMW – insgesamt gab es aber wenige Schwerverletzte und Todesopfer.

Mitte Juni überschlug sich bei einem Unfall in Würenlingen dieser BMW – insgesamt gab es aber wenige Schwerverletzte und Todesopfer.

Zvg / Aargauer Zeitung

Die Zahl der Unfälle mit Fahrrädern und E-Bikes ist ebenfalls gesunken, wobei Scherer dafür hauptsächlich Petrus verantwortlich macht: «Das schlechte Wetter hatte sicher einen Einfluss.» Und man dürfe nicht vergessen, dass immer noch jeder zweite Schwerverletzte mit dem Velo oder E-Bike verunfalle. Zugenommen haben die Unfälle mit Motorrädern, von 185 auf 216. Der Anstieg ist allerdings weniger steil als erwartet: «Wegen der Änderung in der Führerausweisregelung gab es sehr viele Neuzulassungen – es waren also viele unerfahrene Motorradlenker unterwegs.»

Trotz der insgesamt erfreulichen Statistik erinnerten die Experten der Kantonspolizei auch daran, dass es immer wieder Einzelfälle gibt, die dieser entgegenstehen: So etwa ein Verkehrsunfall in Mägenwil, der sich im letzten April ereignete: Die Lenkerin eines BMW kam bei einem Unfall trotz modernster Sicherheitssysteme ums Leben. Ein Reh war auf die Fahrbahn gesprungen und hatte die Frontscheibe durchschlagen.

Einbruchskriminalität: Die Umfahrung Brugg zieht Kriminelle an – für andere Hotspots fehlt eine Erklärung

Heinz Meier, Abteilungschef Stationierte Polizei, kam auf eine unerfreuliche Entwicklung zu sprechen. Eine starke Zunahme der Einbrüche breche den Trend der Vorjahre – gerade in den Herbstwochen und über die Weihnachtstage sei ein starker Anstieg in Wohnbereichen festgestellt worden. Haupthotspot bleibt dabei die Stadt Aarau. «Seit der Eröffnung der Südwestumfahrung Brugg macht sich aber auch auf der Achse Hausen-Schinznach ein Anstieg der Einbrüche bemerkbar», erläutert Meier. Auch die A1 habe nach wie vor einen Einfluss auf die Delikte.

2021 wurden im Aargau deutlich mehr Einbrüche verzeichnet als in den Jahren zuvor.

2021 wurden im Aargau deutlich mehr Einbrüche verzeichnet als in den Jahren zuvor.

Imago

In den Herbstwochen und über die Weihnachtstage traf die Polizei auffallen oft auf Personen, die sie als Kriminaltouristen verdächtigte. Besonders viele Einbrüche wurden in Kellerbereiche oder Garagen begangen: Dabei wurden vor allem teure Velos und E-Bikes geklaut.

Warum es wieder zu deutlich mehr Einbrüchen kam, obwohl deren Zahl seit 2014 stetig abgenommen hatte, konnte an der Medienkonferenz der Kantonspolizei niemand erklären – man werde die möglichen Gründe noch eingehend untersuchen. Leupold hielt fest: «Wichtig bei der Verhinderung sind die Hinweise aus der Bevölkerung.»

Gewalt: Am Bahnhof Aarau kommt es nach wie vor am häufigsten zu Schlägereien

Auch die häusliche Gewalt hat in den letzten Jahren stets zugenommen. In den Jahren 2020 und 2021 seien das mehr Fälle also noch im Jahr zuvor. erläutert Meier, und macht dafür die Pandemie mitverantwortlich. In diesem Jahr dürfte gegenüber 2020 nochmals eine leichte Zunahme resultieren. Insgesamt wurden knapp 2500 Fälle registriert. Es sei 2021 aber kein direkter Zusammenhang mit Pandemie-Massnahmen erkennbar, wie dies das Jahr zuvor während des Lockdowns der Fall war. Der Anstieg der Fälle habe sicher einerseits mit dem Bevölkerungswachstum zu tun, aber auch mit der Zusammensetzung der Bevölkerung.

Schlägerei in der Aarauer Altstadt (Rathausgasse) nach dem EM-Finalspiel England-Italien

Schlägerei in der Aarauer Altstadt (Rathausgasse) nach dem EM-Finalspiel England-Italien

Leserreporter / Aargauer Zeitung

Dies zeigt sich auch im öffentlichen Raum. Am häufigsten muss die Polizei am Bahnhof Aarau intervenieren. Grossmehrheitlich gehe es um verbale Streitigkeiten oder Tätlichkeiten. «Vielfach sind es Wiederholungstäter, meist männlich, jung, sehr oft mit Migrationshintergrund», erklärt Meier. In den meisten Fällen seien auch Suchtmittel im Spiel. Die Polizei versucht präventiv und mit vielen Ressourcen, dem zu begegnen.

Cyberkriminalität: Der Enkeltrick wird vom «falschen Polizisten» abgelöst – die Zahlen explodieren

Auch die digitale Straftaten haben im letzten Jahr zugenommen, das ist nicht zuletzt dem boomenden Onlinehandel geschuldet. So sind manche Aargauerinnen und Aargauer auf Kleinanzeigen im Internet hereingefallen, bei denen die entsprechende Wahre nach Bezahlung nicht geliefert wurde. Andere Betrüger bestellten sich Artikel an eine falsche Adresse, und holten sie heimlich ab, ohne sie je bezahlt zu haben.

Sowohl KMU als auch Grossunternehmen sind vermehrt von Ransomware betroffen. Das ist Schadsoftware, die die Daten der Firmen verschlüsselt – um sie wieder zu entschlüsseln verlangen die Kriminellen Geld. Im Schnitt zwischen 50'000 und 100'000 Franken. Die Schadsumme beläuft sich auf einen hohen zweistelligen Millionenbetrag, wobei wir eine hohe Dunkelziffer vermuten, erklärte Markus Gisin, Abteilungschef der Kriminalpolizei.

Cyberkriminelle verschlüsseln auch im Aargau immer öfter Daten von Firmen und geben sie nur gegen ein Lösegeld wieder frei.

Cyberkriminelle verschlüsseln auch im Aargau immer öfter Daten von Firmen und geben sie nur gegen ein Lösegeld wieder frei.

ZVG

Um rund einen Viertel abgenommen haben die Meldungen zum Enkeltrick, bei dem Betrüger sich besonders bei älteren Menschen als Enkel oder anderen Verwandten ausgeben, um Geld zu erhalten. Explodiert sind dafür die Meldungen zu falschen Polizisten. Rund 1200 Meldungen gingen ein. Insbesondere eine hochdeutsch sprechende Frau Schmid, angeblich von der Kantonspolizei Aargau, treibt ihr Unwesen. «Eine solche Person gibt es bei uns nicht», hielt Gisin fest. Bei der Betrugsmasche wird den Opfern erzählt, man habe Hinweise darauf, dass das eigene Heim bald von Einbrechern aufgesucht werden könnte, man solle doch Bargeld und Schmuck einem Polizisten anvertrauen. Dieser falsche Polizist entwendet dann den Opfern ihre Habseligkeiten.

Ebenfalls im Trend sind PC-Support-Anrufe: Dabei gibt sich ein Betrüger als Angestellter eines IT-Unternehmens aus und will Zugang zum PC, und dann auch noch zum E-Banking. «Mit einer gesunden Vorsicht lassen sich solche Betrügereien verhindern», so Gisin.

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