Abstimmung
Politik braucht mehr Transparenz – doch die Juso-Initiative ist riskant

Am 28. September stimmen die Aargauerinnen und Aargauer nebst zwei nationalen auch über die kantonale Volksinitiative der Juso «für die Offenlegung der Politikfinanzierung» ab. Der Leitartikel von Aargau-Redaktor Matthias Küng.

Matthias Küng
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Die Transparenz-Initiative der Juso.

Die Transparenz-Initiative der Juso.

Rolf Schmid

Es ist bemerkenswert, dass es eine aktive Jungpartei geschafft hat, die nötigen 3000 Unterschriften zusammenzutragen. Mit dem Ruf nach Transparenz legen die Juso den Finger durchaus auf einen wunden Punkt: Die Schweiz hat ein Transparenzproblem bei der Parteienfinanzierung. Deswegen steht sie seit Jahren international in der Kritik. Klar ist: Sie muss eine Lösung finden.

Matthias Küng, Politik-Chef Aargau

Matthias Küng, Politik-Chef Aargau

Mathias Marx

Die Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (Greco) empfiehlt der Schweiz, die Finanzierung der politischen Parteien und von Wahlkampagnen gesetzlich zu regeln. Vergleichbare Transparenzvorschriften empfiehlt sie auch für Abstimmungskampagnen.

Ihre Empfehlung wird die Schweiz allerdings nie ganz erfüllen können. Zu komplex ist unsere Abstimmungsdemokratie. In der Schweiz kommen neben den Wahlen in jeder Legislatur viele nationale, kantonale und kommunale Urnengänge dazu. Begleitet werden diese nebst den Parteien auch von jeweils anderen interessierten Verbänden (Beispiel Musik-Initiative), oft von Ad-hoc-Komitees und manchmal gar von Einzelpersonen. In dieser enormen Vielfalt völlige Transparenz zu schaffen, wird mit vertretbarem Aufwand kaum machbar sein.

Die Juso fordern zusätzlich die Offenlegung der Politiker-Interessenbindungen. Die Wählerinnen und Wähler haben ein Recht zu wissen, für welche Gruppierung Politikerinnen und Politiker tätig sind. Diese Forderung ist indessen im aargauischen Grossen Rat bereits erfüllt.

Umstritten und gefährlich für das schweizerische Milizsystem ist die Initiative, weil sie zusätzlich fordert, dass alle Kandidierenden für öffentliche Ämter auf Kantonsebene und für Exekutiv- und Legislativämter auf Gemeindeebene ihr Einkommen und ihr Vermögen offenlegen.

Wer gewählt, muss ab dann jährlich die persönlichen Finanzen neu offenlegen. Mit so einer Bestimmung für finanziell total gläserne Politiker stünde der Kanton Aargau mit Peru (dieses Land kennt unseres Wissens als einziges eine so weitgehende Regelung) weltweit einzigartig da.

Konkret müsste jede Gemeinderätin, jeder Gemeinderat in ihrer/seiner Gemeinde oder Stadt auf den Franken genau offenlegen, was er oder sie verdient. Und wer etwas auf der hohen Kante hat, muss angeben, wie viel.

Und um Missverständnisse und Gerüchte zu vermeiden, würden dann wohl viele freiwillig noch angeben, woher das Vermögen kam. Aber wer macht da noch mit? Für einen Unternehmer wäre es noch problematischer, erhielte damit die Konkurrenz doch wertvolle Informationen über seine Liquidität. Schlimm ist, dass dies auch die Ehepartner der Kandidierenden beträfe, weil sie ja gemeinsam besteuert werden.

Warum überhaupt diese totale Transparenz bei Politikern? Was geht es andere an, wer wie viel verdient und gespart hat? Wer würde abgesehen von Einzelpersonen schon freiwillig seine privaten Einkommens- und Vermögensverhältnisse veröffentlichen?

Bei Berufspolitikern ginge das in Ordnung. Es weiss ja auch jeder, was ein Regierungs- oder Grossrat verdient. Das ist auch richtig so.

Doch die Schweiz lebt ganz besonders auf kantonaler und kommunaler Ebene von Abertausenden von Milizpolitikern. Sie ist für ihr Funktionieren darauf angewiesen. Die Entschädigungen für die verantwortungs- und anspruchsvollen Mandate gerade von Gemeinderäten entsprechen eher einem Taschengeld.

Die über 1000 Aargauer Gemeinderäte leben von den Einnahmen aus ihrer privaten beruflichen Tätigkeit. Was sie privat verdienen und sparen, ist ihre Privatsache.

Müssten die Kandidierenden alles offenlegen, würden sich zahllose fähige Frauen und Männer für solche Ämter gar nicht mehr zur Verfügung stellen. Es ist ja schon schwierig genug, ausreichend fähige Leute für eine Kandidatur zu motivieren.

Letztlich ist die Initiative ein Angriff aufs tief verankerte, kostengünstige und effiziente Milizsystem. Es will doch niemand auf ein Berufspolitikersystem wechseln, das nicht zu finanzieren wäre! Deshalb kann und soll sich der Aargau ein so brandgefährliches Experiment nicht leisten.