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Kanton Aargau
Mehrere hundert Medikamente sind in der Schweiz zurzeit nicht lieferbar. Mit einer Standesinitiative wollen die Grünen Medikamentenmangel verhindern. Sie kritisieren auch die Zulassungsstelle Swissmedic.
Er ging wohl an niemandem vorbei: der Maskenmangel in der Schweiz während der Coronapandemie. Inzwischen ist er überwunden, in kleiner Menge kann man in zahlreichen Geschäften Hygienemasken aller Art kaufen. Doch das Problem, dass medizinische Ressourcen fehlen, ist nicht gelöst – im Gegenteil. Mehrere hundert Medikamente sind momentan in der Schweiz nicht lieferbar. Dazu gehören beispielsweise: Antibiotika, Epilepsiemedikamente, Impfstoffe.
Weil sich die Produktion günstiger Medikamente kaum mehr lohnt, produzieren Pharmafirmen ihre Wirkstoffe immer öfter nur noch an einem Standort. Passiert dort etwas, fehlen weltweit Medikamente.
Um dieses Problem zu lösen, wollen die Aargauer Grünen eine Standesinitiative einreichen. In dieser verlangen sie, dass der Bund die lückenlose Versorgung mit Medikamenten gesetzlich festschreibt. Für eine lückenlose Versorgung, so der Grünen-Sprecher und Arzt Severin Lüscher, brauche es «ausreichende Lagerhaltung» sowie die Produktion von wichtigen Medikamenten in der Schweiz.
Um Pharmafirmen dazu zu bringen, in der Schweiz zu produzieren, seien ausserdem «verbindliche Regeln» notwendig. Gewisse Leistungen könne man von den Pharmafirmen verlangen, meint Lüscher: «Man könnte sagen: Wir geben euch gute Rahmenbedingungen, wenn ihr dafür in der Schweiz Medikamente produziert.»
Anders sieht dies FDP-Grossrätin und Apothekerin Martina Sigg: «Um Firmen vorzuschreiben, wo sie produzieren müssen, bin ich zu liberal.» Nichtsdestotrotz findet sie das Anliegen der Grünen grundsätzlich richtig: «Der Markt muss verändert werden, weil der Kostendruck auf die Produzenten extrem ist.»
Eine Lösung für das Problem mit der Medikamentenversorgung hat die Grossrätin aber nicht. Sie schlägt vor, die Lage «sauber zu analysieren». Man könne auch von den Unternehmen verlangen, ein Medikament an mehreren Standorten zu produzieren – damit nicht ein Medikament fehlt, wenn an einem Standort etwas passiert. «Es gibt noch viele mögliche Wege», sagt Sigg. Dass eine Standesinitiative dafür die richtige Form ist, bezweifelt sie: «Das Gebiet ist Bundeskompetenz, ausserdem laufen schon sehr viele Vorstösse.»
Über die Lösung ist man sich also nicht einig, über einen Teil des Problems hingegen schon: Gemeint sind die Zulassungsverfahren für Medikamente in der Schweiz. Diese dauern im Moment im Schnitt 650 Tage. Das sind 650 Tage, in denen manche Medikamente in der Schweiz nicht zugelassen sind, obwohl sie von der Europäischen Zulassungsstelle bereits geprüft wurden und in der EU zum Verkauf stehen. «Zu lange, zu umständlich und zu undurchsichtig», findet Severin Lüscher die Verfahren der Schweizerischen Zulassungsstelle Swissmedic. Angesichts dessen, dass nicht nur die Schweiz eine Prüfungsstelle mit hohen Standards habe, sondern auch die EU, findet er die Swissmedic «völlig überflüssig». Martina Sigg sieht dies ähnlich: «Ja, die Swissmedic ist oft nicht gerade förderlich.»
Die freisinnige Gesundheitspolitikerin räumt aber ein, die Zulassungsstelle habe in Notfällen auch schon gezeigt, dass sie schnell handeln könne. So war ein Asthmamedikament vor Kurzem, nachdem ein anderes vergriffen war, «ultraschnell» in der Schweiz auf dem Markt, wie Sigg erzählt.
Im Gesamten, meint Sigg, hätten die Prozesse der Swissmedic aber keinen grossen Einfluss auf die Medikamentenversorgung in der Schweiz: «Wenn ein gewisses Medikament schlichtweg nicht genug produziert wird, nützt es auch nichts, wenn die Swissmedic schnell arbeitet.» Für das Problem der Medikamentenversorgung müssen also wohl andere Lösungen her als eine Prozessverbesserung bei der Swissmedic. Ob die Standesinitiative der Grünen dazu beitragen wird, entscheidet als Nächstes der Grosse Rat.