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Matthias Fricker vertrat im Fall Lucie Trezzini den Mörder des Au-Pair-Mädchens als Pflichtverteidiger und weiss, welche Aufgaben auf die Anwältin von Thomas N. zukommen.
Matthias Fricker kennt die Situation, in der sich die Anwältin des Mörders von Rupperswil befindet, aus eigener Erfahrung. Er vertrat im Jahr 2012 den Mörder des Au-Pair-Mädchens Lucie Trezzini als Pflichtverteidiger.
Matthias Fricker: Es ist schwierig, diese Frage zu beantworten, da sie sich nicht konkret gestellt hat. Ich kann nur so viel sagen: Unser Rechtsstaat liegt mir am Herzen und ich bin überzeugt, dass jeder Beschuldigte, welch schreckliche Tat er auch begangen hat, Anspruch auf einen fairen Prozess hat.
Nein, das kann und muss man nicht. Es wäre falsch, wenn man dem Klienten den Eindruck vermitteln würde, man könne seine Tat nachvollziehen oder verstehen. Der Klient soll wissen, was man von seiner Tat hält. Trotzdem sollte man dem Klienten mit Respekt begegnen. Man erklärt ihm, wie das Strafverfahren abläuft und was ihn nun erwartet. Schliesslich erarbeitet man eine Verteidigungsstrategie, wobei der Spielraum im vorliegenden Fall nicht allzu gross sein dürfte.
Auf die Arbeit des Verteidigers sollte sich die Berichterstattung nicht auswirken. Dies ist in einem Fall wie dem vorliegenden nicht einfach. Trotzdem muss man immer versuchen, sich im Gespräch mit dem Beschuldigten ein eigenes Bild zu machen.
Die Aufgaben des amtlichen Verteidigers unterscheiden sich nicht von jenen eines freigewählten Verteidigers. Beide haben die Interessen ihres Klienten bestmöglich zu wahren. Dies bedeutet aber nicht, dass der Verteidiger alles unternehmen muss, was der Klient von ihm verlangt. Verteidigungshandlungen müssen Sinn machen und mit der zusammen mit dem Klienten erarbeiteten und besprochenen Verteidigungsstrategie übereinstimmen. Im vorliegenden Fall wäre ein Haftentlassungsgesuch aussichtslos.
Der Verteidiger ist nicht dazu verpflichtet, aussichtslose Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Eine der wichtigsten Aufgaben des Verteidigers ist, dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte einen fairen Prozess bekommt. Egal, wie grausam und verwerflich eine Tat auch ist, die Vorschriften der Strafprozessordnung sind einzuhalten.
Es ist mir kein Fall bekannt, in welchem sich letztlich kein Verteidiger finden liess. Es gibt eine Pikettliste des Aargauischen Anwaltsverbandes. In der Regel – aber nicht immer – werden amtliche Verteidigungen anhand dieser Liste vergeben.
Grundsätzlich könnte man gezwungen werden, ein Mandat zu übernehmen. Mir ist aber kein Fall bekannt, in dem dies tatsächlich geschehen ist. Ist ein Anwalt nicht bereit, ein Mandat anzunehmen, so wird dies respektiert.
Obwohl der Beschuldigte und sein Verteidiger gemäss Strafprozessordnung für Beweiserhebungen ein Teilnahmerecht haben, geht die herrschende Lehre davon aus, dass der Verteidiger bei der Exploration (Befragung durch den Gutachter, die Redaktion) nicht dabei sein kann. Dies wird damit begründet, dabei handle es sich nicht um eine Beweiserhebung, sondern um die Vorbereitung der Erstellung eines Beweises. Diese Begründung erscheint mir ziemlich abenteuerlich, wenn man bedenkt, welche Bedeutung psychiatrischen Gutachten oft zukommt.
Das sich die Frage nach einer lebenslänglichen Verwahrung stellt, scheint mir mit heutigem Wissensstand klar. Die gesamten Umstände der Tat lassen vermuten, dass der Täter an einer gravierenden Persönlichkeitsstörung leidet. Dazu kommt die sexuelle Komponente der Tat. Es wird sich die Frage der Therapierbarkeit des Beschuldigten stellen. Je nachdem, zu welchem Schluss die Gutachter diesbezüglich gelangen, stehen eine stationäre therapeutische Massnahme zur Behandlung von psychischen Störungen (kleine Verwahrung), eine ordentliche Verwahrung oder eine lebenslängliche Verwahrung im Vordergrund.
Diese Frage kann ich ohne Vorliegen eines forensisch-psychiatrischen Gutachtens nicht seriös beantworten. Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang aber der Hinweis, dass der einzige Unterschied zwischen der ordentlichen und der lebenslänglichen Verwahrung darin besteht, dass die ordentliche Verwahrung regelmässig überprüft werden kann. Sofern sich die Prognose zur Gefährlichkeit der betroffenen Person nicht wesentlich verbessert, kann auch ein ordentlich verwahrter Straftäter bis an sein Lebensende eingesperrt bleiben.
Fehlende Vorstrafen sind gemäss dem Bundesgericht nicht mehr strafmindernd zu berücksichtigen, weil ein deliktfreies Leben vorausgesetzt werden darf. Strafmindernd könnte sich allenfalls eine verminderte Zurechnungsfähigkeit oder ein besonders tragisches Vorleben auswirken. Im Gegenzug ist zu beachten, dass sich beispielsweise die Tatmehrheit (mehrere Taten, die gleichzeitig vor Gericht beurteilt werden, im konkreten Fall zum Beispiel Erpressung, sexueller Übergriff, Mord und Brandstiftung, die Redaktion) stark straferhöhend auswirkt.
Ja, ein Geständnis kann sich strafmindernd auswirken, wenn es nicht erst zu einem Zeitpunkt kommt, wenn die Beweislast ohnehin schon erdrückend ist. Aber auch beim Geständnis gilt, dass andere, straferhöhende Umstände dazu führen können, dass die Strafe im Ergebnis doch nicht tiefer ist.