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Was macht eigentlich ein Notar? Marcel Merz und Martin Ramisberger geben Auskunft über einen weitgehend unbekannten Beruf. Anlass dazu ist das 200-Jahr-Jubiläum der Aargauischen Notariatsgesellschaft.
Ist es wahr, dass man als Notar viel Geld verdienen kann? Wir sitzen in der Kanzlei von Notar Marcel Merz in Möriken-Wildegg. Merz ist seit September 2017 Präsident der Aargauischen Notariatsgesellschaft (ANG), die dieses Jahr 200 Jahre alt geworden ist. Merz nimmt das Jubiläum zum Anlass, um zusammen mit seinem Vorgänger Martin Ramisberger Auskunft darüber zu geben, was Notare tun und warum es sie braucht. «Ich wundere mich immer wieder, wie wenig die Leute über unseren Beruf wissen», sagt Merz.
Die Notare sind eine kleine Berufsgruppe im Aargau. Obschon praktisch jeder hier lebende Mensch im Laufe seines Lebens die Dienste eines Notars braucht, gibt es nur gerade 126 beurkundungsberechtigte Notare im Kanton. Der älteste ist Peter Voser aus Baden. Der 94-Jährige ist noch immer aktiv. In der Jubiläumsschrift der ANG erklärt der Doyen den Unterschied zwischen Anwalt und Notar: «Der Anwalt muss immer Partei ergreifen. Der Notar hingegen muss unabhängig sein. Seine Aufgabe ist es, gute Lösungen zu finden, die zu keinem Prozess führen.»
Die Notare stellen die juristische Grundversorgung sicher, sagt Merz, «sie unterstützen die Menschen bei wichtigen Entscheidungen in ganz unterschiedlichen Lebenslagen.» Meistens mündet die Unterstützung in einen Vertrag oder eine Urkunde. «Der Notar sorgt dafür, dass alle Interessen fair und gleichmässig gewahrt werden», erklärt Merz; daraus resultiere Rechtssicherheit.
Von Gesetzes wegen beigezogen werden muss ein Notar etwa bei Grundstückgeschäften oder Firmengründungen; er setzt aber auch Eheverträge und Testamente auf, amtet als Willensvollstrecker oder er wird in letzter Zeit stark zunehmend bei Vorsorgeaufträgen konsultiert.
Im Aargau gilt das freiberufliche Notariat. Das bedeute, dass der Notar zwar freiberuflich wie ein Arzt oder Architekt tätig sei, aber er habe auch eine hoheitliche Funktion, stehe deshalb unter der Aufsicht des Staates, der auch genau vorgebe, wie viel der Notar für seine Dienstleistungen verlangen dürfe, sagt Martin Ramisberger. Die seit 2013 gültigen Tarife hat der Grosse Rat festgelegt.
So darf ein Notar einen maximalen Stundenansatz von 300 Franken verlangen. Die Gebühr für eine Beglaubigung einer Unterschrift kostet einheitlich 20 Franken; für die Errichtung oder Erhöhung eines Grundpfandrechtes darf der Notar mindestens 200 und höchstens 7500 Franken verlangen und für die Beurkundung von Verträgen zur Eigentumsübertragung höchstens vier Promille bis zu einer Summe von 600'000 Franken.
Lange Zeit war der Beruf des Notars allein Sache von Männern. 1943 wurde die erste Frau im Aargau als Notarin patentiert, die zweite folgte erst 1981. Heute gibt es immerhin 19 Notarinnen im Kanton, Tendenz steigend: «Bei der Notariatsprüfung 2014 waren vier der sechs erfolgreichen Kandidaten Frauen», sagt Ramisberger und verweist darauf, dass der Beruf des Notars eben auch attraktiv sei, weil er selbstbestimmt und in Teilzeit ausgeübt werden könne.
Recherchen zeigen zudem, dass Notarinnen auch eine neue Qualität in die Beratung bringen: Sie sprechen in der Regel offener über emotionale Befindlichkeiten. Das kann etwa bei kompliziert verstrickten familiären Situationen wie sie zum Beispiel bei Erbteilungen immer wieder vorkommen, hilfreich sein.
Jeder Grundstück- und Immobilienhandel im Aargau muss von einem Aargauer Notar beurkundet werden. Ausserkantonale Notare haben dazu keine Berechtigung. Umgekehrt bleiben die Aargauer Notare in diesem Bereich auf den Aargau beschränkt. Die schweizweite Freizügigkeit sei immer wieder ein Thema, sagt Merz; ob und wann sie eingeführt werde, sei nicht klar; die ANG verfolge die Entwicklung aber aufmerksam. Ramisberger sieht in der heutigen Regelung vor allem einen Vorteil: «Der Notar ist mit den lokalen Verhältnissen bestens vertraut, kennt die örtlichen Bauvorschriften und Eigenheiten.» Eine schweizweite Freizügigkeit bedinge eine Harmonisierung der Ausbildung und der Tarife.
Nein, sagt Merz, man konkurrenziere sich nicht. Im Gegenteil. Es gebe so viel zu tun, dass er immer wieder aus Zeit- und Kapazitätsgründen Klienten an Kollegen verweise. Dann zeichnet er eine Kurve, die zeigt, was auf die ANG zukommt: Die Generation der Babyboomer wird nach und nach pensioniert. «Schon bald fehlen im Aargau 30 Notare», sagt Merz. Der Kanton braucht Notar-Nachwuchs.
Was macht einen guten Notar aus? «Es braucht eine solide juristische Grundausbildung», sagt Merz. Seit 2013 ist ein Studium mit Masterabschluss obligatorisch. Ein guter Notar verfüge zudem über ein feines didaktisches Sensorium: «Wenn er dem Kunden etwas erklärt, muss er erkennen, was hat er verstanden, was muss ich wiederholen, was macht ihm Sorgen?» Und: «Ein guter Notar ist gerne mit Menschen zusammen.» Die Ausbildung ist anspruchsvoll und mündet nach Studium und Praktika in die aargauische Notariatsprüfung. Und die gilt als besondere Herausforderung. Immer wieder gibt es Jahre, in denen kein Kandidat besteht. Aber, so Merz, «jeder Kandidat hat drei Versuche.»
«Die Veränderung der Gesellschaft verändert auch den Beruf der Notare», sagt Merz. Er nennt die Digitalisierung, die eine neue Arbeitsweise möglich mache, aber auch neue Tätigkeitsfelder, welche die virtuelle Welt den Notaren bringe: «Da stellen sich ganz neue Fragen, etwa, wie regeln wir den Umgang mit den persönlichen Daten im Netz, wenn jemand gestorben ist? Wer bestimmt, was gelöscht wird und was bleibt?»
Doch zurück zur Anfangsfrage: Stimmt es, dass man als Notar viel verdienen kann? Notar Merz und Notar Ramisberger schauen sich kurz an, dann sagt Merz. «Der Beruf gewährt ein gutes Einkommen, wie andere Berufe mit einer universitären oder höheren Fachausbildung auch. Aber nur so lange, als der Notar seinen Job auch wirklich gut und mit viel Engagement macht. Jede Notarin, jeder Notar trägt eine grosse Verantwortung.»