Grosser Rat
Nebengeräusche zu Richterwahlen: Droht ein Eklat wie vor drei Jahren?

Das Auswahlverfahren für den Ersatz von Oberrichtern ist streng, aber nicht sehr transparent. Die Justizkommission unterbreitet ihren Wahlvorschlag anders als bislang üblich ohne zustimmende Empfehlung des Ratsbüros.

Urs Moser
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Das Aargauer Obergericht: Für manche Grossräte bleibt beim Auswahlverfahren für die Richter zu viel im Dunkeln.

Das Aargauer Obergericht: Für manche Grossräte bleibt beim Auswahlverfahren für die Richter zu viel im Dunkeln.

Emanuel Per Freudiger

Für den 6. Dezember ist im Grossen Rat ein Wahlgeschäft traktandiert: Die Oberrichter Hansjörg Geissmann und Alfred Schwartz treten nächstes Jahr in den Ruhestand und müssen ersetzt werden. Was auffällt: Die Justizkommission unterbreitet ihren Wahlvorschlag anders als bislang üblich ohne zustimmende Empfehlung des Ratsbüros.

Nach dem Grund gefragt, äussert sich Grossratspräsident Marco Hardmeier äusserst diplomatisch: Das Büro gebe dann eine Stellungnahme ab, wenn es erstens auch wirklich zuständig und zweitens überhaupt in der Lage sei, sich inhaltlich zu äussern. Zuständig ist man insofern, dass das Büro gemäss Geschäftsordnung grundsätzlich alle Wahlgeschäfte des Grossen Rats «vorbereitet». Auch wenn die Justizkommission ihre Anträge neu direkt ans Plenum und nicht via Ratsbüro stellt.

Deutet die fehlende Stellungnahme darauf hin, dass sich ein Eklat wie vor drei Jahren anbahnen könnte? Damals wurde ein amtierender Oberrichter bei den Gesamterneuerungswahlen abgewählt, nachdem im Vorfeld Kritik an seiner Geschäftsführung und einem zu leichtfertig ausgesprochenen Vertrauen laut geworden war. Die Justizkommission musste darauf nach bereits erfolgtem Wiederwahl-Antrag noch einmal einen Zusatzbericht zur Qualifikation abliefern und das Ratsbüro verweigerte dem Oberrichter dann tatsächlich die Wahlempfehlung.

«Auf Herz und Nieren geprüft»

Franz Hollinger (CVP), Präsident der Justizkommission, weist solche Spekulationen weit von sich. Im Gegenteil habe man die anstehenden Ersatzwahlen «so gründlich vorbereitet und die Kandidaten auf Herz und Nieren geprüft», dass sich eine weitere Beurteilung durch die Ratsleitung erübrige. Aus den Fraktionen hört man zwar auch kaum mehr als vage Andeutungen, die weisen allerdings in eine andere Richtung.

Die Berichterstattung der Justizkommission zu Richterwahlen müsse vielleicht noch etwas anders ausgestaltet werden, da habe man das richtige Mass noch nicht ganz gefunden, meint Kathrin Scholl, Co-Präsidentin der SP-Fraktion. Die Entscheidfindung zugunsten der vorgeschlagenen Kandidaten müsse noch besser nachvollziehbar werden, man trage als Ratsbüro schliesslich eine Verantwortung und könne solche Geschäfte nicht einfach durchwinken, sagt CVP-Fraktionschef Peter Voser zur fehlenden Wahlempfehlung.

Die zurückhaltenden Äusserungen überspielen, dass es ganz offensichtlich durchaus handfestere Auseinandersetzungen zwischen der vorbereitenden Justizkommission und den Fraktionsspitzen gab, bevor das Wahlgeschäft schliesslich ohne Kommentar des Ratsbüros auf die Traktandenliste gesetzt wurde. So soll zwar nicht die Qualifikation der vorgeschlagenen Kandidaten in Zweifel gezogen, aber eine mangelnde Transparenz des Auswahlverfahrens kritisiert worden sein, heisst es aus Kreisen der Ratsmitte, die sich nicht namentlich zitieren lassen wollen.

Einsicht in die Assessment-Berichte und andere Informationen zum Auswahlprozess hätten Mitglieder des Ratsbüros vergebens verlangt, während die Justizleitung unter dem Vorsitz des Obergerichtspräsidenten sehr wohl über all diese Detailinformationen verfügt habe. Das lässt bei manchen Grossräten ein ungutes Gefühl aufkommen: Können sie als Wahlbehörde nur Kandidaturen abnicken oder können sie sich wirklich sicher sein, dass letztlich sie und nicht eher das Richtergremium selbst seine Zusammensetzung steuert?

Die Wahlvorschläge sind unter diesem Aspekt zumindest interessant. Bei der Besetzung von Oberrichter-Stellen spielt auch der Parteienproporz eine Rolle. Für das frei werdende 100-Prozent-Pensum unterbreitet die Justizkommission einen Einervorschlag und beantragt daher die Wahl von Lukas Cotti, einem SVP-Mann, in stiller Wahl.

Der Badener Gerichtspräsident stach offenbar fachlich aus den anderen Kandidaturen heraus, und auch der SVP-Anspruch ist unbestritten. Für den zweiten, mit einem 90-Prozent-Pensum dotierten Posten gibt es hingegen einen Zweiervorschlag. Beide Kandidaturen seien ebenbürtig, heisst es dazu. Ausgeschrieben worden waren die Stellen lange vor den Grossratswahlen, und auch der Wahlvorschlag lag bereits vor den Wahlen vor. Da war die GLP am Obergericht noch unter-, die SP übervertreten.

Nach neuer Zusammensetzung des Grossen Rats wäre es umgekehrt. Bei der Stellenausschreibung war ausdrücklich auf eine Berücksich-tigung der untervertretenen Parteien hingewiesen worden. Trotzdem wurde dann bei gleicher Eignung neben der grünliberalen Kandidatin Antonia Fischer auch SP-Mann Matthias Lindner auf den Wahlvorschlag gesetzt - er ist als Gerichtsschreiber am Obergericht tätig, also quasi ein Eigengewächs.