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Kanton Aargau
Vogelbeobachter freuen sich, wenn sie am Flachsee im Aargauer Reusstal seltene Arten vor den Feldstecher bekommen. Doch in den letzten Jahren gab es dort auch Konflikte um ausgerissene Zoovögel, futtersuchende Tiere auf den Feldern von Landwirten oder Arten, die es auf die Fischbestände abgesehen haben.
Der landesweit wohl berühmteste Vogel, der je am Flachsee beobachtet wurde, war ein Chile-Flamingo, der Anfang 2010 aus dem Zoo Zürich ausgerissen war. Tagelang hielt sich der Vogel im Naturschutzgebiet im Reusstal zwischen Rottenschwil und Unterlunkhofen auf – bis er schliesslich von einem Jagdaufseher abgeschossen wurde.
Für den Abschuss gaben die Jagdbehörden zwei Gründe an: Erstens werden im Aargau gebietsfremde Vögel von Gesetzes wegen gejagt, zweitens wäre «der Hungertod für den Flamingo nur eine Frage der Zeit gewesen», sagte der damalige kantonale Jagdverwalter der AZ.
Der Abschuss warf danach hohe Wellen, er führte zu einem politischen Vorstoss im Grossen Rat und zu einer Aufsichtsanzeige von Tierschützer Peter Suter gegen Altermatt. Der Regierungsrat stärkte dem Jagdverwalter den Rücken und hielt in seiner Antwort fest, eine Einfangaktion für den Flamingo wäre zu aufwendig gewesen.
Nicht abgeschossen wurde eine Gruppe von Rosaflamingos, die im Sommer 2011 am Flachsee rastete. Anders als beim Vogel ein Jahr zuvor handelte es sich nicht um ausgerissene Zootiere, sondern um wild lebende Flamingos. «Sie sind selber eingeflogen und werden auch wieder weiterziehen», sagte der kantonale Fischereiaufseher damals.
Knapp zwei Jahre davor, im März 2008, hatte der Abschuss von sechs Höckerschwänen rund um den Flachsee für Aufsehen und Kritik gesorgt. Weil die Schwäne von Spaziergängern gefüttert wurden, hatte sich ihre Population derart vermehrt, dass sie beträchtliche Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen anrichteten. Zudem setzten sie ihren Kot auf den Feldern der Bauern ab, was ebenfalls zu Problemen führte.
Auch damals gab es kritische Fragen im Grossen Rat, die Regierung schrieb in der Antwort auf eine Interpellation: «Der gewünschte Erfolg konnte nachgewiesen werden, die Schadensituation konnte wie beabsichtigt kurzfristig entschärft werden». Und es gab weitere Opposition: Der Verein zum Schutze der bedrohten Wildtiere stellte am Karfreitag 2008 am Flachsee einen Kranz zum Gedenken an die abgeschossenen Schwäne auf.
In der Öffentlichkeit weniger bekannt und deswegen wohl auch weniger umstritten waren Abschüsse von Graugänsen, die am Flachsee in den frühen 2000er-Jahren ebenfalls in grosser Zahl auftraten. Ab dem Jahr 2003 wurden einzelne Exemplare geschossen, um die Schwärme zu vergrämen – also von Futtersuche und Verkoten der Felder abzuhalten.
Die Ergebnisse mit der Jagd auf die Gänse seien bisher gut, erklärte der Aargauer Jagdverwalter, als 2008 die Diskussion um Abschüsse von Schwänen aufkam. Man habe das Problem mit der Massnahme, die von der lokalen Jagdgesellschaft im Auftrag des Kantons durchgeführt wurde, in den Griff bekommen.
Ein weiteres Problem ergab sich im Aargauer Reusstal mit Kormoranen – den schwarzen Wasservögeln, die unter anderem auf kahlen Bäumen am Flachsee leben und auch weiter flussaufwärts fleissig fischen. Im Magazin Umwelt Aargau vom Februar 2005 ist nachzulesen, dass es die damals geschützten Kormorane auf die Äsche abgesehen hatten, die zu den gefährdeten Fischarten der Schweiz zählt.
Der Aargauische Fischereiverband und der Verband Aargauischer Natur und Vogelschutzvereine einigten sich 2001 auf eine gemeinsame Strategie. Eine flächendeckende Vertreibung der Kormorane an den Flüssen stand dabei nicht zur Diskussion, an der Reuss zwischen der Brücke bei Mühlau und der Kantonsgrenze Luzern wurden die Vögel aber vertrieben, um die Fische zu schonen. Die Jagdgesellschaften erhielten damals den Auftrag, mit Einzelabschüssen von Kormoranen diese Vergrämung zu unterstützen.
«Grundsätzlich sind wir sehr zurückhaltend mit Abschüssen innerhalb des Wasser- und Zugvogelreservats», hält Erwin Osterwalder, Fachspezialist Jagd und Fischerei beim Kanton, auf Anfrage fest. Dank der Infotafeln zur Wasservogelfütterung, dem Verbot der Fütterung in allen Wasser- und Zugvogelreservaten seit 2015 und der Aufklärungsarbeit des zuständigen Reservatsaufsehers habe sich der Höckerschwan-Bestand am Flachsee normalisiert und sei grundsätzlich kein Problem mehr.
Die Population der Graugänse nehme zwar zu, «dank der Einzäunung von gefährdeten Kulturen direkt am Wasser durch den Reservatsaufseher mussten in den letzten Jahren aber keine Abschüsse getätigt werden», sagt Osterwalder. Entspannt hat sich auch die Situation beim Kormoran: Da die fischfressenden Vögel seit einigen Jahren offiziell bejagt werden dürfen, seien Abschüsse innerhalb des Wasser- und Zugvogelreservats am Flachsee zurzeit nicht nötig, sagt Osterwalder.