Auf Einladung des Aargauer Seniorenverbands debattierten Franz Immer, Direktor von Swisstransplant und der Facharzt für innere Medizin Alois Beerli, zur «erweiterten Widerspruchslösung» bei Organspenden.
Im Naturama in Aarau lud der Aargauer Seniorenverband (ASV) im Vorfeld der Abstimmung am 15. Mai zum Informationsanlass zum Transplantationsgesetz ein. Esther Egger, ehemalige Mitte-Grossrätin und Präsidentin des ASV, betonte vorab die Notwendigkeit, das Thema zu diskutieren. «Es ist wichtig, dass sich unsere Gesellschaft überhaupt damit befasst», sagte sie.
Die Schweizer Stimmbevölkerung entscheidet am 15. Mai an der Urne, ob die sogenannte «erweiterte Widerspruchslösung» eingeführt werden soll oder nicht. Diese sieht vor, dass künftig jede Person zu Lebzeiten festhalten muss, wenn sie alle oder einzelne ihrer Organe nicht spenden will. Wer also seinen Willen nicht im Register des Bundes dokumentiert, gilt nach seinem Tod als Organspender. Bis anhin gilt im Transplantationsgesetz die «Zustimmungslösung», das heisst, nur wer explizit zustimmt, spendet seine Organe.
Über Für und Wider zur möglichen Gesetzesänderung wurde mit zwei eingeladenen Rednern aus den beiden Abstimmungslagern debattiert.
Der Informationsbedarf bei den Mitgliedern des Seniorenverbands war spürbar gross. Im Zentrum stand aber dennoch die Debatte rund um die kommende Abstimmung. Der Facharzt für innere Medizin Alois Beerli, Präsident der Ärzte und Pflegefachpersonen gegen Organspende am Lebensende, ist Mitglied des Referendumskomitees, das sich gegen die erweiterte Widerspruchslösung engagiert.
Beerli argumentierte mit einer Mehrbelastung der Angehörigen von Sterbenden, wenn diese für sie entscheiden müssten, ob die sterbende Person Organe spenden wird oder nicht. «Der gesetzliche Paradigmenwechsel erzeugt eine gesellschaftliche Norm, die es für die Angehörigen deutlich schwieriger macht, in einer solchen Situation Nein zur Organspende zu sagen», sagte Beerli.
Auch sei, bei einer Annahme der «erweiterten Widerspruchslösung» am 15. Mai, kaum ein Anstieg der für eine Transplantation zur Verfügung stehenden Organe zu erwarten, so Beerli. Dabei verwies er auf eine vom Bundesamt für Gesundheit in Auftrag gegebene Untersuchung, die dem Willensäusserungsmodell mit Blick auf die Spenderate keinen Einfluss attestierte.
Gegen diese Argumentation stellte sich Franz Immer, Direktor von Swisstransplant und Facharzt für Herz- und Gefässchirurgie, der die Änderung des Transplantationsgesetzes unterstützt. «Bei 60 Prozent der Menschen in der Schweiz ist die Haltung zur Spende eines Organs unbekannt», sagte Immer.
Frankreich kenne die Widerspruchslösung indessen seit fast 40 Jahren. Und nur 0,7 Prozent der Bevölkerung des Nachbarlands sprächen sich gemäss dem Register gegen die Organspende aus. Die Ablehnungsrate von Seiten der Angehörigen läge bei 25 Prozent. «Wir wollen genau diese 25 Prozent der Menschen, die nicht spenden wollen, dazu auffordern, sich zu äussern», sagte Immer. Die Selbstbestimmung sei somit der Hauptgrund, wieso man das System jetzt ändern wolle.
Das Ziel sei auch in der Schweiz ein «Ja zum Leben», denn jede Woche stürben im Schnitt zwei Menschen in der Schweiz, weil sie keine Organtransplantation aufgrund der tiefen Spenderate bekämen. Auch würden die Angehörigen entlastet, denn so könne ihnen eine schwere Entscheidung in einer schweren Situation abgenommen werden, wenn sich die verstorbene Person im Vorfeld zur Organspende geäussert habe.
Der Aargauer Seniorenverband hat derweil keine Parole gefasst. «Es ist ein so heikles, kontroverses Thema, dass wir die Menschen selber entscheiden lassen wollen», sagte ASV-Präsidentin Egger. Man habe deshalb einfach informieren wollen und bewusst Redner beider Lager zum Anlass eingeladen. Der Schweizerische Seniorenverband derweil sprach sich klar für die Änderung des Transplantationsgesetzes aus.
Sowohl die Organspende-Initiative als auch der indirekte Gegenvorschlag werden von National- und Ständerat zur Annahme empfohlen. Bei den 16 Aargauer Nationalräten und Nationalrätinnen ist die Initiative derweil nicht mehrheitsfähig. Nur sechs Nationalrätinnen und Nationalräte stimmten Ja. 12 der 16 Aargauer Nationalrätinnen und Nationalräte (SP, Grüne, EVP, GLP, Die Mitte und FDP geschlossen) unterstützten dafür aber den Gegenvorschlag.
Thomas Burgherr, Benjamin Giezendanner, Andreas Glarner und Alois Huber (alle SVP) lehnten dagegen wie die Mehrheit ihrer Fraktion ab. Martina Bircher und Stefanie Heimgartner (beide SVP) scherten aus und stimmten zu.