Aargauer Katholikinnen
«Nackte Frauen? Wir brauchen solch billige Propaganda gar nicht»

Pia Viel, die neue Präsidentin des Aargauischen Katholischen Frauenbundes (AKF), will sich nicht als Feministin bezeichnen.

Nicola Imfeld
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Pia Viel will sich für Frauen jeglicher Glaubensrichtung einsetzen.

Pia Viel will sich für Frauen jeglicher Glaubensrichtung einsetzen.

Sandra Ardizzone

Frau Viel, Sie wurden zur neuen Präsidentin des AKF gewählt. Was wird sich für die Frauen im Aargau ändern?

Pia Viel: Ich möchte mich für die Gleichstellung von Frau und Mann in der Kirche, der Politik und der Gesellschaft einsetzen. Manchmal kommt es mir vor, als wären wir noch keinen Schritt weiter als bei der Einführung des Frauenstimmrechts.

Mit diesen Anliegen sind Sie nicht alleine. Feminismus ist im Trend.

Ich bezeichne mich nicht als Feministin. Ich würde kein pinkfarbenes «Pussyhat» anziehen und auf die Strasse demonstrieren gehen .

Warum nicht?

Weil ich lieber im Hintergrund arbeite und nach Lösungen suche. Verstehen Sie mich aber nicht falsch. Ich finde es richtig, dass die Frauen für ihre Rechte einstehen.

Mitglieder der Juso haben vor dem Women’s March in Zürich halbnackt für ein Foto posiert und dabei ihre BHs verbrannt. Was halten Sie von dieser Aktion?

Ich habe die Symbolik nicht ganz verstanden und fand es kontraproduktiv. Dieses Foto impliziert doch ein völlig falsches Bild der Frau. Wir brauchen solche billige Propaganda gar nicht, um uns Gehör zu verschaffen.

Offenbar braucht es in der Wirtschaft aber Frauenquoten.

Dieser Trend geht in die falsche Richtung. Die Frauen sollen sich ihre Karrieren selber erarbeiten. Wir brauchen keine Frauenquoten, damit die Männer ihren Platz für uns räumen. Anstatt solche Nebenschauplätze zu bespielen, sollten wir besser gegen die tatsächlichen Missstände und Ungerechtigkeiten ankämpfen.

Und die wären?

In den KMU werden Frauen für die gleiche Arbeit immer noch schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Das darf nicht sein! Auch beim Wiedereinstieg ins Berufsleben gibt es noch viel zu tun. Für eine Hausfrau – oder einen Hausmann – gestaltet sich die Rückkehr ins Erwerbsleben schwierig. Ihre Arbeit wird nicht angerechnet.

Wie wollen Sie das ändern?

Man sollte für die Familien- und Hausarbeit eine Arbeitsbestätigung erhalten. Letztlich ist das ja wie ein Beruf, nur kann man nicht von heute auf morgen kündigen. Die Verantwortungen einer Hausfrau oder eines Hausmanns sind enorm: Sie sind für die Erziehung der Kinder, organisatorische Aufgaben, Handwerksarbeiten und vieles mehr verantwortlich.

Pia Viel, Präsidentin des AKF. Portrait der Präsidentin des Aargauischen Katholischen Frauenbundes, Pia Viel.

Pia Viel, Präsidentin des AKF. Portrait der Präsidentin des Aargauischen Katholischen Frauenbundes, Pia Viel.

Sandra Ardizzone

Sie sind verheiratet und haben zwei erwachsene Kinder. Wer blieb in Ihrer Familie zu Hause?

Ich übernahm diese Aufgabe, weil mein Mann aus beruflichen Gründen für die damalige ABB viel im Ausland tätig war. Als meine Kinder älter wurden, habe ich mich im Dorf politisch engagiert. Da habe ich bemerkt, dass sich Frauen zu wenig für die Politik interessieren.

Weil sie auch in der Politik benachteiligt sind?

Nein. Frauen haben in der Politik dieselben Chancen wie die Männer. Leider interessieren sie sich nicht für politische Themen und stimmen seltener ab. Das ist schade, denn ihre Meinung ist wertvoll.

Die Männer können doch nichts dafür, wenn die Frauen nicht an die Urne gehen.

Ja, das stimmt. Ich wünschte mir, wir könnten die Frauen dazu motivieren, sich vermehrt am politischen Prozess zu beteiligen. Ansonsten wird in der Schweiz immer nur das umgesetzt, was die Männer wollen.

Wenn man von Gleichberechtigung spricht, kommt immer wieder das Thema Militär auf. Soll die Dienstpflicht auf die Frauen ausgeweitet werden?

Ich kenne einige Frauen, die Militärdienst leisten, das ist eine wertvolle Berufserfahrung.

Sie haben meine Frage nicht beantwortet.

Ich bin aus familienpolitischen Überlegungen dagegen. Irgendwer muss sich ja auch noch um die Kinder kümmern, wenn beide Eltern im WK sind. Und überhaupt: Zuerst sollen die Frauen die gleichen Löhne erhalten, bevor man sie ins Militär schickt. Für mich als junge Frau wäre ein Dienst mit Waffen nicht infrage gekommen.

Es gibt den waffenlosen Dienst. Und heutzutage kann man zwischen Militär- oder Zivildienst auswählen.

Trotzdem kommt diese Forderung zu früh. Wenn die Gleichberechtigung erreicht ist, kann man darüber reden. Vielleicht sind die Frauen dann von alleine damit einverstanden.

Ein anderes Thema: Steht dem AKF das «Katholisch» im Namen nicht manchmal im Weg?

Warum meinen Sie?

Weil sich Frauen anderer Glaubensrichtungen ausgeschlossen fühlen könnten.

Der AKF setzt sich für alle Frauen jeglicher Glaubensrichtung ein. Der spirituelle Teil unseres Verbandes liegt mir sehr am Herzen. «Katholisch» ist unsere Identität, ist die Basis für unsere Werte und soll auch für eine offene Kirche stehen. Leider gibt es immer noch Pfarrherren, die nicht gutheissen, dass eine Frau durch den Gottesdienst führt.

Was können Sie dagegen tun?

Wir unterstützen die Frauen in verschiedenen Projekten beim Kampf um die Gleichberechtigung in der Kirche. Wenn man in der Kirche die Gleichstellung erreicht, kann dies als Basis dienen und sich auch in der Gesellschaft durchsetzen.