Bundesgericht
Nach Kritik an Aargauer Obergericht: So oft erhält Aarau ein Urteil zurück

Nach der Kritik von CVP-Grossrat Harry Lütolf liefert das Aargauer Obergericht Zahlen. Diese zeigen: Die Quote der Aargauer Urteile, die vom Bundesgericht aufgehoben werden, schwankt stark.

Fabian Hägler
Drucken
CVP-Grossrat Harry Lütolf hat am 15. Mai im Kantonsparlament einen Vorstoss zur Qualität der Urteile des Aargauer Obergerichts eingereicht.

CVP-Grossrat Harry Lütolf hat am 15. Mai im Kantonsparlament einen Vorstoss zur Qualität der Urteile des Aargauer Obergerichts eingereicht.

Keystone

Harry Lütolf macht sich Sorgen um die Qualität der Rechtsprechung der aargauischen Strafjustiz und verlangt eine Auswertung, die zeigen soll, wie viele Urteile vom Bundesgericht in den vergangenen drei Jahren zurückgewiesen wurden.

Den entsprechenden Vorstoss will der CVP-Grossrat kommende Woche einreichen, bis die Antwort der Regierung vorliegt, dürfte es einige Wochen dauern.

Doch schon heute gibt es Anhaltspunkte, wie es um die Qualität der Obergerichtsurteile aus dem Aargau steht. Urs-Peter Inderbitzin, langjähriger Bundesgerichtskorrespondent für verschiedene Medien, gibt auf Anfrage eine Einschätzung ab.

Aus seiner Sicht sind in den letzten Jahren einige – vielleicht im Kantonsvergleich überdurchschnittlich viele – Beschwerden gegen Urteile des Aargauer Obergerichts vom Bundesgericht teilweise oder vollumfänglich gutgeheissen worden.

Auf und Ab bei den Kantonen

Diese Aussage sei aber insofern zu relativieren, weil in den vergangenen Jahren relativ viele Beschwerden in Strafsachen aus dem Aargau vom höchsten Schweizer Gericht beurteilt worden seien. «Und wo viele Urteile weitergezogen werden, besteht auch vermehrt die Chance, dass eine Gutheissung oder Teilgutheissung in einem Punkt erfolgt», sagt Inderbitzin.

Krasse Fehlurteile habe es aus seiner Sicht selten gegeben, «oft sind es nur Nuancen oder auch ein mangelhaft festgestellter Sachverhalt, die eine Gutheissung nach sich ziehen». Oder dann führe ein formeller Fehler, wie die Verletzung des rechtlichen Gehörs, zur Gutheissung und Rückweisung.

Inderbitzin hat beobachtet, dass es in einzelnen Kantonen immer wieder zu Wellenbewegungen kommt. «Vor einigen Jahren war es beispielsweise der Kanton Luzern, der im Zentrum der Kritik stand, inzwischen ist diese wieder verstummt. Auch schon waren es die Gerichte des Kantons Thurgau, die in dieser Hinsicht im Fokus standen.»

Obergericht liefert Zahlen

Nicole Payllier, die Sprecherin der Aargauer Gerichte, verweist auf den Geschäftsbericht des Bundesgerichts. Dieser zeigt, dass «Lausanne» im letzten Jahr gesamtschweizerisch 13,45 Prozent der Beschwerden gegen Urteile vollständig oder teilweise gutgeheissen hat. «Das Aargauer Obergericht unterschreitet diesen Wert mit einer Quote von 12,7 Prozent», hält Payllier fest.

Betrachtet man nur die Entscheide des Strafgerichts, bestätigt die Statistik die Aussage von Bundesgerichtskorrespondent Inderbitzin. In den letzten sieben Jahren schwankte die Quote der bestätigten Urteile zwischen 86,3 Prozent und 70,1 Prozent (siehe Tabelle). Anders gesagt: Während im Jahr 2012 nur 13,7 Prozent aller angefochtenen Urteile vom Bundesgericht nach Aarau zurückgewiesen wurden, waren es im Jahr 2015 happige 29,9 Prozent.

22 Urteile nicht bestätigt

Weiter zeigt die Statistik, dass das kantonale Strafgericht 2017 insgesamt 819 Entscheide fällte. 80,6 Prozent oder 660 Urteile wurden nicht angefochten, während 19,4 Prozent oder 159 Urteile ans Bundesgericht weitergezogen wurden. Die obersten Richter in Lausanne beurteilten im vergangenen Jahr insgesamt 135 Strafentscheide aus dem Aargau. Davon wurden 83,7 Prozent oder 113 Urteile vollständig bestätigt, weitere 6,7 Prozent oder 9 Urteile teilweise.

Der Geschäftsbericht 2017 der Aargauer Gerichte zeigt, dass 94,4 Prozent der Entscheide des Strafgerichts nicht angefochten und somit von den Parteien akzeptiert oder vom Bundesgericht bestätigt wurden. Sprecherin Payllier betont: «Lediglich 22 von 819 Entscheiden wurden vom Bundesgericht nicht oder nicht vollumfänglich bestätigt und damit korrigiert.»