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Markus Dieth, der neue Aargauer Finanzdirektor, musste im März ein Rekorddefizit verkünden. Nun steht er vor seiner ersten Budgetdebatte – und er ist nervös, obwohl es Zeichen einer finanziellen Entspannung gibt.
Der Blick aus dem Büro von Markus Dieth im Telli-Hochhaus reicht weit. Und beim neuen Aargauer Finanzdirektor, der am Dienstag im Grossen Rat sein erstes Budget präsentiert, ist das Programm. Mit einer Sanierung des Kantonshaushalts will er den Aargau in die schwarzen Zahlen zurückführen.
Herr Dieth, wie gut schlafen Sie als neuer Finanzdirektor vor Ihrer ersten Budgetdebatte?
Markus Dieth: Wenn ich nicht angespannt und nervös wäre, würde das heissen, dass mir das Resultat egal wäre. Das Gegenteil ist der Fall, das Budget zu erstellen, ist für mich und für den gesamten Regierungsrat eine der wichtigsten Aufgaben, gerade vor dem Hintergrund der Haushaltssanierung. Ich freue mich darauf, schlafe aber trotzdem ruhig, weil ich weiss, dass wir ein seriöses, ausgewogenes Budget vorlegen.
Wie zuversichtlich sind Sie, dass der Grosse Rat Ihr Budget für 2018 verabschieden wird?
Wir haben alles getan, um unser sorgfältig erarbeitetes Sanierungskonzept zu erklären. Nun hoffe ich, dass dies Früchte trägt. Es ist wichtig, dass wir aus dem bisherigen Modus herauskommen, jeden Herbst um kurzfristige Sparmassnahmen zu streiten. Wir dürfen nicht nur von Jahr zu Jahr denken, sondern müssen den gesamten Kantonshaushalt längerfristig anschauen.
Am Dienstag geht es aber um das Budget 2018 – fürchten Sie eine unheilige Allianz von links und rechts, die es versenken könnte?
Das Budget ist unseres Erachtens mehrheitsfähig. Die Aufwandreduktionen, die wir vorschlagen, kann man kontrovers diskutieren. Sie sind aber innerhalb des Gesamtkonzepts nachvollziehbar und sollten nicht zur Ablehnung des Budgets führen. Es ist ausgeglichen, enthält keine Steuererhöhung, die Einschnitte sind moderat.
Die Finanzkommission des Grossen Rats stellt sich in wichtigen Punkten gegen die Regierung. Haben Sie mit diesem Widerstand gerechnet?
Die vorberatende Kommission ist nicht das gesamte Parlament. Ich habe in den letzten Tagen positive Signale aus den Fraktionen erhalten. Wir zeigen transparent auf, wie der kantonale Finanzhaushalt saniert werden kann.
Die Kommission will, dass nur ein Teil der 145 Millionen Franken aus der Konzession für das Kraftwerk Klingnau ins Budget fliesst.
Ich bin zuversichtlich, dass der Grosse Rat dem Antrag der Regierung zustimmen wird und der ganze Betrag ins ordentliche Budget kommt. Wir brauchen diesen Sauerstoff, um den Haushalt nachhaltig zu sanieren. Damit können wir neue Schulden vermeiden.
Sie ist auch dagegen, dass der Kanton 2018 keine Schulden zurückzahlt. Damit fehlen 41 Millionen.
In jedem Fall trägt der Kanton nächstes Jahr mit der Schuldenbremse rund 44 Millionen Franken ab. Unterstützt der Grosse Rat den Antrag der Kommission, werden zusätzlich 41 Millionen in der Spezialfinanzierung Sonderlasten abgetragen. Dabei geht es um Schulden, die bei der Sanierung der Aargauischen Pensionskasse und der Sondermülldeponie Kölliken entstanden sind. Diese 41 Millionen wollen wir nun im Jahr 2018 stehen lassen. So entstehen keine neuen Schulden. Es dürfte aber ein umstrittener Punkt sein. Die SVP lehnt den Verzicht auf die Schuldentilgung ab und auch die FDP hat sich in diese Richtung geäussert.
Der Aargau erhält aus dem Finanzausgleich und von der Nationalbank deutlich mehr Geld als dieses Jahr. Müsste man da nicht auf ein paar Einsparungen verzichten?
Wir wollen längerfristig den Staatshaushalt sanieren, damit wir wieder handlungsfähig werden und Investitionen tätigen können. Es ist zwar erfreulich, wenn es unerwartete Mehreinnahmen gibt. Deshalb dürfen wir aber nicht kurzfristig vom Kurs abweichen.
Dennoch werden sicher Forderungen kommen, das zusätzliche Geld zu verteilen; die Grünen haben schon Vorstösse angekündigt.
Wenn man die Kantonsfinanzen sanieren will, wäre es unverantwortlich, jetzt mehr Geld zu verteilen. Es zeichnet sich ab, dass der Aargau von der Nationalbank mehr als die budgetierten 52 Millionen Franken erhalten wird, aber definitiv wissen wir das erst Anfang nächstes Jahr, wenn die Nationalbank ihr Jahresergebnis bekannt gibt. Im besten Fall könnte es das Doppelte sein, und diesen Betrag möchten wir in die Ausgleichsreserve legen.
Im aktuellen Finanzplan stellen Sie ab 2019 eine Steuererhöhung und zum Teil massive Defizite in Aussicht. Ist es da taktisch klug, für 2018 einen Überschuss von 62 Millionen Franken zu budgetieren?
Der Regierungsrat beantragt ab 2019 keine Defizite. Diese würden erst durch Beschlüsse der Kommission entstehen. Wir budgetieren auch keinen Überschuss, sondern möchten Geld in die Ausgleichsreserve legen, damit der Haushalt über die ganze Planperiode ausgeglichen ist. Das ist weder ein schwarzes Kässeli noch ein Bilanztrick, sondern ein sinnvolles, im Gesetz vorgesehenes Instrument. Es verschafft dem Kanton Luft, bis die Sanierungsmassnahmen greifen. Je mehr wir in die Ausgleichsreserve legen können, desto stärker entschärft sich die Frage einer allfälligen Steuerfusserhöhung.
Es gibt Stimmen aus dem rechtsbürgerlichen Lager, die sagen, der Kanton spare gar nicht richtig und brauche keine Überschüsse.
Wir haben einen Auftrag zu erfüllen, der sich aus Bestellungen des Grossen Rats und aus Abstimmungsentscheiden der Bevölkerung ergibt. Wenn es in der Rechnung ein Plus gibt, ist das kein Selbstzweck, sondern gibt einen gewissen Spielraum. Und zwar nicht für die Regierung, sondern für den ganzen Kanton und seine Bewohner. Der Aargau muss modernisiert werden und sich positiv entwickeln können.
Im März mussten Sie ein Rekorddefizit verkünden. Wie sieht Ihr Ziel für die Rechnung 2017 aus?
Das grosse Minus in der Rechnung 2016 war tatsächlich ein Schock, hat aber auch wachgerüttelt. Ich wünschte mir, vom Defizit von 106 Millionen Franken auf eine schwarze Null zu kommen. Dieses Ziel ist in Reichweite, auch dank hoher Budgetdisziplin. Realistisch gesehen muss aber mit einem kleinen Defizit gerechnet werden, aber damit stimmt die Richtung.
Wie sieht es bei den Steuereinnahmen aus? Im Juni sagten Sie, bei den Unternehmenssteuern rechne der Kanton mit 50 Millionen Franken weniger als budgetiert.
Anfang Jahr gingen wir davon aus, dass 2017 rund 70 bis 80 Millionen Franken weniger Steuern von Unternehmen hereinkommen als budgetiert. Im Juni rechneten wir noch mit rund 50 Millionen weniger. Heute sieht es so aus, dass Ende Jahr wohl noch rund 20 bis 30 Millionen fehlen werden. Wir hoffen auf etwas Rückenwind.
Das klingt alles nach einer leicht positiven Entwicklung. Haben Sie zu schwarz gemalt im Finanzplan?
Es gibt tatsächlich einen schwachen Silberstreifen am Horizont, wir spüren eine leichte Entspannung. Das heisst aber nicht, dass wir jetzt euphorisch und übermütig werden dürfen. Sparen müssen wir weiterhin, wir haben ein strukturelles Problem. Wir werden die Ausgaben auch weiterhin sehr sorgfältig überprüfen und planen Einsparungen von 30 bis 40 Millionen pro Jahr. Dazu kommen die Reformvorhaben mit Aufwandreduktionen zwischen 80 und 120 Millionen Franken jährlich.
Wenn eine Firma sparen muss, entlässt sie Mitarbeiter oder verzichtet auf Lohnerhöhungen. Sie beantragen generell plus ein Prozent beim Lohn für das Staatspersonal.
Mit dem Antrag, die Löhne um ein Prozent anzuheben, liegen wir etwas über dem Schnitt der umliegenden Kantone und der Gemeinden. Ich gehe davon aus, dass der Grosse Rat nach drei Nullrunden in Serie erkennt, dass ein positives Zeichen an das Personal angebracht ist. Wir sind uns bewusst: Wenn wir den Finanzhaushalt sanieren wollen, gehört auch die Frage der Entlöhnung des Staatspersonals dazu.
Der Grosse Rat hat sich selber die Entschädigung gekürzt. Wäre auch der Regierungsrat bereit, als Zeichen in finanziell schweren Zeiten seinen Lohn zu reduzieren?
Das ist eine Frage, die man immer stellen kann. Sie wäre sicher dann zu prüfen, wenn – was wir natürlich nicht hoffen – aufgrund einer unerwarteten, absolut katastrophalen Entwicklung das gesamte Lohnsystem der Staatsverwaltung infrage gestellt würde. Im Moment haben wir glücklicherweise keine solche Situation. (Anmerkung der Redaktion: Ein Regierungsrat verdient pro Jahr 300 000 Franken).
Wissen Sie eigentlich, wie viele Sparprogramme der Aargau schon durchgezogen hat – und können Sie sagen, wie viele Sie als Finanzdirektor noch bringen werden?
Ja, das weiss ich, und ich könnte sie auch aufzählen – aber darum geht es nicht (Anmerkung der Redaktion: Es waren vier). Künftig wird es, wenn der Grosse Rat in den wichtigsten Punkten dem Regierungsrat folgt, keine einzelnen Sparpakete oder Sanierungsmassnahmen mehr geben. Wir haben mit den Plänen für die Sanierung des Kantonshaushalts ein Gesamtkonzept vorgelegt, in diesem Rahmen bewegen wir uns künftig. Je nach Finanzlage kann der Grosse Rat entscheiden, welche Reformen wann nötig sind, aber der Weg ist klar vorgezeichnet.