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Kanton Aargau
Ab heute Montag öffnen die Baumärkte wieder, Kioske verkaufen nun Schutzmasken und Coiffeure dürfen ihren Kunden wieder an die Haare. Erste Eindrücke der Lockdown-Lockerung im Aargau.
Bereits um 8.30 Uhr, rund eine halbe Stunde vor der eigentlichen Ladenöffnung, war der Parkplatz des Obi in Oftringen gut gefüllt. Eine lange Schlange zog sich entlang des Gebäudes. Dicht an dicht standen Hobbygärtner jeden Alters. Nur Vereinzelte trugen Masken, kaum jemand hielt den Abstand von zwei Metern ein – eine Einkaufswagenlänge musste genügen.
Um 8.45 Uhr kam plötzlich Bewegung in die Schlange; das Gartencenter hat seine Türen etwas früher geöffnet. An die 400 Personen finden darin Platz, um dem Social Distancing gerecht zu werden. Zu Beginn durften aber nur rund 200 Personen rein, erklärte ein Mitarbeiter am Eingang. «So sehen wir, wie sich die Leute verteilen. Dann können wir entscheiden, ob wir mehr reinlassen können oder nicht.» Die ersten 200 waren innert Minuten im Laden. Unentwegt fuhren neue Autos zu, die von den Mitarbeitern des Parkdienstes eingewiesen wurden. Einige drehten gleich wieder ab, wenn sie die Schlange sahen, doch die meisten reihten sich ein und warteten.
Seit heute Morgen sind Dentalhygiene-Behandlungen wieder zugelassen. Mari Anne Bergman von der Zahnarztpraxis Dr. Conrad in Baden: „Ich dachte, viele würden den Termin absagen, aber das ist nicht passiert. Wir sind ausgebucht in den nächsten Wochen.“ Sie nimmt ihre Tätigkeit mit gemischten Gefühlen wieder auf: „Ich freue mich sehr, wieder arbeiten zu können. Aber weil wir Behandlungen quasi in der Höhle des Löwen durchführen, im Mund, von wo sich das Virus verbreitet, und die Patienten ja unmöglich Masken tragen können, habe ich schon Respekt.“
Der erste Patient kommt um 8 Uhr: Er erhält Desinfektionsmittel und wird gebeten, ein Formular mit Fragen zur Gesundheit auszufüllen und zu unterschreiben. Und los geht’s: Bergman trägt Einweg-Handschuhe, eine FFP-Schutzmaske („das Atmen ist recht anstrengend") sowie einen selbstgebastelten Gesichtsschutz („die Bestellung wurde nicht geliefert“).
Neu für die Patienten: Vor jeder Behandlung spülen und gurgeln sie mit einer Wasserstoffperoxid-Desinfektionslösung. Verzichtet wird bei der Behandlung auf Ultraschall, um die Verbreitung von Aerosolen zu verringern. Nach jeder Behandlung wird das Zimmer eine Viertelstunde gelüftet, alles wird desinfiziert.
Auf die Landi in Klingnau mit ihrem Baumarkt kommt es zu einem regelrechten Ansturm: Die Fahrzeuge stauen sich am frühen Morgen, kurz nach Ladenöffnung sind schon alle Einkaufswagen weg, wie eine Leserreporterin schreibt.
Marcel Faude heisst der erste Kunde nach dem vorübergehenden Lockdown im Tattoo-Studio Immortalis in Brugg. Sechs Wochen lang war der Laden geschlossen. Kundentermine wurden zuerst auf nach dem 19. April verschoben, dann auf nach dem 26. April. Normalerweise hat das Tattoo-Studio am Montag zu. Um den Kundenandrang bewältigen zu können, ist heute geöffnet. „Wir sind über mehrere Wochen ausgebucht“, sagt Inhaber Allan de Lima. Er ist erleichtert, dass er nun wieder arbeiten darf. Je nach Motiv bedient er einen bis zwei Kunden pro Tag. Eine Sitzung dauert in der Regel mehrere Stunden.
Handschuhe und Hygienemasken gehörten schon vor der Pandemie zum Alltag im Tattoo-Studio. Für die Tätowierer ändert sich entsprechend wenig. Die Kunden müssen jedoch ab heute ebenfalls eine Maske tragen. „Es ist ungewohnt“, sagt Marcel Faude, der sich heute seinen längst geplanten Leuchtturm auf den Unterarm tätowieren lässt. „Ohne Corona hätte ich das ganze schon hinter mir“, sagt er augenzwinkernd. Seinen Termin musste der Polier zwei Mal verschieben. Allan de Lima ist froh, dass seine Kunden sehr viel Verständnis für die lange Wartezeit haben. „Kein einziger Kunde ist abgesprungen.“
Sonntagabend, kurz vor Mitternacht. Das Autowaschanlagen-Areal der Stützliwösch in Villmergen ist vom hellen Licht erleuchtet. Noch ist alles abgesperrt. Es herrscht Ruhe. Kein Kunde weit und breit. Dann, um exakt 00.01 Uhr schreitet Betriebsleiter Augusto Machado ans Werk. Er entfernt die beiden Absperrketten, die Zwangspause ist beendet. Die Stützliwösch darf wieder für ihre Kunden öffnen. „Die Leute kommen sicher bald wieder. In normalen Zeiten verzeichnen wir in der Zeit ab 19 Uhr bis am anderen Morgen rund 80 Waschgänge“, sagt Machado.
Vor allem Taxis würden in der Nacht jeweils waschen. Bis 00.15 Uhr taucht aber niemand mehr auf. Die Waschstrasse und die Boxen sind verwaist. Keiner will unbedingt sein Auto waschen. Anders sieht die Lage am Montagmorgen aus. Ein weiterer Augenschein zeigt um 7.45 Uhr: Das Bedürfnis zum Autowaschen ist trotz anhaltender Trockenheit spürbar. Drei Waschboxen sind belegt, zwei Staubsaugerplätze ebenfalls, in den beiden Waschstrassen stehen zwei Autos und es hat sich sogar eine Warteschlange von zwei Wagen gebildet. Ähnlich wie beim Run auf die Coiffeure. Doch statt Haare werden Frontscheiben und Karrosserie gewaschen und geföhnt. „Der Blütenstaub hat sich in den letzten Tagen und Wochen hartnäckig auf dem Lack festgesetzt. Das schadet“, meint ein älterer Kunde, der seinen Namen nicht öffentlich lesen möchte. Die Schutzmassnahmen setzt die Stützliwösch mit vielen Hinweistafeln und Bodenmarkierungen sowie Desinfektionsmittel vorbildlich um. Statt neun Staubsaugerplätze sind nur fünf benutzbar, um den Abstand einzuhalten.
Geöffnet wurde erst um 9 Uhr, doch die ersten Kunden standen bereits eine Stunde früher vor den noch geschlossenen Türen: Beim Migros Do it + Garden im Wynecenter Buchs warteten 25 Personen auf die Eröffnung. Einige trugen Masken.
Es war ein besonderer Moment. Um 7.34 Uhr betritt am Montag der erste Kunde den Coiffeursalon „Hairstylistin iba“. Nach sechs Wochen Lockdown. „Es ist schon ein spezielles Gefühl“, sagt Geschäftsinhaberin Iba Rexhepi. „Fast so, als wenn wir heute neu eröffnen würden.“ Sie sei denn auch etwas nervös, sagt Rexhepi, die ihr Geschäft in Frick 2007 eröffnet hat.
Nach sechs Wochen Zwangspause ist für Rexhepi und ihr siebenköpfiges Team „endlich wieder Alltag“ – und doch ist alles anders. Keine persönliche Begrüssung, die Kunden müssen ihre Jacke selber aufhängen, häufiges Händedesinfizieren, Maskenpflicht, Handschuhe. Jeder Kunde wird auf die Vorsichtsmassnahmen hingewiesen. Auch die Kunden müssen Masken tragen. „Ich habe das Maskentragen am Samstag selber ausprobiert“, sagt Rexhepi. Es sei „gewöhnungsbedürftig“.
Masken hat sie seit dem Wochenende genügend an Lager. Rund 2000 holte sie sich in Kölliken ab, wo der Kanton kostenlos Masken an Betriebe abgab. Mit dem Stock, den sie an Lager hatte, sind es nun knapp 3000. Das reicht eine Zeitlang.
Wobei: Wenn es mit den Buchungen so weitergeht, nimmt der Bestand schnell ab. Seit der Bundesrat bekanntgab, dass Coiffeursalons wieder öffnen dürfen, „steht das Telefon nicht mehr still“, sagt Rexhepi. Auch online geht Buchung um Buchung ein. „Für die nächsten drei Wochen sind wir so gut wie ausgebucht“, freut sich Rexhepi. Auch, weil Rexhepi und ihr Team derzeit nicht mehr alle Stühle besetzen könnten. Konnten vor dem Lockdown neun Kundinnen und Kunden gleichzeitig bedient werden, sind es aufgrund der Coronavorschriften nun noch fünf.
Verändert hat das Coronavirus auch die Arbeitsabläufe. Betreute jede Hairstylistin ihre Kunden vor dem Lockdown von A bis Z, sind die Arbeitsschritte nun aufgeteilt. Rexhepi hat ihre Mitarbeiterinnen instruiert, was beachtet werden muss. „Fehler können aber immer passieren, schliesslich sind wir nicht für den Pandemiefall geschult“, sagt sie. Auch das mache sie etwas nervös, zumal die Polizei ja jederzeit im Laden stehen könne, um zu kontrollieren, ob sämtliche Vorschriften umgesetzt sind. Sie lacht. „Wir geben unser Bestes.“ (twe)
Die Parkplätze auf vor dem grössten Gartencenter in Lengnau sind um 8 Uhr bereits gut gefüllt. Der Andrang hält sich bislang aber in Grenzen. Damit alles kontrolliert und nach BAG-Vorschriften abläuft, hat Firmeninhaber Paul Hediger Einkaufswägen beim Eingang bereitgestellt. 70 an der Zahl. So sollten sich die Kunden auf den insgesamt 6000 Quadratmetern nicht in die Quere kommen. Hediger ist zuversichtlich, dass der Schritt zurück in die Normalität sich auch auf den Umsatz auswirken wird.
Mit einem Abholdienst und einem Onlineshop hat er den Lockdown überbrückt. „Es lief sehr gut, die Einbusse konnten wir damit aber nicht auffangen.“ Er rechnet mit einem Verlust von gegen 60 Prozent. Gleichwohl klagt er nicht: „Wir werden nun alles versuchen, davon wieder etwas aufzuholen.“ Inzwischen parkieren immer mehr Autos vor dem Center. Die Leute überhäufen Paul Hediger mit Fragen. Er beantwortet sie stoisch. Er und sein Team scheinen für den bevorstehenden Ansturm gewappnet. (dws)
Kein Run auf Gesichtsmasken in Lenzburg, keine Warteschlange vor dem Coop Supermarkt. Im
Gegenteil: Um 7.15 Uhr, eine Viertelstunde vor Ladenöffnung steht noch kein einziger Kunde vor der Tür. Hinter den Glasscheiben sieht man das Personal jedoch emsig herumwuseln, beschäftigt mit den letzten Vorbereitungen für den neuen Einkaufstag. Rollkarren, gefüllt mit Waren werden herumgeschoben, da und dort wird an der Ware in den Gestellen etwas gezupft und das Produkt besser ins Licht gerückt.
Kurz vor halb acht Uhr dann die erste Kundin: Monika Eichenberger aus Beinwil am See. Sie will jedoch keine Hygienemasken kaufen, sondern Blumen zum Gedenken an den Todestag eines Familienmitgliedes, sagt sie.
7.30 Uhr: Die automatische Eingangstür öffnet sich, Monika Eichenberger und eine weitere Kundin, die gerade ihr Velo abgestellt hat, treten ins Geschäft. Das Ehepaar, das wenig später folgt, hat ebenfalls keine Gesichtsmasken auf dem Einkaufszettel: „Wir haben festgestellt, dass dies die beste Zeit ist, um einzukaufen“, erklärt die Frau den Einkauf zu früher Stunde.
Nach und nach kommen weitere Kunden in den Laden. Die Schutzmasken sind am Kiosk erhältlich: 20 Stück kosten 19.70 Franken. Der Kauf ist auf eine Packung pro Einkauf beschränkt, steht auf dem Schild neben der Kasse. Doch das scheint niemanden zu interessieren. Die Obst- und Gemüseauslage locken und der Duft nach frischgebackenem Brot.
Das Verkaufspersonal am Kiosk ist mit den Auslagen für die Blumen beschäftigt, die ab heute wiederangeboten werden dürfen. Zu den Blumen zieht es auch Monika Eichenberger.
Fazit: In Lenzburg bleibt der grosse Run auf Hygienemasken aus, zumindest am frühen Morgen.
Definitiv der einzige Ort, an dem es zu dieser Zeit so richtig brummt, ist die grosse Baustelle neben dem Coop Supermarkt. (rst)
Der Kiosk im Coop Telli in Aarau verkauft neu Masken. Sie kosten fast 20 Franken für 20 Stück. "Echli sehr tüür", findet ein Herr. Pro Person darf nur eine Packung gekauft werden. Der erwartete Ansturm bleibt am frühen Morgen jedoch aus. Bislang haben sich keine langen Schlangen gebildet. (nro)