Geduldig fuhr der Autor Jörg Meier einem Güselfahrzeug nach, beobachtete die orangen Güselmänner, die zügig ihre Arbeit verrichteten und realisierte dabei: «Die waren nicht wegen mir gerannt. Die rennen immer.»
Der Wagen der Kehrichtabfuhr versperrte die Quartierstrasse. Mir blieb nichts anderes übrig, als im Schritttempo dem Fahrzeug zu folgen. Es hielt alle paar Meter an und die beiden orange gekleideten Männer sprangen vom Trittbrett, rannten zum Trottoir, warfen die bereitstehenden Abfallsäcke in den Schlund, leerten die Container und stellten sie zackig an den Strassenrand zurück. Ich folgte dem Güselfahrzeug in sicherem Abstand, schaute dem eingespielten Team bei der Kehrichtbeseitigung interessiert zu. Obwohl in Eile, beschloss ich, geduldig zu sein; es war offensichtlich, dass sich die Güselmänner beeilten. Endlich zweigte das Fahrzeug nach rechts ab und gab die Strasse frei. Ich schaute dem Güselwagen nach und sah, dass die orangen Männer ihre Tätigkeit keineswegs verlangsamten. Da begriff ich: Die waren nicht wegen mir gerannt. Die rennen immer. Müssen rennen. Sonst kriegen sie unseren Abfall gar nicht innert nützlicher Frist von den Trottoirs.
Wenige Tage später lese ich dies: 1979 war die amerikanische Künstlerin Mierle Laderman Ukeles während elf Monaten unterwegs, um allen 8500 Mitarbeitern der New Yorker Müllabfuhr die Hand zu schütteln. Sie dokumentierte die Begegnungen und die daraus resultierende Ausstellung sorgte für grosses Aufsehen. Doch das öffentliche Interesse für die neu entdeckten «Local Heroes» verebbte rasch. Ich fürchte, meine Güselmänner hätten gar keine Zeit zum Händeschütteln.
Da fiel mir ein, dass wir ziemlich genau vor einem Jahr auf den Balkonen standen und heftig applaudiert haben.