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Kanton Aargau
Annelise Alig Anderhalden, Leiterin der kantonalen Standortförderung, spricht über Perspektiven für Unternehmensansiedlungen im Aargau. Sie sieht vor allem die lancierte Hightech-Initiative als grosse Chance für 2013.
Kann man beziffern, wie viele Arbeitsplätze dank der Standortförderung 2012 geschaffen wurden?
Annelise Alig Anderhalden: Rund 200 Arbeitsplätze. Einerseits bei Startup-Unternehmen, anderseits bei neu zugezogenen Firmen. In den letzten Jahren waren es jeweils 300 bis 500 Arbeitsplätze, bei deren Zustandekommen wir involviert waren.
Dann war 2012 kein gutes Jahr?
Ja und nein. Früher haben wir auch beziffert, wie viele Arbeitsplätze aufgrund unserer Mithilfe in Aargauer Unternehmen geschaffen worden sind. Die Abgrenzung ist aber schwierig, deshalb messen wir das nicht mehr. Darum und weil das Ansiedlungsgeschäft 2012 tatsächlich schwieriger war, kommen wir auf 200 neue Arbeitsplätze.
Annelise Alig Anderhalden leitet seit 1. Juni 2012 die kantonale Standortförderung. Schon seit 2006 ist die 37-Jährige für die Standortförderung Aargau tätig. Seit 2009 leitete sie die Stabsstelle für Standortmarketing und Standortpflege. Die neue Funktion erhielt sie aufgrund einer vom Regierungsrat beschlossenen Reorganisation der Standortförderung. Die neue Organisationseinheit ist Volkswirtschaftsdirektor Urs Hofmann direkt unterstellt. Alig wohnt in Zürich und hat einen Abschluss als Ingenieurin ETH, Fachrichtung Agrarwirtschaft. Nach dem Studium war sie bei privaten Beratungsunternehmen im Bereich Unternehmens- und Politikberatung tätig. (AZ)
Welches ist der grösste Trumpf, den Sie als Standortförderin einsetzen können?
Eins vorweg, damit keine Missverständnisse entstehen: Wir reden von ausländischen Unternehmen, die wir herholen wollen. Nicht von solchen aus anderen Kantonen. Interessenten sage ich, dass der Aargau mitten in der wirtschaftsstärksten Region der Schweiz liegt. In der Region werden 40 Prozent des schweizerischen Bruttoinlandprodukts erwirtschaftet! Und wir sind mittendrin. Man ist also schnell bei den Zulieferern, das Kundenpotenzial ist gross. Und hier hat man gute Chancen, die nötigen Fachkräfte zu finden.
Welches ist das grösste Vorurteil, das Sie entkräften müssen?
Im Ausland gibt es gegenüber dem Aargau keine Vorurteile. Man kennt ihn meist gar nicht. Genau das ist die Herausforderung. Es gibt aber Vorurteile gegenüber der Schweiz, die wir jeweils entkräften müssen.
Zum Beispiel?
Dass unsere Arbeitskosten so hoch seien. Unsere Löhne sind hoch, das stimmt. Das wird aber durch eine höhere Produktivität kompensiert. Zudem ist die Rechtssicherheit sehr gross. Bei uns werden kaum Gesetze rückwirkend geändert. Das ist für die Planungssicherheit sehr wichtig.
Was wäre ein zusätzlicher Trumpf? Eine weitere internationale Schule?
Wichtig ist, dass die internationalen Steuerberater in Zürich, die von ausländischen Unternehmen kontaktiert werden, den Aargau auch als den starken Standort kennen lernen, der er ist. So können sie ihn auch empfehlen. Daran arbeiten wir. Der Aargau wird immer noch unterschätzt. Internationale Konzerne suchen zudem oft ein städtisches Umfeld und wollen nicht in eine ländliche Gemeinde. Das können wir weniger bieten. In Baden beispielsweise ist derzeit das Büroangebot knapp. Sorge tragen müssen wir unserer Hotelsituation. Und wir brauchen im hochwertigen Segment genug Wohnangebot.
Was sähen Sie sonst noch?
Toll wäre, wenn wir zuziehenden Hightech-Firmen Technoparks mit bestehenden Labors zur Verfügung anbieten könnten. Das ist teuer, wäre aber ein tolles Angebot, das ziehen würde.
Künftig werden Sie das Potenzial des Fachhochschulcampus Brugg-Windisch ins Feld führen können.
Auf jeden Fall! Der Aargau ist in den technologisch orientierten Betrieben besonders stark. Diese brauchen auf wirklich allen Ebenen hervorragend ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das bietet der Aargau gerade auch mit der Fachhochschule. Mir gefällt ein Zitat von Benjamin Franklin. Er sagte einst: «Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen.»
Vor zwei Jahren ist der Aargau aus der Greater Zurich Area (GZA) ausgestiegen, weil der Nutzen minimst war. Hat sich das bewährt?
Wir verstärken die Zusammenarbeit mit der Osec. Diese vertritt den Wirtschaftsstandort Schweiz im Ausland für alle Kantone. Im 2012 sind deutlich mehr Auslandanfragen via Osec zu uns gekommen als in den Vorjahren. Darunter hat es vielversprechende Projekte. In diese investieren wir viel Zeit. Wir zeigen unsere Perlen, was der Aargau bietet, machen Offerten, klären Detailfragen, organisieren Meetings. Die Frage eines neuen Engagements des Aargaus in der GZA stellt sich zurzeit nicht. Wir haben im 2010 entschieden, uns daraus zurückzuziehen.
Und kürzlich warben Sie in Heilbronn.
Ja, mindestens zweimal im Jahr gehen wir zusammen mit der Handelskammer Deutschland - Schweiz nach Deutschland. Auf keinen Fall vergessen wir darob aber die Aargauer Unternehmen! Auch von ihnen bekommen wir viele Anfragen. Etwa, wenn ein Unternehmen innerhalb des Aargaus zügeln oder expandieren will und einen neuen Standort sucht. Zudem begleiten wir jährlich 70 bis 80 Startup-Projekte und gleich viele Aargauer KMU.
Was hat in Heilbronn im Oktober herausgeschaut?
Wir hatten mit rund 30 Unternehmen Kontakt. Daraus verfolgen wir 10 weiter, die konkretere Pläne für die Schweiz haben. Wichtig ist, dass wir in Süddeutschland präsent sind. In den Gesprächen mit Unternehmern hören wir jeweils, was sie in der Schweiz genau suchen. Nur so können wir das Richtige anbieten. Und auch mittel- bis längerfristige Projekte lancieren, welche zur Attraktivität des Kantons beitragen.
Spüren Sie dabei etwas von den Verstimmungen auf Staatsebene im Steuer- und Fluglärmstreit?
Nicht direkt. Manche unserer Stärken werden dort nachgerade bewundert. Deutsche Unternehmer zögern aber derzeit gegenüber der Schweiz mit Entscheiden. Sie wollen erst wissen, wie sich das Verhältnis weiter entwickelt, und ob sie überhaupt noch willkommen sind.
Würden Sie mit mehr Mitteln gern selbst weitere Märkte bearbeiten?
Zusammen mit der Osec bearbeiten wir die USA und Japan stärker. Auch Basel Area bezieht das Fricktal in ihre Promotions- und Ansiedlungsaktivitäten mit ein. Doch selbst wenn wir mehr Mittel hätten, müssten wir sie auf bestimmte Gebiete konzentrieren, statt uns zu verzetteln.
Wie erlebten Sie den spektakulären Teilwegzug von Carlsberg aus Rheinfelden in den doch eher peripheren Kanton Glarus? Was schliessen Sie daraus?
Der Wegzug tut weh. Ich glaube nicht, dass Steuern primär ein Instrument der Regionalpolitik sein sollten. Die neue Regionalpolitik sollte dafür da sein, Regionen anderweitig zu unterstützen. Das ist zielführender, als Umzüge innerhalb der Schweiz zu begünstigen.
Wissen Sie, ob Carlsberg aktiv abgeworben worden ist oder ob sie selbst auf der Suche waren?
Glarus hat Carlsberg ganz bestimmt nicht aktiv abgeworben. Es bringt volkswirtschaftlich ja gar nichts, wenn wir uns gegenseitig Firmen abjagen! Dass andere Kantone bei uns aktiv werden, kommt selten vor. Vor rund zwei Jahren hat Luzern dies mit einem Brief an Unternehmer im Aargau getan. Unsere Regierung hat damals zusammen mit anderen Kantonen entsprechend reagiert. Seither ist das nicht mehr geschehen. Wenn aber eine Firma aus einem anderen Kanton mehr Platz braucht und uns um Hilfe fragt, geben wir natürlich Auskunft.
Sie achten sehr darauf, bestehende Firmen im Aargau zu pflegen. Wie?
Zum Beispiel helfen wir Unternehmungen zu einem einfachen Zugang zur Verwaltung. Wenn man in einer Firma nicht genau weiss, wer in der Verwaltung für eine bestimmte Frage zuständig ist, klären wir das für sie. Dafür haben wir eigens eine Serviceline für KMU aufgeschaltet.
Da läutet es ständig?
Das nicht. Die Unternehmer wissen sich schon zu helfen. Aber wer anruft, der steht meist wirklich «am Berg». Die Unternehmer sind dann sehr froh, wenn wir weiterhelfen können. Das ist für uns eine schöne Aufgabe.
Der Aargau sucht hochqualifizierte neue Arbeitsplätze. Verweisen sie eine anklopfende Logistikfirma mit weniger erwarteter Wertschöpfung an einen anderen Kanton?
Grundsätzlich gilt: Das Unternehmen entscheidet selbst, wohin es gehen möchte. Wir wollen uns auf Unternehmen konzentrieren, die tatsächlich Arbeitsplätze im Aargau schaffen. Weil das Land immer knapper wird, geht es dabei nicht nur um die Anzahl, sondern mehr noch um die Qualität der neuen Arbeitsplätze.
Welchen Wunsch haben Sie für 2013?
Dass die vom Aargau lancierte Hightech-Initiative zu einem Erfolg wird. Das ist eine grosse Chance für den Aargau. Und ich wünsche mir, dass die Wirtschaft die Dienstleistungen, die das Hightech-Zentrum bieten wird, nutzt. So wie wir das geplant haben. Ich bin überzeugt, dass dieses Zentrum den Unternehmen im Technologietransfer viel bringen und unsere Standortattraktivität nochmals stärken wird.
Und sonst?
Die beste Standortwerbung ist, wenn im Aargau wirtschaftende Unternehmer ausländischen Geschäftspartnern von unseren guten Rahmenbedingungen erzählen. Solche Beispiele freuen mich. Denn Unternehmer vertrauen anderen Unternehmern, weil diese natürlich wissen, wovon sie reden.