Konflikt
Mit seltener Einigkeit: Sicherheitsrat der UN erhöht Druck auf die Taliban

Der Abzug der US-Truppen aus Afghanistan steht vor dem Ende – unter extrem gefährlichen Bedingungen. Zehntausende Afghanen hoffen darauf, das Land trotzdem noch verlassen zu können. Die Weltgemeinschaft versucht, die Taliban in die Pflicht zu nehmen.

dpa
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Drei Talibankämpfer in der afghanischen Hauptstadt Kabul.

Drei Talibankämpfer in der afghanischen Hauptstadt Kabul.

Khwaja Tawfiq Sediqi / AP

Der UN-Sicherheitsrat erhöht den Druck auf die militant-islamistischen Taliban in Afghanistan, die Menschenrechte zu wahren und Ausreisewillige ungehindert passieren zu lassen. In seltener Einigkeit verabschiedete das mächtigste UN-Gremium am Montag eine entsprechende Resolution. Die Entscheidung fiel mit 13 Ja-Stimmen, Russland und China enthielten sich. UN-Resolutionen sind völkerrechtlich bindend.

UN-Sicherheitsrat erwartet, dass Taliban Verpflichtungen einhalten

Der Abzug der US-Truppen aus Afghanistan befindet sich unter extrem gefährlichen Bedingungen in der Endphase. Die USA wollen das Land bis Dienstag verlassen haben. Damit geht auch der militärische Evakuierungseinsatz zu Ende. Im Land befinden sich aber noch Zehntausende Menschen, die sich vor den Taliban in Sicherheit bringen wollen. Die US-Regierung und die westlichen Partner haben wiederholt betont, dass es auch nach dem Ende der militärischen Missionen die Möglichkeit geben soll, Menschen in Sicherheit zu bringen.

In der Resolution, die von Grossbritannien und Frankreich zusammen mit den USA und Irland vorgelegt wurde, verweist der UN-Sicherheitsrat auf die Zusagen der Taliban, dass Afghanen das Land jederzeit und auf allen möglichen Wegen ungehindert verlassen dürften. Man erwarte, «dass die Taliban diese und alle anderen Verpflichtungen einhalten», heisst es darin.

Zugleich unterstreicht das Gremium die Forderung nach einem ungehinderten humanitären Zugang sowie nach Wahrung der Menschenrechte in Afghanistan, insbesondere «der Rechte von Frauen, Kindern und Minderheiten». Eine zuletzt vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron ins Spiel gebrachte UN-Sicherheitszone in Kabul wird in der Resolution nicht erwähnt.

Verfeindete IS und die Raketenangriffe

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) griff am Montag erneut den Flughafen Kabul an. Nach Angaben der US-Regierung wurden fünf Raketen in Richtung des Airports abgefeuert. Drei seien ausserhalb des Geländes gelandet, eine von einem Raketenabwehrsystem am Flughafen abgewehrt worden, sagte Generalmajor William Taylor am Vormittag (Ortszeit) im Pentagon. Eine weitere Rakete schlug demnach innerhalb des Flughafengeländes ein, ohne Menschen oder Evakuierungsmission zu gefährden.

Der in Afghanistan aktive Ableger des IS reklamierte den Raketenangriff für sich. «Soldaten des Kalifats» hätten den Flughafen mit sechs Raketen des Typs Katjuscha angegriffen, teilte IS-Khorasan, wie der IS sich in Afghanistan und Pakistan nennt, am Montag auf der Plattform «Naschir News» mit. Der IS, der mit den Taliban verfeindet ist, hat bereits in der Vergangenheit immer wieder verschiedene Ziele in Kabul mit Raketen angegriffen.

Fast 120'000 Menschen sind aus dem Land evakuiert worden

US-Präsident Joe Biden sei über den Raketenangriff unterrichtet worden, erklärte die Pressesprecherin des Weissen Hauses, Jen Psaki. Der Präsident sei zudem informiert worden, dass die Operationen am Flughafen ununterbrochen fortgesetzt würden. Biden hatte am Sonntag vor möglichen weiteren Anschlagen rund um den Flughafen Kabul gewarnt. Erst am Donnerstag waren bei einem Anschlag des IS am Flughafen mindestens 13 US-Soldaten und -soldatinnen sowie zwei Briten ums Leben gekommen. Die Angaben über die afghanischen Todesopfer schwanken, Sender wie CNN sprachen von bis zu 200 Toten.

US-Präsident Joe Biden.

US-Präsident Joe Biden.

Michael Reynolds / EPA

Im Zuge ihrer Evakuierungsmission am Flughafen Kabul haben die USA zuletzt innerhalb von 24 Stunden rund 1200 Menschen ausser Landes gebracht. Zwischen dem frühen Sonntagmorgen und dem frühen Montagmorgen hätten 26 Flugzeuge des US-Militärs rund 1200 Menschen ausgeflogen, teilte das Weisse Haus mit. Seit dem Start der Mission Mitte August seien insgesamt rund 116'700 Menschen aus Afghanistan evakuiert worden, hiess es weiter.

Laut CNN hat auch Washington die Evakuierungsmission mittlerweile abgeschlossen. Die deutsche Bundeswehr hatte ihren Rettungseinsatz am Donnerstag beendet, Frankreich, Spanien und Grossbritannien folgten am Freitag und Samstag.